Erstellt am: 31. 5. 2009 - 12:43 Uhr
Make a difference in the big picture
FM4 zur EU-Wahl
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Jede/r Achte in der Bevölkerung der europäischen Union ist zwischen 15 und 24 Jahre alt. In der Mehrheit der jeweiligen Mitgliedsstaaten liegt der Anteil dieser Altersgruppe rund 12 Prozent.
Mit Lettland, Litauen oder Griechenland gibt's Ausreißer nach oben (rund 15%), Italien findet sich mit rund 10% am unteren Ende.
Der Anteil Jüngerer unter den aktuell 785 Mitgliedern im europäischen Parlament (MEPs) ist jedenfalls geringer. In der auslaufenden Legislaturperiode amtiert eine Handvoll jüngerer ParlamentarierInnen um die 30, aus Österreich ist niemand dabei. Nachgefragt bei einigen U35, nehmen sich die deutsche Abgeordnete Feleknas Uca (Die Linke) und der Schwede Christofer Fjellner (Moderaterna), beide 32, in der letzten Plenarwoche in Straßburg Zeit für ein Gespräch.
Jung, weiblich, ins EU-Parlament, das kann nich gut gehen,
erinnert sich Feleknas Uca an die motivierenden Bemerkungen zu ihrem Einstand im europäischen Parlament. Als sie begonnen hat, war die deutsche Politikerin mit kurdischem Background Anfang 20, hatte die Schule hingeschmissen, die PDS in Niedersachen mit aufgebaut.
Feleknas Uca
ist Mitglied im Entwicklungsausschuss und in der Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU-Türkei, Stellvertreterin im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter, im Unterausschuss Menschenrechte sowie in der EU-AKP Delegation, der Delegation für die Beziehungen zu Ländern in Afrika, im karibischen Raum und im pazifischen Ozean, dazu kommen noch Verantwortlichkeiten innerhalb der Europafraktion der Linken, sowie der Linken in Deutschland.
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In der supranationalen Union war sie mit einer ganz anderen Form der politischen Arbeit konfrontiert: Hier geht's darum, dass wir fraktionsübergreifend an Abstimmung oder Resolutionen zusammenzuarbeiten, hier kannst du alleine nichts erreichen.
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Frau Uca, sie schon wieder
Zur Zeit ist die Politikerin der Linken eine von 99 deutschen Abgeordneten und gemeinsam mit 40 anderen in der GUE/NGL, der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke. Um Interessen junger Menschen zu vertreten, braucht es junge Abgeordnete, meint Feleknas Uca, die gern auch davon erzählt, wie grad zu Beginn ihr unkonventioneller Stil, unangepasst und hartnäckig, unter den KollegInnen für Aufmerksamkeit gesorgt hätte.
Zu Beginn noch im Ausschuss für Jugend, Kultur und Bildung dabei, hat sich Uca in ihrer zweiten MEP-Amtsperiode, noch mehr auf ihre Schwerpunkte wie Gleichberechtigung und Menschenrechte konzentriert, sich gegen Gewalt an Frauen engagiert, etwa mit einem Hilfsprojekt gegen Genitalverstümmelung in Tansania oder als Mitglied in der EU-Türkei-Delegation.
Zweimal im Jahr treffen EU-Abgeordnete auf türkische Parlamentarier und Regierungsmitglieder für einen Informationsaustausch. Uca ist dabei, organisiert fraktionsübergreifend Anhörungen, Pressekonferenzen, stellt Fragen an den Rat oder die Kommission. Ich kritisiere die Türkei, mache dann auch Vorschläge, wie es besser sein könnte – weil ich auch möchte, dass die Türkei der EU beitritt, aber es gibt bestimmte Kriterien, die seitens der Türkei erfüllt werden müssen und das sind nun mal die Kopenhagener Kriterien – eine funktionsfähige Marktwirtschaft, Frauenrechte, Gewerkschaftsrechte und so weiter. Mit ihrer Arbeit ist Uca vor allem außerhalb der EU aktiv, was es noch schwieriger macht, ihre Tätigkeit zu vermitteln, erzählt sie – schon die EU, so Ucas Wahrnehmung, ist für die europäische Bevölkerung weit weg, das, was sie leistet, noch viel weiter und spart nicht mit Kritik an der ihrer Meinung nach zu geringen medialen Berichterstattung.
