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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 6. 2009 - 17:58

Journal '09: 2.6.

Das unglückliche Gesicht des Linzer Tourismus-Direktors.

Es hat natürlich Witz ein groß angelegtes PR-Vehikel über eine Stadt just an dem Wochenende zu sehen, an dem man sie selber besucht hat.
Deshalb war der - diesmal am ungewöhnlicheren Montag eingeschlichene - TV-Tatort "Kinderwunsch", der - ich glaube Tatort-erstmals - in Linz spielte, Pflicht.

Linz selber ist auch Pflicht, einmal pro Jahr mindestens, früher zum alljährlichen FM4-Fest, seit ein paar Jahren dann zum Linz-Fest, mit FM4-Bühne und drum und dran. Oder zur Lesereise im AEC. Stadtwerkstatt und Lentos inklusive.

Heuer wird das Pflichtprogramm noch durch einen Kür-Aufenthalt im Sommer erweitert werden: von wegen ein paar Linz 09-Specials anschauen. Denn beim doch etwas im Donaulände-Areal zentrierten Samstags-Aufenthalt war da nicht so viel möglich.

Tatort Linz

Der Tatort selber im übrigen: sehr naja.
Extrem viele Zuge-ständnisse (das Kissen...) an die bundesdeutschen Zuschauer, aufgrund der wirklich sehr schlechten Dialoge sprachlich katastrofale Leistungen, auch schauspielerisch alles eher B-Liga (Ausnahmen: Gerti Drassl und Uschi Strauss, sensationell Manuel Rubey als Killer), sehr konventioneller Handlungsverlauf, psychologisch schwacher Story- und Figuren-Aufbau. Gewitzte Wendungen und Highlights hätten in einem 1minütigem Trailer Platz.

Und, genau, dass realitätsferne Autoren mit Filmen dieser Art die Menschen glauben machen, auch nur ein einziger Journalist in ganz Österreich (geschweige denn in Linz) könnte so langfristig und befreit arbeiten wie die beiden da portraitierten, gehört als besonders tumb gebrandmarkt.

Was Mediziner an diesem Tatort zum Lachen brach-te, ist hier nachzulesen.

Davon war im Tatort allerdings nix zu merken; auch nix von Linz 09. Aktuelle Kultur, so im Hintergrund (so wie zb die Ö3-Straßenbahn): eher Fehlanzeige.

Komischerweise war das Gesicht des Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner (wie es Die Presse hier und Augenzeugen der Voraufführung im Bruckner-Haus bestätigen) aber nicht deshalb süßsauer/schief/guteMienezumbösenSpielmachend, sondern weil ihm die von Linz transportierten Bilder der Stadt nicht gefallen hatten.

Der Tatort spielte zwar auch viel am Wasser, aber nicht am schön ausgeleuchteten und drapierten Ufer rund um die Nibelungenbrücke, sondern in den Hafen-Gegenden; und auch in diversen Fabriks-Hallen, die allesamt mehr vom Harkonnen-Planet hatten als von einer lieblichen Image-Campaign.

Diese Industrie-Landschaften haben allerdings nichts mit denen der 80er zu tun, die ich in Linz noch erlebt habe. Damals, als die Anlagen noch Gift und Galle spuckten, und akut gesundheitsgefährdenden Dreck ausspieen, und dabei auch noch so aussahen wie ukrainische Kraftwerke in der letzten Phase, paßte das zur Endzeitstimmung dieser Tage.

Die heutigen Industrie-Areale sind vergleichsweise entzückende Theme-Parks, museal anmutende Ausstellungsstücke - wie etwa im Ruhrgebiet - und erinnern mich an eine Lego-Variante des früheren realen Schreckens.

Insofern finde ich alle, die angesichts der Darstellung dieser vergleichsweise squeakycleanen Anlagen das Gesicht verziehen, süß; aber eher nexttopmodelsüß, also realitätsfernparishiltonsüß, prinzessinenaufderErbsesüß, also irgendwie eigentlich gar nicht süß, sondern das Gegenteil davon.

