Erstellt am: 18. 6. 2009 - 14:51 Uhr
Oh! Die Männer in Rot
Oh! - Irritationen im Alltag
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Und plötzlich liege ich da, am dreckigen Parkettboden, sanft gebettet auf Stoffresten und Hauspatschen und nicke ergeben, weil sowieso recht hilflos, als die besorgten Gesichter über mir meinen: "Wir rufen jetzt die Rettung, okay?"
Die ganze Modeklasse ist auf den Beinen, weil eines ihrer "Lebend-Modelle" einfach vom Sessel gekippt ist. Stecknadelverseucht, mit nur einem Ärmel und dem halb gehefteten Kragen um die Ohren. "Die Kundin gähnt", meinte Frau Professor gerade eben noch, "das ist ein Zeichen, dass wir bald aufhören sollten". Und rumms - lag die Kundin auch schon am Boden.
"Ich bin ja nur froh, dass du mir nicht auf meine Prüfungsjacke gekotzt hast", meint die Hofer und wedelt mit einem ihrer selbstgebackenen Muffins vor meiner Nase rum. Ihre Klassenkollegin schreit von hinten: "Jaja, ich habs ja gesagt: Bei der Farbe wird man entweder blind oder kotzt sich an."
elisabeth gollackner, fm4
Endlich geht die Tür auf, und vier Kerle in roten Uniformen betreten den Raum. Die Traube an besorgten (und wieder einmal unglaublich gut gekleideten) Damen, die sich um mich gebildet hat, weicht ehrfürchtig auseinander. Heroisch (weil ich zwei Meter tiefer) stehen die Sanitäter vor mir.
"Sind sie die Lehrerin?" fragt mich der Anführer, ein Italiener.
"Nein, ich bin das Model," hauche ich mit aller Entrüstung, die ich so ganz ohne Farbe im Gesicht zustande bringe.
Ein Model!
Die Freude ist groß, ich höre irgendwas von Germany und Puls, und im nächsten Augenblick beginnt eine Dramaturgie, die sich eine eigene Arztserie verdient hätte:
Höflich wird nach Essen, Schlaf und Stress gefragt, man piekst mich in die Fingerkuppe, pumpt mir Schwimmflügerl auf, füttert mich mit Gelee aus einer Tube, und in jeden dieser kleinen Schritte werde ich rhetorisch brilliant eingebunden. Eigenartigerweise fühl ich mich nicht wie ein lebloses Fleischlaberl, das es wieder auf die Beine zu bringen gilt, sondern als Teil des Teams, das heute ausnahmsweise mal meinen Blutzucker im Fokus ihrer aufregenden Tagesaktivitäten hat. Als mich der Anführer fragt, ob es für mich okay wäre, mit ihnen ins Krankenhaus zu fahren, und ich sage: "Ich fahr überall hin mit", da lacht er mich an und meint mit seinem netten italienischen Aktzent: "Gut, dann fahren wir an den Strand von Napoli!"
Fünf Minuten später bin ich im Rettungswagen, zehn Minuten später im Krankenhaus, wo ich "Sachertorte und einen schönen Film" für den Nachmittag verschrieben bekomme und nach Hause geschickt werde.
Dort dann der Hübsche, sichtlich erleichtert, der mir sofort aus seinem eigenen Zivi-Nähkästchen erzählt.
"Ah, eine Unterzuckerte - wie öd! Richtig Freude hättest du ihnen mit einer offenen Oberschenkelfraktur, einem Schaufeltragen-Einsatz mit Vakuummatratze oder zumindest einer B-losen machen können. Damit würzen die Sanis ihr Ego und die Jause der anderen."
Wenn dem so ist, haben sich meine vier Helden aber nichts anmerken lassen. Ganz im Gegenteil. So viel Aufmerksamkeit, so viel Respekt. Und: "Hey, ich war das Model!" Außerdem hat noch nie jemand so nett gefragt, ob ich jetzt bitte das T-Shirt ausziehen könnte. Wenn es also irgendwer wagen sollte, jemals etwas Schlechtes über Sanitäter zu sagen, dann aber.