Erstellt am: 28. 5. 2009 - 15:50 Uhr
Frischluft-Filme 2009
Letztes Jahr hat König Fußball mit dem EM-Zepter die Majestät Film sommerkinotechnisch ein bisschen vom Platz gedrängt, dieses Jahr blüht das Sommerkino wieder voll auf - auch an neuen Plätzen. Das Kino unter Sternen siedelt vom Augarten auf den Karlsplatz (die Sterne bleiben die gleichen) und widmet sich dem österreichischen Film. Neben zwei Premieren - "Rimini" von Peter Jaitz und "Die toten Körper der Lebenden" von Peter Kern - kann man bei Bedarf "Revanche" nachholen oder sich der aufgemascherlten Süße des österreichischen Nachkriegsfilms widmen. Nie mehr wurde soviel "R" gerollt und mit Melodien und verpflichtender Herzigkeit ein Eskapismus-Deckerl gehäkelt.
Doch ein Stück Sommerkino wächst trotz Absiedelung der oben genannten auch im Augarten weiter, das Kino wie noch nie, der Pressetext orakelt von Stummfilmschätzen und Tanzfilmen (yay!), ein genaues Programm gibt es aber leider noch nicht.
Wilder, aber Noir
Das herumziehende Volxkino hat einen mit Meisterwerken gespickten Fahrplan, wer die Film-Noir-Seite des großen Billy Wilder entdecken möchte, der sollte sich "Double Indemnity" auf gar keinen Fall entgehen lassen, in Barbara Stanwycks Stirnfransen steckt hier mehr Femmefatalität als Fred MacMurray schließlich ertragen kann. Einzigartig auch Wilders Inszenierung der Affäre, da zensurtechnisch an Sexszenen nicht zu denken war, lässt er Stanwyck und MacMurray nach einem Schnitt sich die Haare bürsten und Zigaretten anzünden, das ist raffiniert sexier als - Hausnummer - Watchmen-Sex im Flugobjekt zu "Halleluja".
filmnoir.net
A propos Watchmen! Vielleicht ist meinem Hadern mit diesem Film ja endlich ein Ende gesetzt, wenn ich "The Mindscape of Alan Moore", eine Doku, die sich mit dem Comic-Zampano beschäftigt, gesehen hab. Die läuft im Rahmen des frameout-Festivals im Wiener Museumsquartier, ebenso gibt's eine Radiohead-Musikvideo-Retrospektive (ich fühl mich plötzlich alt) und den wirklich fantastischen "Helvetica". Eine Doku von Gary Hustwit, die sich mit der gleichnamigen Schrift beschäftigt und um die ich eine große Empfehlungsschleife wickle.
Gary Hustwit
Eine Schrift wie das kleine Schwarze, die immer passt und einem auf Schritt und Tritt begegenet und deswegen von Grafikern abgöttisch geliebt und verachtet wird. Begleitet wird die Reise in die Welt der Gestaltenden soundtracktechnisch von den suprigen El Ten Eleven. (Ich empfehle auch den What Font Are You?-Test, wobei ich immer noch an der "You Are Times New Roman"-Diagnose zu kauen habe.)
Für alle, die sich immer noch verrenken, um sich in den Hintern zu beißen, weil sie damals im Gartenbaukino nicht dabei waren, als Naked Lunch live Universalove vertont haben, stoppt die Akrobatik und nehmt euch am 22. August nichts vor. Da wird dieses fantastische Spektakel im Rahmen des Sommerkinos in der Wiener Arena wiederholt.
Fast Talking Ladies
Den Screwball-Freischwimmerschein kann man sich beim Kino am Dach der Hauptbücherei Wien holen, das sein Programm dieses Jahr unter den Titel "Sense of Humor" stellt. Da läuft Howard Hawks Dialogexplosion "His Girl Friday" mit der Grande Dame der Sprechgeschwindigkeit Rosalind Russell, ebenso kann man vor "Bringing Up Baby" auf die Knie fallen, Hawks Vorzeige-Screwball-Werk, in dem Katherine Hepburn in Cary Grants Leben einfällt und nicht nur Dinosaurier-Knochengerüste zum Einsturz bringt. Und "The Women" hab ich auf diesen Seiten schon so oft empfohlen, dass alleine das Tippen des Titels ein Déjà-Vu auslöst.
20thcenturyflicks
Treffpunkt Dach
Ich weine zwar ein bisschen, weil ich keinen einzigen Film aus dem Judd-Apatow-Umfeld finden kann, zeige mich aber versöhnlich, weil ich dafür Milos Formans "Man on the Moon" entdeckt habe, da kann man sich ansehen, wie Filme aussehen, wenn ein Regisseur Jim Carreys Potential zu nutzen weiß. Außerdem, da bedarf es keiner Worte mehr, läuft Wes Anderons anbetungswürdiger "Rushmore" und "Mon Oncle" und "Playtime" des großen Jacques Tati, wo Technik- und Konsumwahnsinn mit der Kauzigkeit des französischen Einzelgängers kollidieren.Wir sehen uns am Dach.
20thcenturyflicks
Film am Dom in St. Pölten startet bereits vor den Ferien und zeigt vor dem Hauptfilm Kurzfilme von jungen FIlmemacherInnen, die meisten Sommerkino-Reihen in den anderen Bundesländern werden erst in den nächsten Wochen ihre Programme veröffentlichen, dann gibt's auch nochmal mehr und ausführliche Sommerkino-Film-Empfehlungen!
Hier findet sich eine Übersicht über die österreichischen Sommerkino-Angebote.