Fabriks- und Hafenbilder? Pfui!

Wenn es so einfach wäre, einen Tourismus-Direktor, der das G'sichterln verzieht, weil ihm die eh harmlose Darstellung "seiner" Stadt nicht ins Marketing-Konzept paßt, mit einem "süß!" zu relativieren, dann wäre dieser Eintrag jetzt genau hier aus.

Ist es aber nicht.

Weil genau diese, ausnehmend überkommene Einstellung einem der wichtigsten Einnahme-Zweige dieses Landes (die Rede ist vom Tourismus) gegenüber, nämlich erst der Startpunkt ist.

Nicht dass es sonstwo, vor allem in Wien, insgesamt und denktechnisch, so viel besser wäre. Bloß: der Wiener Tourismus-Chef (und das halte ich eher für einen Zufall als für wirklich durchdachte Absicht) kommt nicht aus dem Zuckerlrosa-Sissi-Operfestspiel-Museums-Eck, sondern aus einem anderen, nämlich der Gegenwarts-Kultur.
Und hat deshalb das verinnerlicht, was Tourismus-Planer weltweit schon länger wissen: dass es nicht reicht sich (seine Stadt, sein Land) selber ausschließlich als großes Museum zu verkaufen, wenn man Menschen mehr als nur einmal im Leben hereinholen will.
Sondern, dass es nötig ist, diese eh optimale Basis dazu zu benutzen um die lebendige Gegenwart danebenzustellen.

Wien zb schafft und schafft es nämlich nicht, touristisch gesehen, in die Berlin-Barcelona-Istanbul-Prag-Kategorie (von London-Paris-Rom, in deren Reihe man sich hierzulande ja in völliger Fehleinschätzung der eigenen Performance selber sieht) vorzustoßen, in die der vor prallem Leben strotzenden Metropolen, in die man gerne öfter fährt, "weil was los ist".

Überholt-geschönte Tourismus-Konzepte

In Wien zb ist, außer für special interest-Publikum nämlich abseits von Schönbrunn, Riesenrad, Stephansdom und Oper nix wirklich los, außer dem ewig gleichen Lippizaner-Lächeln. Die wenigen Ansätze abseits der rein musealen Hochkultur werden einerseits von Stadt und Land bewußt knapp gehalten und deshalb locker von den Angeboten der echten Metropolen ausgestochen.

Deshalb ist (und in Wien weiß das jetzt immerhin bereits ein Verantwortlicher, es kann also nur noch Jahre dauern, bis das auch anderen begreiflich zu machen ist bzw auch in die Landeshauptstädte vorstößt) ein anderer als der ewig selbe, redundante und mit altbackenen Klischees besetzte Blick, der ausschließlich Einmal- und Special-Interest-Touristen (die man sowieso auf eigenen Info-Kanälen bedient) anzieht, nötig. Um endlich auch ein Publikum anzuziehen, dass übers Wochenende in eine lebendige Stadt und nicht bloß in ein museales Puppenheim möchte. Und wenn dazu ein paar halbwegs schicke Bilder aus einem Tatort beitragen, dann nimmt man das dankend an, setzt sich drauf und mäkelt nicht über die mangelnde touristische Verwertbarkeit nach den althergebrachten Mustern der 50er Jahre herum.

Dass Linz dieses überlebensnotwendige Neudenken nicht einmal im Jahr 2009, also dem seines Seins als europäische Kulturhauptstadt schafft, ist schon ein wenig sehr traurig.

Und deswegen ist die saure Miene des Tourismus-Direktors, dem im Tatort zuwenig biedere Klischees drinnen waren (für andere, mich zb, gab es ohnehin ein kaum erträgliches Übermaß an Büro- und Prunkgebäuden, die als "Wohnungen" verkauft wurden) nicht einfach nur ein kleines Ärgernis oder parishiltonsüßmäßig, sondern das Synonym für einen zutiefst rückwärtsgewandten Zugang zu einer ökonomisch derart in die Gegenwart eingebetteten Realität wie Tourismus.