Erstellt am: 28. 5. 2009 - 09:48 Uhr
I can't get no satisfaction
Enfant terrible, skandalöse Diva, dekadenter Dandy, exaltierter Lebemann - für jemanden wie Helmut Berger sind solche etwas abgedroschenen und dennoch prächtigen Begriffe erfunden worden.
Während sich heutige Stars und Sternchen verzweifelt um ein halbwegs auffälliges Image bemühen, war der österreichische Schauspieler in seiner Glanzzeit ein natural born Störenfried. Ein unerhörtes Großmaul, ein arroganter Ausnahme-Schnösel, ein Cocktailparty-Monster jenseits von Maß und Vernunft.
Begonnen hat die Helmut-Berger-Saga bürgerlich, brav und bieder. Als Helmut Steinberger wurde er 1944 in Bad Ischl geboren. Der Sohn einer Hoteliersfamilie hatte kein Interesse an der Gastronomie und dem muffigen Österreich der Sechziger Jahre. Mit 18 zog er zunächst nach London und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch.
Aufgeganserlt von den diversen Versprechungen der Hippiezeit, endet der Steinberger Helmut als Fotomodell in Rom, dem mondänen Rom der Cinecittà-Epoche, dem Rom von Fellini und Visconti.
Cinetext Bildarchiv
Luchino Visconti und Helmut Berger, der alte Guru des Kunstkinos und der junge, wunderschöne Österreicher, sie werden ein Paar. Immer wieder wird Berger später mit bisexuellen Affären protzen, aber Visconti, sein Mentor, Ersatzvater und Liebhaber, bleibt die zentrale Figur. Die Beziehung der beiden Männer setzt sich auf künstlerischer Ebene fort.
Für Visconti ist Berger ein Fin-de-Siècle-Geschöpf, die perfekte Verkörperung einer untergehenden Ära der Dekadenz. Ohne Schauspielunterricht und Ausbildung stürzt sich der junge Mann in die Rollen seines Lebens.
Als adeliger Industriellenspross flirtet er in "La caduta degli dei - Die Verdammten" mit der Nazi-Ideologie und schlüpft in Marlene Dietrichs Kleider, als extravaganter Bayernkönig "Ludwig II" träumt er vom Größenwahn, auch in "Gruppo di famiglia in un interno - Gewalt und Leidenschaft" treibt er dem Untergang entgegen.
Die Kinowelt der späten Sechziger und frühen Siebziger liebt Helmut Berger, und er kann von dieser Liebe nicht genug kriegen. Niemand taumelt so eitel und geckenhaft von Party zu Party, von Bett zu Bett, von Bianca zu Mick Jagger und von Exzess zu Exzess.
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Als sein obsessiv verehrter Luchino Visconti 1976 stirbt, bekommt der Dauerrausch des Helmut Berger eine ruinöse Note. Er hinterlässt eine Spur aus Kokain, Sperma und Make-up, spielt in trashigen B-Movies und avancierten Kunstfilmen zugleich.
1983 übernimmt Berger eine Gastrolle in der amerikanischen Seifenoper "Dynasty" und beginnt danach durch deutschsprachige Talkshows zu tingeln. Dieser Gast, weiß auch sein Fan Harald Schmidt, ist immer für einen unpackbaren Satz gut, für bizarre Zynismen und fiebriges Gefasel. Keiner steht so unterhaltsam neben sich, zelebriert das Kapriziöse und Überspannte bis zur Schmerzgrenze.
Man kann diesen verwirrten, verirrten Überlebenden aus der wilden Vergangenheit belächeln. Oder man kann ihm, wie Blumfeld im Video "Tausend Tränen tief", ein angemessenes Denkmal errichten.
Wer große Exzentriker wie den Steinberger Helmut nicht schätzt, muss zur Strafe mit Pete Doherty, Paris Hilton und Amy Winehouse im Winkerl stehen. Alles Gute zum Geburtstag, Herr Berger.
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Vom 28. Mai bis zum 4. Juni 2009 zeigt das Filmarchiv ein Tribut mit ausgewählten Helmut-Berger-Filmen im Wiener Metro Kino.