Übrigens: Am Montag, 1. Juni, sind Feleknas Uca und Christopher Fjellner auf FM4 im O-Ton zur hören, in Connected von 15 bis 19 Uhr.
Feleknas Uca hat eine Dekade im EU Parlament hinter sich – und das war's dann auch für die 32-Jährige, die sich, nachdem sie ihren Schulabschluss nachgeholt hat, nun auf ein Studium konzentrieren möchte, sowie ein internationales Projekt gegen Gewalt an Frauen in Planung hat.
It's more fun, to be a smaller fish in a bigger pond...
...then a big fish in a small pond, beschreibt Christofer Fjellner seine Ambitionen, im europäischen Parlament zu arbeiten - er schätzt es, an globaleren Fragen mitzuarbeiten. Fjellner plant das auch für die kommenden fünf Jahre. Vor 2004 war Fjellner in konservativen Jugendorganisationen und auf regionalpolitischer Ebene engagiert. Auf Facebook bezeichnet er sich als liberale Stimme in Europa, er gehört der bürgerlichen schwedischen Regierungspartei Moderaterna an.
Christofer Fjellner ist Mitglied im Haushaltskontrollausschuss, im Ausschuss für internationalen Handel, in der Delegation für die Beziehungen zu Weißrußland sowie Stellvertreter im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit und mit dabei in der Delegation für die Beziehungen zum Iran.
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Christofer Fjellner ist einer von 19 schwedischen Abgeordneten, einer von 288 in der konservativen Fraktion im EU Parlament. Also nur einer unter vielen? My print I think I leave, when I choose to be specificly involved, because you can't grasp to work with all the questions flying around in this house or even to get into detail to all the proposals – but in specific things, if you really commit yourself and work hard on a specific dossier or proposal, then you can really make a difference. Stolz ist er etwa, an einer im April beschlossenen Richtlinie mitgearbeitet zu haben, die vorsieht, dass Patienten das Recht haben, Gesundheitsleistungen EU-weit in Anspruch zu nehmen.
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Schwedische MEPs unter sich. Nach einem langen Tag diskutiert Christofer Fjellner fürs heimische TV live aus Straßburg - es ist immer noch Wahlkampf.
You can say things, others won't say, you can get away with things and ask questions others won't dare to ask. They remember the young guy.
Zu Wort gemeldet hat sich der konservative Politiker aus Schweden auch in der Diskussion rund um die umstrittene "three strikes out"-Regelung – die zentrale Frage dabei: Soll der Internetzugang bei Urheberrechtsverletzungen gekappt werden können?
Eines der wenigen Beispiele, bei dem Alter eine Rolle spielt, so der 32-Jährige: There are very few points, where age does matter, but this was specificly THE point. If I should be a little bit mean to some of my colleagues, many of them, I think, don't understand the internet, and try to regulate it in a way, which becomes really bad. Because if you don't understand that the internet is more than a big copying machine, where people do illegal downloading, then there can come all these strange proposals. Und in dieser Frage Position zu beziehen, liegt wohl auch daran, dass in Schweden mit den Piratpartiet mittlerweile eine eigene Fraktion für die Rechte von Internet-NutzerInnen kandidiert und gute Chancen hat.
In Sachen EU-Skepsis lässt Fjellner keine schlechte Stimmung aufkommen, sondern kann einer gewissen Skepsis im Sinn von konstruktiver Kritik auch etwas Positives abgewinnen. Auch über mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber seiner Arbeit, oder der seiner KollegInnen will sich schwedische Politiker Christofer Fjellner nicht beklagen, er lässt sich auch nicht auf die Medienschelte ein: "If people are not interested in what you do, then you are normally really bad in explaining what you are doing."
Ab nach Brüssel und Stressburg? Wo sind die jungen KandidatInnen aus Österreich?
