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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 6. 2009 - 23:22

Fußball-Journal '09-39.

Bilanz der Halb-Saison, Teil 2. All-Stars.

Es war eine Halb-Saison der Stürmer.
Es war eine Saison der Stürmer.

Das ist bemerkenswert, weil es schon Liga-Saisonen gab, in denen die Angreifer nahezu unsichtbar waren.

Diesmal war es umgekehrt: es fiel den Forwards deshalb so leicht so viele Tore zu erzielen, weil die Abwehrreihen so schwach, so unsichtbar waren wie lange nicht mehr.

Es gab in der jüngeren Vergangenheit etliche Liga-Saisonen, in denen die besten Spieler dort standen, in der Verteidigung.
Und wie es so ist - gut ist keine der beiden Varianten.
Erst dann wenn eine Liga stabile Abwehrreihen UND starke Angriffs-Formationen hervorbringt, besitzt sie Qualität.

Eins von beiden bedeutet Schieflage.

Das ist auch der Grund dafür, warum Jankos 39 Saison-Tore ihm international zwar persönlich durchaus gut angerechnet werden, der Liga aber ein Zeugnis ausstellen, das mit einem grinsenden Augenzwinkern am besten beschrieben wird. Die österreichische Bundesliga? Ach ja, die seltsame kleine Inzuchtliga mit dem Red Bull-Stammverein, in der man locker 40 Tore machen kann, isn't it? Für Janko wird es zu einem internationalem Transfer reichen (hoffentlich wird er die Chance annehmen), denn auch die 39 muß man erst einmal schaffen, für die Reputation der Liga ist die Stürmer-Hausse ein Armutszeichen.

All-Stars?

Ich kann für das Frühjahr 09 kein All-Star-Team angeben.
Eine Mannschaft der Besten würde so aussehen:
Vorne Janko und Okotie, Hoffer und Maierhofer sowie Haas. Dahinter Hölzl rechts, Beichler links, Kienzl und Pehlivan zentral. Dann noch Ulmer als linker Verteidiger und Dragovic in der Abwehr, und weil er scheinbar alles kann, auch gleich als fliegender Goalie.
Das wären die 11 Besten.

Das ist nicht mein Ernst, klar.
Aber irgendwie doch.

Es offenbart die großen gähnenden Lücken, die aktuell aufklaffen, im österreichischen Liga-Fußball: schwache Abwehrleistungen, keine modernen Außenverteidiger, keine Mittelfeldspieler, die ein Spiel an sich reißen können - und fast ausschließlich Legionäre mit Diven-Charakter.

Keine vorschnellen Urteile: die Tendenz den sogenannten Österreicher-Topf gut zu befüllen, ist noch keine Garantie für Qualität. Dazu bedürfte es einer anständigen Ausbildung.

Keiner der in Relation überdurchschnittlich begabten Legionäre hat heuer sein Potential ernsthaft ausgeschöpft, von einem "Leap forward" gar nicht erst zu reden. Acimovic braucht nach einem guten Spiel drei, bei denen er sich in der Etappe aufhält und seine Mannschaft im Stich läßt, als Erholungspause; Bazina reicht nicht einmal das. Hofmann gibt Matches noch schneller verloren als in den Jahren zuvor, läßt sich daraufhin noch flotter hängen - eine klare Rückwärts-Entwicklung; Boskovic gibt sich schnell mit Mittelmaß (das von der unkritischen Rapid-Umgebung vorschnell als toll abgefeiert wird) zufrieden.
Von den Owezahran im Salzburger Dress gar nicht zu reden: da haben viele die Ausrede längerer Verletzungs-Aussetzer (Bodnar zb), aber selbst die Besseren wie Sekagya oder Boussaidi waren so wenig stabil, dass es wehtut.

Die Legionärs-Baisse

Die wenigen Legionäre, die er herauszuheben gilt aus der Masse des selbstzufriedenen Mittelmaßes, weil sie am Ende dieser Saison weiter waren als zu Beginn oder noch in der Winterpause: Liechtensteins Spieler des Jahres, Martin Stocklasa, der ewige Muratovic, Heikkinen von Rapid, Nacho und Salihi von Ried und der Tscheche Siegl von Kapfenberg.

Wenn ich mir die aktuellen Pläne einzelner Bundesligisten anschaue, und die wieder einmal überproportionale Anzahl potentieller Transfers von mittelmäßigen Ausländern anschaue, dann kann einem das Heulen kommen. Weil man hier nämlich dazulernen könnte; und weil diese Transfers leider immer noch ein branchenbekanntes Phänomen der versteckten Geldflüsse unter Beratern/Managern und auch bei sich bereichernden Coaches sind. Wie das funktioniert hat der Red Bull vs Jara-Prozeß (die mutigste Tat des Mateschitz-Imperiums, leider eine von ganz, ganz wenigen) gezeigt.

