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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

4. 6. 2009 - 04:48

Wenn die Kunst spielen geht

Aus dem Nintendo wächst Kresse, ein großer Knopf zündet die Pixelbombe und im Nebenzimmer lotsen wir Roland aufs Klo.

Flyer der Verstaltung "A MAZE: First Step".

A MAZE

Während die Spieleindustrie in Los Angeles im Pressekonferenz-Fieber ist, bietet Berlin Mitte in diesen ersten Juni-Tagen die perfekte Antithese dazu. In einer kleinen Bar und einer kurzfristig als Ausstellungsraum umgewidmeten Wohnung nebenan, stellt man sich nicht die Frage, ob Computerspiele Kunst sein können, sondern ist verblüfft darüber, was Künstler/innen mit Computerspielen alles anstellen können.

Statt zielgruppengerechter Zugänglichkeit dient Game Design hier als Vehikel zur Umsetzung unkonventioneller Ideen und Einfälle, die nicht selten dazu führen, dass ein Spiel irgendwann gar nicht mehr spielbar ist oder uns mit audiovisuellem Wirrwarr kirre macht. Doch gleich danach werden wir wieder versöhnt und spielen mit Händen und Füßen, bunten Würfeln und Riesen-Bildschirmen.

First Step

Die Veranstaltung ist das erste mehrtägige Festival der jungen Plattform
A MAZE, die sich seit Anfang 2008 der Herausforderung stellt, Zusammenhänge von Games und Kunst sichtbar zu machen. Bereits seit letzten Herbst laden die Damen und Herren von A MAZE einmal im Monat zu einem Abend zwischen Game Art, Chiptunes und Videospiel-Theorie.

"First Step" bietet nun ein erweitertes Programm, das von der Ausstellung über eine Konferenz bis hin zu einer Clubmusik lastigen Abschlussparty reicht. A MAZE präsentiert sein Programm dabei im Rahmen des gerade angelaufenen Design-Festivals DMY. Gestern Abend war Eröffnung.

Veranstaltungsplakate auf einer verzierten Glaswand.

Robert Glashüttner

Das Kim ist die Homebase von A MAZE. Die Bar liegt praktischerweise direkt an der U8 Station Rosenthaler Straße.
Ein Kuchen in Form bunter "Tetris"-Teile.

Robert Glashüttner

Nach der Aufbau-Arbeit folgt das programmatische Einweihungs-Vergnügen, etwa mit der Tetris-Torte.

Wir basteln eine Ausstellung

Hier und dort hakt es noch mit der Technik und die lose umherliegenden Zettel mit den jeweiligen Beschreibungen der Werke sind nicht immer gleich auffindbar. Doch stets ist der zuständige Artist oder einer der Organisatoren mit Rat und Tat zur Hilfe.

Neben ausgewiesenen Kunstwerken und interaktiven Installationen werden bei "First Step" auch Arbeiten - Spiele, Videos, Fotos - von Berliner Studierenden vorgestellt. Und weil in Berlin fast jede Uni eine drei Großbuchstaben lange Abkürzung trägt, lernt man beim aufmerksamen Studieren der Ausstellungsbroschüre schnell, was sich hinter den kryptischen Bezeichnungen UDK, MD.H und FHP verbirgt.

Super Mario auf einer Röhre vor schwarzem Hintergrund.

Robert Glashüttner

Braucht wenig Erklärung: Die SNES-Mod "In The Veils Of Negative Existence" von Jöran Eitel von der Uni Potsdam/Europäische Medienwissenschaften.
Ein Nintendo DS, aus dem Kresse wächst.

Robert Glashüttner

Der Wahnwitz: Kresseanbau auf dem Nintendo DS! Bei SUSIGAMES ist alles möglich.

Drüben im Foto-Shop

Ein großer, roter Knopf, der von einem Licht beleuchtet wird.

Robert Glashüttner

Im Nebengebäude ("Foto-Shop") kommt noch mehr Ausstellungs-Stimmung auf. Zentral platziert ist Leif Rumbkes Installation "Wargame", ein großer, bedrohlicher Knopf, der exponiert im Raum steht und rot beleuchtet wird. An der Wand sieht man die Projektion eines pixeligen Gewusels, das sich beim näheren Hinsehen als Kriegsszenario entpuppt. Die Figuren kommen, schießen, sterben - doch erst, wenn der dicke Button niedergedrückt wird, ist die Schlacht zu Ende.

Leif selbst interessiert sich mehr für die technische Umsetzung seiner Installation. Über die darunter liegenden Aussagen über Krieg, der (ehemals) schmalen Grenze zwischen Rüstungsindustrie und Computerentwicklung und ethische Aspekte bei Videospielen soll sich jede/r eigene Reime machen.

Eine Pixelgrafik mit einem Totenkopf.

Robert Glashüttner

"Wargame"
Zwei Menschen vor einem großen Touchscreen.

Robert Glashüttner

Entspannung vom Krieg findet man ein paar Schritte weiter in Sebastian Schmiegs Touchscreen-Meisterwerk "Roy Block".

Performatives Abenteuer

Nach den ersten Runden durch den Foto-Shop bekommt man einen guten Eindruck über das Wesen von "First Step" - nur, was da hinter verschlossenen Türen geredet und gekichert wird, bleibt voerst unklar. Draußen steht eine kleine Traube Menschen vor einem Mini-Fernseher, der eine fixe Kameraeinstellung von Menschen zeigt, die irgendwo hin starren und abwechselnd verwundert, konzentriert und erheitert sind. Ton gibt es keinen, damit nichts verraten wird.

Ein Adventure im klassischen Point & Click-Stil würde man in dem Raum spielen, heißt es, und die Kamera filme eben mit. Doch es stellt sich bald heraus, dass das nicht die einzige Kamera ist, die hier mitmischt - "Roland muss auf Klo" funktioniert ohne Kameraunterstützung nämlich gar nicht. Dieses "Adventure" ist in Wahrheit ein Video-Anruf bei Roland, der schon dringend aufs Klo muss. Wir müssen ihm helfen. Da steht ein Mikro, in das wir die Befehle sprechen können. Roland ist gut gelaunt, schon ein bisschen nervös aber trotzdem sehr kooperativ. Er weiß ja selbst nicht, wie's weitergeht!

Spielen des Live-Adventure Spiels "Roland muss auf Klo".

Fabian Vaccaro

"Roland muss auf Klo", konzipiert von Martin Thiele.

Spielen und Entdecken bei freiem Eintritt

Noch bis Samstag, 6. Juni, ist "First Step" jeweils von 16 bis 22 Uhr geöffnet. Am Samstag geht's sogar schon um 12 Uhr los, denn um 17:30 Uhr startet die Konferenz zum Thema "Quality Criteria of Art Games". Abends ist "Game Over"-Abschlussparty mit Live-Musik. Unter anderem kommt Chiptunes-Rocker Markus Schrodt aus Wien vorbei und wird frisches Fiepen aus seinem Game Boy zaubern.

Hier ist das Programm. Wer in Berlin ist und nicht hinkommt, ist blöd. Wer anderswo ist, kann sich schon bald Videos ansehen. Be amazed!

Ein Spiel mit leuchtenden Würfeln.

Robert Glashüttner

"Cmatch" von rgbdeluxe