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Einmal pro Monat geht's hierhin, die monatlichen Plenarsitzungen des EU-Parlaments finden in Straßburg statt.
Ähnlich wie beim Ungleichgewicht der Geschlechter in den Reihen der EU-ParlamentarierInnen - Frauen stellen 30% der Abgeordneten - verhält es sich mit der mangelnden Präsenz jüngerer Abgeordneter: Die Weichen stellen die nationalen Parteien und deren jeweilige Listen.
Maximal 42 KandidatInnen dürfen die Parteien für die Entscheidung über die zukünftigen österreichischen MEPs aufstellen - außer bei Hans Peter Martin und den JuLis, sind die Listen bis auf den letzten Platz ausgebucht - und gerade weiter hinten, versteckt, wird man auf der Suche nach der Generation <30 fündig. Allerdings nur als Pro-forma-Kandidaturen. Wenn der österreichische EU-Parlamentskuchen zukünftig unter 17 Abgeordneten aufgeteilt wird, da ist es bei den meisten Parteien mit dem Angebot an den eigenen Nachwuchs wie an die jungen WählerInnen nicht weit her. Und das in Österreich, dem einzigen EU-Mitgliedstaat, in dem schon 16-Jährige wählen können. Hier also ein Blick auf die jüngeren KandidatInnen auf den vorderen Listenrängen.
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Hier müssen alle durch, der Vorhof zum EU-Parlament.
Bleiben wir realistisch, momentan hält die SPÖ bei sieben Mandaten, das "A-Team" wirbt aktuell mit acht SozialdemokratInnen, da bleibt die 26-jährige Kärnterin Kerstin Zendler am neunten Platz schon in der laufenden Kampagne außen vor.
Bei der ÖVP geht der sechste Listenplatz an Elisabeth Köstinger, wenn die ÖVP die sechs Plätze halten kann, ist der Einzug für die 30-jährige Obfrau der Österreichischen Jungbauernschaft geschafft.
Für die Liste Dr. Martin geht Martin Ehrenhauser, Jahrgang 1978, auf dem zweiten Platz ins Rennen und hat damit realistische Chancen – wir kennen ihn übrigens von einem anderen Wahlkampf – remember ÖH-Wahl 2005? Damals war er Spitzenkandidat für das Liberale StudentInnen Forum.
Nach den drei Frauen im Spitzenfeld hält bei den Grünen die Grazer Uni-Angestellte Hildegard Weidacher-Gruber, 1976 geboren, den fünften Platz. Das wird nicht knapp, das wird sich einfach nicht ausgehen.
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Pünktlich wie zuhause das Mittagessen gibt's im Plenarsaal ab 12 Uhr die Abstimmungen - sonst sind die Reihen nur selten so dicht besetzt.
Für die FPÖ kandidiert Udo Landbauer, Jahrgang 1986. Nach der Nationalratswahl sein zweiter Wahlkampf, müssten die Freiheitlichen ziemlich zulegen, damit der Obmann vom Ring freiheitlicher Jungend Niederösterreich zum Volksvertreter in Brüssel avanciert.
Bis letztes Jahr im Nationalrat und zur Zeit im Kärntner Landtag, tritt der 34-jährige Gernot Darmann auch für die EU-Wahl an - es ist anzunehmen, dass der neunter Stelle platzierte Jüngste unter den ersten zehn des BZÖ in Kärnten bleibt.
Vor 1980 Geborene haben auf der Liste der JuLis schlechte Karten, der Parteiname bestimmt den Jahrgang der Jungen Liberalen KandidatInnen – der Spitzenkandidat Hannes Müllner, Student an der Grazer TU, mit Jahrgang 1983, zählt sogar zu den älteren Semestern.
Die KPÖ setzt am zweiten Platz auf junge KollegInnen, dort kanditiert die Radiotechnologin Christa Lobnig, Jahrgang 1982.
- FM4 zur EU-Wahl
Hier findet Ihr das Radioprogramm zum Schwerpunkt EU-Wahl. Und auf fm4.ORF.at findet Ihr Interviews mit KandidatInnen aller Parteien und mehr.