Das, was andere Ligen (die in denen halt auch seriöser gearbeitet wird) schaffen, nämlich entwicklungsfähige Spieler aus aller Herren Länder hereinzuholen, besser zu machen, und womöglich gewinnbringend an eine größere Liga weiterzureichen, ist eine Aufgabe, die die Bundesliga überfordert. Wer hierher transferiert wird, für den ist es meist die Endstation oder eine Stufe auf dem Weg nach unten.

Talente aus Ungarn, Slowenien, Bosnien oder sonstwoher nach oben zu bringen, als erste Stufe nach Europa, das schafft man nicht.
Das ist ein Versagen sondergleichen.

Low 5

Off Topic: beste Spieler der 1.Liga waren meiner Meinung nach Margreitter und Mario Reiter von Magna Neustadt, Fabiano und Julius Perstaller von Wacker Ibk, sowie Manuel Salamon von Austria Lustenau und Lukas Thürauer von St.Pölten.

Die offizielle Wahl, von "Experten" durchgeführt, die gerne im VIP-Club herumstehen und die 1.Liga eher vom Hörensagen kennen, hat ja dieses Augen-auswischerei-Ergebnis gebracht: 5 Ausländer und ein 30jähriger. Bravo, Ausbildungsliga, 1. Liga!

Glücklicherweise ist ein von Prohaska und Herzog nachgeschobenes All-Star-Team der 1. Liga besser besetzt

Zurück zu den Spielern, zurück zu den Stürmern.
Auch in der zweiten Spielklasse lag es hauptsächlich an der Klasse der Stürmer (mit Kuljic, Aigner, Sadovic und Kurtisi hatte man da vier auf Augenhöhe), dass sich der Magna-Club letztlich doch noch durchsetzen konnte.

Selbst bei den Low 5, den Luschen-Vereinen, die den Stürmern der Top 5 soviel Gelegenheit fürs Bestschießen gaben, sind einzelne Spitzen herauszuheben: Naumoski, die anstrengende Mattersburger Krätzn oder Marc Sand, der in Kärnten wieder aufblühte, Jun von Altach, Pavlov vom KSV.

Andere, die eine Erwähnung verdienen: Dominique Taboga, neben Zickler (und, auf eine andere Art, Haas) der einzige, der die Kapitänsbinde ernsthaft ausführt. Ein stabilisierender Faktor, und einer der besser wurde in der neuen Liga, die den meisten anderen Kapfenbergern doch zu schwer ist.

Der einzige Mattersburger, der etwas aus einer völlig verkackten Saison rausholen konnte: Manuel Seidl. Ansonsten erwies sich Lederers Pappel-Stadl als Talente-Dump; bei einer so geringfügigen strategischer Führung kein Wunder.

Der einzige Altacher mit Perspektive: Mathias Koch, nicht nur vielseitig verwendbar, sondern auch jemand, der mit schwierigen Situationen (und die Altacher Saison bestand ausschließlich aus solchen) zurechtkommt.

Im Kärntner Wahnsinn, einem Halbjahr zwischen Hoffen, Würgen und Resignation zeigte kein einziger auch nur drei Spiele lang Kontinuität. Selbst denen, die's können (Junuzovic, Ortlechner, Manuel Weber...) blieb das versagt. Immerhin brachte Trainer Schinkels ein paar Junioren an den Start. Er wird sie nächste Saison, wenn die Guten weg sind und die alten Legionäre noch stärker lahmen werden, dringend brauchen.

Zum LASK möchte ich nichts mehr sagen müssen. Das war gar nichts, von niemandem; vor allem der Club-Führung.

Top 5

Die Liste der Steckengebliebenen bei der Austria ist so lang wie der Mankini von Borat: da steht praktisch jeder drauf.
Selbst Franz Schiemer stagniert, wenn auch auf gutem Niveau. Markus Suttner hat sich links gut entwickelt, und Rubin Okotie ist mittlerweile der nach Marc Janko beste Stürmer des Landes - auch weil er es schwerer hat als die Kollegen beim Stadtrivalen.

Aleks Dragovic ist eine Sensation, aber nicht weil er so gut geführt wird oder so gut spielt (darf er nicht, an seiner statt muß aus Gründen der Staatssicherheit - weil das anders nicht zu erklären ist - ein halblahmer Pole namens Bak auflaufen), sondern weil seine Entwicklung einfach nicht aufzuhalten ist.

