Erstellt am: 26. 5. 2009 - 18:06 Uhr
Nowhere Train: Irgendwie
Der Nowhere Train
Jenseide
Fünf Musiker, zwei Filmer und ein Autor bereisen von 17. bis 28. Mai 2009 mit dem Zug ungewöhnliche Orte in acht verschiedenen Bundesländern in Österreich. Aus der Reise, den Konzerten und Zusammentreffen der Menschen entsteht ein künstlerisches, multimediales Portrait des Landes.
Nachzulesen immer hier:
Gerade haben wir uns gefragt, ob wir eventuell die allergrößten Idioten sein könnten, die momentan auf dem Planeten Erde Stoffwechsel betreiben. Seit 10 Tagen fahren wir in der Annahme durch die Gegend, dass alles schon irgendwie wird. Absurderweise, völlig unbegreiflich schöner, seelenzerfetzend bizarrer Weise wird es aber tatsächlich immer irgendwie.
Es ist irgendwie, wenn man nach 90 Minuten Hoffnung auf einen Bus in der Mittagssonne doch noch die 500 Meter zum Neusiedlersee hinter sich bringt und dann im Wasser neben den Enten seinen Organismus mit Leben füttert. Wenn sich auf einer Autofahrt durch das Burgenland die roten Warnlichter der Windräder nahtlos in den sternschnuppenden Nachthimmel einfügen, dann ist es irgendwie. Irgendwie lenkt den Wagen Maria, die bezaubernde Wirtin der „Sun Set Bar“ im Podersdorfer Hafen, wo Frenk vor zwei Monaten auf der Toilette war. Er hat damals mit Vera einen dreistündigen Kurzurlaub am Neusiedlersee gebraucht, weil es Unausgesprochenes gab, das am Wasser oft schneller flüssig wird. Als er gestern Abend dorthin zurückkehrt erinnert sich Hannes, der Kellner irgendwie an ihn und wir haben irgendwie doch einen Schlafplatz. Irgendwie gelingt in der „Sun Set Bar“ dann ein Konzert, das ich schon gar nicht mehr beschreiben will, weil es langsam absurd wird, wie freundlich und überschwänglich wir überall aufgenommen werden.
Jenseide
Vielleicht ist es ja das Strandbad Neusiedl, in dem es mir gerade nicht so richtig gelingen mag, viel zu viele Eindrücke zu einer Geschichte zu verdichten. Ich weiß es wirklich genau so wenig, wie uns gestern Abend bis 19 Uhr klar war, wo wir schlafen sollen. Und selbst, als wir endlich wissen, dass wir tatsächlich schon wieder irgendwo schlafen dürfen, bleibt es irgendwo. Es war offensichtlich Bruck an der Leitha.
Irgendwie gelingt es sogar, die beiden belustigten Kärntner zu beruhigen. Sie sind schnell handgreiflich, als der 50 Euro Schein, den sie am Leuchtturm zücken, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren nicht reicht. Später werden sie in der „Sun Set Bar“ zärtlich mithauchen „I Take You In“.
Irgendwie legt das Ausflugsschiff in dem Moment ab, als die Band auf einem leeren Steg vor demselben Leuchtturm mit „Nowhere Train“ anfängt. Und irgendwie kehrt es gerade in den Hafen zurück, als sie mit dem „Ship Song“ aufhört. Mittlerweile sind da weit über 60 Menschen und freuen sich und uns. Irgendwie.
Die Vorarlberger Schulklasse auf Sportwoche darf dann doch zum Konzert am Leuchtturm kommen und sogar noch kurz in die „Sun Set Bar“. Die Lehrerinnen haben beschlossen, dass es doch irgendwie möglich ist. Vor dem „Ship Song“, den man eigentlich nicht einfach so spielen kann sagt Jakob: „If we fail, we only fail for you“. Dann spielt Ian doch noch „Nine To Five“.
Seit wir losgefahren sind, beschäftigt mich ein Satz den Hans-Peter Falkner im ersten Attwengerfilm zitiert. Der ehemalige oberösterreichische Landeshauptmann Josef Ratzenböck soll einmal ein Publikum belehrt haben: „Musiker arbeiten, wenn wir feiern.“ Irgendwie ist es auf dieser Reise anders. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation in Kirchbichl. Stanzel und Jakob haben in der Stube ein Telefoninterview gegeben, während ich meinen Tagebucheintrag geschrieben habe, Peter und Clemens den Clip geschnitten und die anderen Musiker vor dem Fenster geprobt haben. Die Wirtin ist selbstverständlich in die Stube gekommen und hat versucht, beim Tischdecken leise zu sein. Keineswegs aber, um nicht zu stören, sondern, weil sie etwas von dem haben wollte, was da klingt und sich tut. Und wir wollten auch da sein.
Jenseide
In den vergangenen 10 Tagen sind wir hingegangen, wo wir wollten und haben dort getan, was wir wollten. Und immer wollten Menschen auch da sein. Morgen Vormittag fahren wir nach Garsten ins Hochsicherheitsgefängnis. Die wenigsten der 100 Menschen, die dort zuhören werden, wollen an diesem Ort sein. Darauf bereiten wir uns gerade vor. Hoffentlich wird es irgendwie.
Morgen um 17 Uhr im Volksgarten in Linz werden wir es bestimmt schon sagen können.
Wir müssen los. Morgen mehr.