Erstellt am: 28. 5. 2009 - 12:26 Uhr
Grizzly Bear
Prolog
Grizzly Bear kommen am 16. Novmber 2009 ins WUK, Wien
Fremder! Wenn du dieser Tage durch ein buntes Dörfchen namens Brooklyn wandelst, werden dich aller Ortens die Klänge der folgenden Trias betören: TV On The Radio, Animal Collective und Grizzly Bear. Diese drei Bands sind es, denen die Liebe der Fans, Pizza Bäcker, Blogger, Street-Vendors, Rockkritiker, Verkäufer in den Delis, Boutiquen-Besitzer, Cops und Musikanten (und in all den genannten Fällen natürlich auch der -Innen) zuteil wird. Deren Lieder sie singen, dazu tanzen und Biene meets Blume spielen, in allen nur erdenklichen Stellungen und Chromosom-Kombinationen.(Stanislaus Stasny, 'Notizen eines Laptop-Nomaden')
Radio FM4 / Christian Lehner
Tu Felix Brooklyn
TV On The Radio und Animal Collective konnten mit ihren letzten Alben noch eins draufsetzen in Sachen Experimentierfreude + Pop. Nun sind Grizzly Bear an der Reihe und auch hier kann man abermals ein Meisterwerk bejubeln.
Grizzly Bear ist die sanfteste der drei Bands. Die Songs sind harmonieverliebt und nur selten aufbrausend. Die Musik ist anspruchsvoll aber nicht überfordernd, einnehmend aber nicht einlullend und ein bisschen streberhaft preppy ist sie auch. Musikfreunde mit einem Zeitproblem könnten sie durchaus als fade bezeichnen.
Das neue Album heißt 'Veckatimest', so wie eine kleine Insel an der Küste von Massachusetts, wo der Großteil der Stücke eingespielt wurde.
Tu Felix Ostküste
Warp Records
"In manchen Songs kannst du sogar das Knistern des Kaminfeuers im Hintergrund hören", erzählt Ed Droste über die Aufnahmen zu Veckatimest. Wir sitzen in einer gut bürgerlichen – ja tatsächlich bürgerlichen – Wohnung in W-Burg und der Grizzly Bear Gründer spaziert im Gedanken schon wieder raus aus Brooklyn: "Für uns ist es wichtig, die Stadt zu verlassen, an abgelegenen Orten zu produzieren. Nur so finden wir jene Ruhe und Konzentration, die wir für ein Album benötigen".
Der Grizzly Bear hat sich die letzten Monate auf Wanderung entlang der Ostküste begeben mit gelegentlichen Abstechern ins Landesinnere. Eine Tranche des neuen Albums ist in Upstate New York in die Welt der Klänge geholt worden, genauer im Hudson Valley, wo die Herbstblätter die Berge mit gelber, roter und brauner Farbe anpinseln und der Indian Summer den ersten Kältemonaten ein Schnippchen schlägt.
Ein bisschen Brooklyn, also Stadt, war dann schon auch dabei. Und zwar in der Gestalt eines Tonstudios in einer ehemaligen Kirche, deren Standort die Band in Interviews nicht und nicht verraten will.
Radio FM4 / Christian Lehner
Tu Felix New England
Der Großteil des Albums ist jedoch dort entstanden, wo der Schlüssel zum Verständnis des sanften Psych-Pop von Grizzly Bear liegt – in New England, den alten Kolonien im Nordosten der USA. File under: Küste, Meer, kratziger Rollkragenpulli, Crap Cakes, Founding Fathers, Melville und Elite-Universitäten, aber auch endlose Zersiedelung, Jaws und Hedge Funds Industrie.
"Ich bin sehr altmodisch aufgewachsen", so Edward Droste über seine Kindheit in Boston. "Am Abend hat die ganze Familie musiziert. Mein Großvater war Leiter des Musik-Departments in Harvard. Er hat am Klavier gespielt und wir haben dazu gesungen. Sehr "new englandian" war das", sagt er nachdenklich während der Schoßhund 'Beast' wie zur Bestätigung ins Mikrophon kläfft.
Die Küste von Massachusetts, die weißen Schaumkronen des atlantischen Ozeans vor Cape Cod. Die Insel Veckatimest ist ein unbewohntes Island. Es liegt in Sichtweite jenes Landhauses, das Edwards Großmutter gehört. Dort in der Küche, neben dem Kamin mit dem knisternden Feuer, wurden die Songs aufgenommen. So viel Klischee-Idyll musste wohl sein.
