Erstellt am: 27. 5. 2009 - 17:29 Uhr
Just trying to find someone who knows me
Während "der erfolgreiche Geschäftsmann" oder "der mächtige Checker" als Rolemodel ausgedient hat, verliert das romantische Ideal des gequälten Künstlers offenbar nie an Strahlkraft. Immer neue Generationen suchen vor allem Musik, mit der sie ihr Selbstmitleid für einige Minuten teilen können. Sich im Schmerz anderer zu baden macht den eigenen wohl weniger bedrohlich. Die Großen dieser Leidenszunft haben dabei aber zumeist Selbstherapie betrieben, der eigenen Dringlichkeit ein Ventil gesucht.
conor oberst
Mit Texten und Musiken die eigene Existenz zu fassen, das "Müssen" als Prämisse künstlerischen Ausdrucks, all das Atmen all die Platten von Robert Smith über Cobain bis zu den Bright Eyes oder Trent Reznor. Wobei Reznor ein gutes Beispiel dafür ist, wohin die Leidens-Metamorphose im Anschluss an eine gewisse kreative Phase, Karthasis und Zenit zugleich, gehen kann. Groß war die Entrüstung, als der Bundesminister für Abwärtsspiralen erkannt hat, dass die Überwindung des Leidens auch zu einem Teil im De-Fokussieren, im Abwenden vom Leiden liegt.
Also hat er den Katalysator des Leidens, den Rausch, ad acta gelegt und auf neue Körperlichkeit gesetzt, Energie die der bewussten Erhebung aus der Depression zwangsläufig folgen muss. Freilich war das nicht die bloße Mucki-Show, denn begleitend zum geschwollenen Bizeps ging Reznor fortan auch neue konzeptionelle Wege, die seine letzten Platten verschwörerisch begleiten. Irritationsfaktor Nummer Eins bleiben aber dennoch die Muckis. Unser Jesus muss leiden, was soll der im Fitnesscenter? Auch Nick Cave ging einst diesen, als Befreiung von seiner Drogensucht für ihn wohl einzig gangbaren, Weg zum strukturellen Biedermeier und schreibt nur seine Songs Nine to Five.
conor oberst/mystic valley band
Vergänglichkeitspoesie
Ich denke, der große Unterschied zwischen all diesen Schmerzrock-Heiligen und dem nun 30jährigen Conor Oberst liegt in der Rezeption der Fans. Oberst hat, seit er vor bald 15 Jahren im Kindesalter die ersten 4-Spur Platten machte, Anhänger, die zumeist im gleichen Alter, manchmal sogar ein wenig jünger sind. Umso klarer scheint die programmierte Veränderung. So stimmig sich die Bright Eyes etwa am Meilenstein Album I´m Wide Awake It's Morning präsentierten, so momentartig war die Aufnahme eines Anfang 20Jährigen, der Ekel und Einsamkeit mit New Yorker Rotwein und Zigaretten bekämpft. Das war, gespickt mit Vergänglichkeitspoesie und messerscharfem Pessimimus, ein Manifest aktueller Befindlichkeit, von dem keine Wiederholung erwartet wurde.
Die Fans der Bright Eyes haben diesbezüglich soviel Toleranz und Bereitschaft zum Mitwachsen entwickelt, dass sie nicht mal aufstöhnten, als Oberst letztes Jahr in neuer Besetzung, also mit der Mystic Valley Band statt den Bright Eyes, eine Platte veröffentlichte. Hat er mit Cassadaga schon angedeutet, dass er auch noch andere Themen als Leiden künstlerisch bearbeiten will, vollzog er mit seinem "Solo-Debut" den Wechsel zu einer neuen Unbeschwertheit.
Nach Mexiko fahren, mit lieben Freunden am Lagerfeuer sitzen und den Neurosengarten vertrocknen lassen.
Natürlich gab es sie schon, die Stimmen, die das "vermeintlich Suizidäre" vermisst haben. Oberst ist glückerlicherweise in einer Position, wo er auf diese Stimmen verzichten kann.
Gesegnet mit neuer Lockerheit und vielleicht ein paar Jahren unterdrückter Flausen im Kopf wurde für ihn schnell klar, was ihm als Follow Up Platte vorschwebt:
Nämlich exakt das Gleiche.
conor oberst/mystic valley band
Man merkt auf "Outer South" vor allem eines: Wie viel Spass es Conor und seiner Mystic Valley Band macht, zusammen zu musizieren. Und über die Jahre hat sich daraus eine wirklich verschworene Gemeinschaft entwickelt. Nick Freitas an der Gitarre oder Macey Taylor am Bass sind keine Instumenten-Söldner ,sondern beinahe gleichberechtigte Musiker , denen es große Freude bereitet, mit ihrem Roots-Rock oder Alt-Country über die Weiten der USA zu donnern.
So war es kein Zufall, dass beim Wien-Konzert letzten Sommer die Mystic Valley Band sehr großfamiliär ihre Show abzog, mit genügend Mikro-Präsenz für jedes Bandmitglied, das sich bemüßigt fühlte.
Und so ist es auch kein Zufall, dass die Bandfotos im Booklet die Sprache harmloser Jugendbanden aus den 80er Jahren sprechen, Baseball Jacken mit gleichem Schriftzug inklusive.
Musikalisch ist das ganze natürlich kein Überraschungskonzert, mit gängigen Mitteln werden Geschichten erzählt, die mit einer Westerngitarre ebenso gut umsetzbar sind, wie in großer Country-Bigband Besetzung.
Manche Tracks gehen dabei teils neue Wege, vor allem bedingt durch mehr Mitsprache der anderen Bandmitglieder, manche Tracks beziehen weiterhin ihre Urkraft aus Obersts Stimme, die wie kaum eine zweite Zwischentöne und leise Emotionen in Schwingung setzt.
Es ist eine Platte, die viel offen lässt.
Man könnte sie mit einem wohlwollend-gelangweilten "Ahja, conor oberst halt" zur Seite legen oder auf die Suche nach neuer Schönheit im unaufgeregt-Bekannten gehe.
Wahrscheinlich werden das bei dieser Platte aber eher wieder nur Fans tun.
Für jene ist diese Platte aber ebenso zu empfehlen wie fast alles, was Conor jemals zuvor getan hat.
Conor Oberst scheint es richtig gut zu gehen.
Und wenn wir wirklich Fans sind, sollte uns das eher freuen.
I´m just trying to stay a human being Sitting in the sun eating ice cream
Texting my friend about a bad, bad dream Just trying to find someone who knows me
("Nikorette")