Die Liste der Problem-Boys bei Rapid ist so lang wie... das hatten wir schon... Da sind Verletzte, Zurückgefallene, Steckenbleiber, Stehenbleiber und die beiden vorgeblichen Führungsspieler, die sich zu schnell mit zuwenig zufriedengeben. Dass vorne die seltsamen Zwillinge, Danny De Vito und Arnold Schwarzenegger, die Saison retteten, übertüncht diese schweren Probleme.
Dass sich Yasin Pehlivan so grandios durchsetzen konnte, ist ähnlich wie bei Dragovic eher ein Zufall. Der Normalfall (siehe den Zickzack-Kurs bei Kavlak, Drazan und vielen anderen Jung-Talenten) sieht anders aus.

Bei Salzburg stechen die erwähnten Ulmer (sensationell) und Janko (top) heraus. Der Rest ist/war verletzt, nicht g'scheit im Spiel, disziplinär schwach oder solala. Erschreckenderweise reicht eine derart erschreckende Bilanz problemlos für den Meistertitel.

Die Ausnahmen

Gludovatz' ideal an die Möglichkeiten seiner personell wirklich nicht so berauschend besetzten Ried-Truppe angepaßtes System hat einzelne enorm weitergebracht: Thomas Burgstaller ist der beste der Verteidiger der alten Schule (Prä-Schiemer), Mader und dann Hackmair wurden zu kompletten Mittelfeldspielern, Lexa und Nacho zu herausragenden Allround-Offensivspielern.

Franco Foda hat sein (kluges) System schon vor längerer Zeit installiert und seine Spieler danken es; ihm, sich und uns.
Kein Wunder, dass mit Hölzl, Kienzl, Beichler und Jantscher ein komplettes Mittelfeld beim Teamkader anklopfte. Brav auch Hassler und einzelne Junge.
Und, die echte Sensation bei Sturm Graz ist Mario Haas. Der schafft es - als einziger Oldie - tatsächlich immer und immer wieder zuzulegen. Wo andere systematisch im Mittelkreis eintrocknen, läuft er die Distanz-Rekorde, wo sich andere nur noch auf Standards beschränken (auch weil sie körperlich bereits an Toni Fritsch erinnern), ist er Zentrum des Sturm-Kombinationsspiels.
Hätte die Sturm-Defensive dieselbe Qualität wie die Offensive, dann hätte man dem Kunstrasen-Meister des Gähnens den Titel streitig machen können.

All-Stars, ein zweiter Versuch...

Allein, ich finde keinen Torhüter, ich finde keinen rechten Verteidiger, ich kann guten Gewissens keinen Innenverteidiger, der sich tatsächlich gesteigert hat und eine wirklich gute Halbsaison abgeliefert hat, ausmachen.

Ich kann die Begeisterung für Rieds Gebauer nicht nachvollziehen, auch das Geheul um die Qualitäten von Safar begreife ich nicht. Helge Payer ist – nach seinem verlorenen Halbjahr – zurückgekommen und wurde von Spiel zu Spiel besser. Ähnlich war das bei Christian Gratzei. Andreas Schranz wurde, ebenso wie all seine Kollegen, nach gutem Start sukzessive schwächer, aber drei, vier brauchbare Partien pro Halb-Saison können doch nicht genügen...

Okay, wenn man mich zwingen würde, dann tät die Mannschaft der Halbsaison so aussehen:

Payer;
Hölzl, Dragovic, Ulmer;
Pehlivan, Kienzl;
Okotie, Haas, Beichler;
Janko, Hoffer.

Völlig unrealistischer Blödsinn, mit immer noch fünf eigentlichen Stürmern und einem Offensiven rechts hinten - aber, was soll ich machen? Wie mich gegen eine Realität wehren die aufstellt, als wären die 50erJahre noch nicht vorbei? Ich spreche von den 50ern, in denen die Torjäger einen Schnitt von 1,5 Toren pro Spiel hatten, also durchschnittsschwache Burlis wie Krankl, Polster oder Janko weit überlegen waren.

Im Kader noch dabei wären: Thomas Burgstaller, Schiemer, Drazan, Jantscher und Maierhofer (der wegen seiner Charakter-Mängel nicht erste Wahl ist; den auffälligen auf dem Platz, off-pitch ist er sicher ein guter Typ). Und vielleicht sogar Rene Aufhauser; weil der in den letzten Wochen besser war als in den zwei Jahren davor, sich also ernsthaft weiterentwickelt hat.

Und das ist es schließlich, woraufs ankommt. Solche, die nur ein paar Prozent dessen, was sie echt können, abrufen, gibts eh genug.