Radio FM4 / Christian Lehner
Tu Felix Veckatimest
Dementsprechend die Stimmung auf 'Veckatimest'. Wahlweise kitzelt der Sand zwischen den Zehen, croont Ed Droste Refrain lose durch die Dünen und trifft dort seine Bandmates Daniel Rosen (siehe auch: Department of Eagles) an Co-Stimme und Gitarre, Chris Taylor an Bass, Synth und dem Mischpult und Christopher Bear am Schlagwerk). Am Strand harmonieren die vier wie die Beach Boys und bleiben dabei doch ganz bei sich, also alles in allem unverwechselbar. Dann ziehen dunkle Wolken auf und die Klänge rufen die frühen Fleetwood Mac in Erinnerung. Es grollt und brummt psychedelisch im Gebälk der Songstrukturen, bis man in Großmutters Cottage Zuflucht gefunden hat und bei einem Grog so lange ins Feuerchen schaut, bis es auf dem Album zu knistern beginnt.
'Veckatimest' ist trotz der Sound-Erdung in der Vergangenheit eine Platte, die erstaunlich frei ist von Nostalgie und Postkarten-Kitsch. Die harrschen Realitäten 09 werden darauf natürlich trotzdem nicht verhandelt.
Tu Felix Grizzly Bear
Die Bärenfamilie hat eine erstaunliche Entwicklung hinter sich. Am Anfang, vor fünf Jahren, war da nur Ed Droste und einige seltsame Elektronik-Instrumente in einer WG in Brooklyn. Dünner Gesang, live unterstützt von Freunden, verwischt und vergraben unter Dutzenden Soundschichten. Was die Fachpresse als Neo-Psychedelic oder Freak-Folk bezeichnete, war auch einfach nur Schüchternheit und Unvermögen.
"Ich hatte so viel Angst vor dem Auftreten, erinnert sich Droste an die Anfangszeit. Wir waren noch zu dritt und haben im Sitzen gespielt. Ich musste die Augen schließen und mir das Publikum wegdenken, sonst wäre ich wahrscheinlich zusammengebrochen vor Angst. Auch live haben wir die Stimmen tief im Mix vergraben."
Warp Records
2006 erscheint dann das erste "echte", also gemeinsam eingespielte, Album der Band namens 'Yellow House' mit Knife , einem Heavy Weight von einem Torch-Song. Sonst war 'Yellow House', das teilweise auch schon in Cape Cod entstanden ist, eine etwas zersauste und sperrige Angelegenheit, die aber Großes erahnen ließ und auch bereits in Richtung Pop deutete. Die Band steht (blog frenzy sei Dank) über Nacht im Rampenlicht der Musikszene Brooklyns. Es folgt die Reinterpretations-EP 'Friends' (2007, u.a auch mit Girl Talk), Konzert und Toureinladungen von Paul Simon und Radiohead, Auftritte bei Conan O' Brian und David Letterman. Vor zwei Monaten haben Grizzly Bear dann ein umjubeltes Konzert mit dem Orchester der Brooklyn Philharmonic im BAM gespielt. Ein Triumph.
"Das Frustriernde an unseren frühen Shows war die Reaktion des Publikums. Es hat uns regelrecht gehasst", so Droste über die ersten Konzerte. "Zum Beispiel diese Tour mit TV On The Radio. Da war dieser Typ im Auditorium. Er hat uns aufs Derbste beschimpft. Also so richtig. Als wir letztens wieder in seine Stadt gekommen sind, hat er sich nach dem Konzert bei uns entschuldigt. Unglaublich oder? Er ist tatsächlich in den Backstage-Raum gekommen und hat gesagt, dass er unser Ding damals einfach noch nicht verstanden hätte. Ereignisse wie dieses sind natürlich eine tolle Bestätigung, und ein bisschen crazy sind sie auch."
Tu Felix Pop Music
- Grizzly Bear Website
Das gewachsene Selbstbewusstsein, es ist auf Veckatimest von der ersten bis zur letzten Note zu hören. Noch immer ist das Tempo der Songs zähflüssig, doch der Backbeat und die Stimmen drängen nach vorne, suchen das Licht und scheinen von Cape Cod bis Brooklyn und darüber hinaus. Das ist er, der neue Pop jenseits von Fixanstellung, Genrekonvention und traditioneller Hörgewohnheiten.
Radio, öffne deine Ohren and your heart will follow. Oh, dieser Satz könnte direkt von Stanislaus Stasny sein.
Anpieltipps: Southern Point, Cheerleader, Two Weeks, Ready Able, Fine For Now und die Radiohead Verneigungsnummer Foreground.
Live! Grizzly Bear kommen diesen Herbst auch nach Österreich: Am 16.11. spielen sie im Wiener WUK.