Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der Song zum Sonntag: Jarvis Cocker"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

31. 5. 2009 - 06:00

Der Song zum Sonntag: Jarvis Cocker

Orpheus in der Disco: "You're In My Eyes" (Discosong)

Grey floaters inside my eyes
And visible when you look into a clear blue sky
Memories of days gone by activated by a mirror ball shining bright
In a provincial disco on a Thursday night

You appeared from nowhere beside me on the floor
Identical in every detail to the way you were before
The best part of a decade since you went out of my life
The worst part of a decade, and here you are tonight
By my side

You're in my eyes, you're in my face
Just like before you went away
You're in my arms, I feel your warmth
And I will dance until the dawn
'Cause I don't want to lose you again, oh no
Yeah, I don't want to lose you again, oh no

A trick of the light, a disco hallucination
A waking dream, an impossible situation
Oh but you (??) don't stop, don't disappear
I need you here
I need you here

You're in my eyes, you're in my face
....

And I don't want this song to ever end, 'cause I know if it did then you would disappear again. Let this be forever through the air. Caught in a loop that repeats on endlessly. It was the mirror ball that did it. A chance reflection that sparked you back to life, like you'd just been to the bar for a little while. And you smiled and there was nothing in your eyes like the silt in mine making it hard to get around. I thought you'd gone but all this time I'd been carrying you around in my eyes.
In my eyes
In my eyes

You're in my eyes, you're in my face
....

Jarvis Cocker

Jarvis Cocker

Was Jarvis Cocker zu dieser Platte vorgeworfen wird - er würde Hardrock, Westcoast Pop und Soul zusammenwürgen - sollte man mit der Milde des Secondhand Plattenkäufers, (am Besten von Bowie Platten), beurteilen. Jemand, der vieles kennt, noch nicht alles hat und noch vieles ausprobieren will, wenn als Schnäppchen, umso besser. "Low" haben wir schon, warum nicht "Pinups", Britpop haben wir schon genug, Warum nicht wieder Neil Young oder Isaac Hayes hören und mal ausprobieren. Warum nicht Little Feat und Shudder to Think auch noch, Gier, her damit.

Genug Stil und Intelligenz hat er, David Bowie Momente hat er uns mit Pulp schon mehr beschert, als seine Kollegen aus dieser Zeit. Unter dieser Hinsicht wird "F*ckingsong" zu "Breaking Glass", "Further Complications" zu "Rebel Rebel", "Caucasian Blues" zu "Diamond Dogs", "Angela" zu "Jean Genie", "Slush" Zu "Wild is the Wind" - mit nur ein wenig Milde. Und "You're In My Eyes" hat so gesehen auch was von "Young Americans".
Wenn es gerade einen David Bowie bräuchte (den aus den 70ies) - Jarvis hat zumindest die gewisse Autorität.

So seltsam - und auch nicht durchgehend gut- die neue Jarvis Cocker ist, so viele gute Stellen finden sich darauf, die das untermauern: Wie er sich in "I never said I was deep" als beziehungsloser, arroganter Idiotenmann feiert, zu einer Art anschwellender Tanzbandmusik, schreit nach einer authentischen schlechten Coverversion von jedem von uns in einer traurigen Bar. Wie er in "Leftovers" zu Honky Tonk Gitarren lustlos "I wanna be your lover" dröhnt, das spätere "I guess that's relative" hingegen mit Hingabe ausspricht, ist schon toll. Jarvis meint nicht alles gleich so, bei aller Hingabe, "Don't get me wrong, it's just a song" ("F*ckingsong"). Ich weiß auch nicht, was "Pitchard" soll, aber es ist ein netter Surf-Punk-Ausflug, wozu Jarvis verhalten, Englischlehrerhaft stöhnt (vgl. auch das Cover). Bei "Homewrecker" (das ich noch nicht so mag) lässt er kurz die J. Geils Band raus und kümmert sich nicht weiter um deren Rumgebluese, bis er sich nach einer Minute meldet - sofort klingt es subtiler, sublimer und gefährlicher zugleich. Souveräne Momente, die des Meisters würdig sind.

Das Album-Cover von "Further complications"

Jarvis Cocker

Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.

You're In My Eyes ist auch die Orpheus-Geschichte: Er hat sie irgendwo verloren oder sie hat ihn verlassen. Dann, unter der Beleuchtung einer Landdisco, in der er wohl einsam herumhängt, hat er eine Vision und sie ist wieder bei ihm, so wie früher, nur als Kunstprodukt, als Lied, als flüchtige Einbildung, als Widerschein in einer Discokugel. Er will sie nicht nochmal verlieren, selbst wenn sie nur eine Disco-Halluzination ist, selbst wenn er in ihren Augen nur seine wiedererkennt - denn wenn das Lied aus ist, ist sie wieder in der Unterwelt. Deshalb muss die Ballnacht ewig währen. Was sie auch fast tut, satte 8:45 Minuten.

Zum tragischen, inneren Monolog fadet das funkige Hauptthema ewig ein, wenn sich die Vision herausschält, wird alles plötzlich zu Barrry White. Jarvis Cocker und ein Soulchor braten und schmachten steigernd. Ein Einszwanzig- Fadeout-Dröhnen als Coda signalisiert die Möglichkeit der Ewigkeit, das untermalt die Tragik.