Erstellt am: 26. 5. 2009 - 18:25 Uhr
Kundenkarte?
"Kundenkarte?", fragt der Mensch hinter der Kassa gelangweilt. "Nein", antworte ich genauso ferngesteuert. "Wollen sie eine?" Ich, etwas weniger abwesend: "Nein, Danke. Müssen sie mich das eigentlich immer fragen, ist das Vorschrift?" Der Kassamensch nickt, ich hake nach: "Kriegen sie einen Bonus, wenn sie mir eine Kundenkarte verkaufen?" - "Nein, aber ich werde gekündigt, wenn ich nicht frage."
Die offensive Bewerbung zeigt Erfolg: Drei von vier Österreichern haben mindestens eine Kundenkarte, im Durchschnitt sind es sogar fünf pro Person. Lebensmittehandel und Drogerien, Baumärkte oder der Möbelhandel – 27 verschiedene Kundenkarten hat der Verein für Konsumenteninformation getestet. Dazu "Konsument"-Experte Walter Hager: "Für die Karteninhaber werden Rabatte vergeben. Aber ein Rabatt ist immer ein Preisaufschlag und kein Preisabschlag. Das Unternehmen hat nichts zu verschenken und wird, wenn es Rabatte gibt, vorher den Preis künstlich erhöhen."
Sogar spezielle "Club"-Angebote sind häufig teurer sind als die gleichen Produkte in anderen Geschäften ohne Kundenkarte, berichtet die Zeitschrift Konsument in ihrer nächsten Ausgabe. Kunden mit Karte vergleichen weniger - offenbar wirkt die Werbesuggestion, dass man mit Karte prinzipiell günstiger dran wäre. Händler in Möbelhäusern und ähnlichen Geschäften wiederum nutzen die Kartenrabatte, die oft nur ein bis zwei Prozent betragen, als Ausrede, um nicht über den Preis verhandeln zu müssen - in Geschäften ohne Kundenkarte kann man dabei durchaus auch 10% Preisnachlass verhandeln.
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FM4
Datensammlung
Konsumenten mit Kundenkarte geben Daten weiter. Zum einen beim Ausfüllen der Anmeldeformulare, in denen viel Privates gefragt wird: Beruf, Höhe des Einkommens, Kinder, Größe und Einrichtung der Wohnung, Hobbys oder sogar die Körbchengröße. Zum zweiten werden bei jedem Einkauf Daten über die gekauften Waren gespeichert. Das österreichische Datenschutzrecht sei zu milde gegenüber den Datensammlern, sagt Walter Hager, denn eine Zustimmung des Konsumenten zur Datennutzung ist nicht vorgesehen: "Der Kunde muss der Datennutzung nicht zustimmen, sondern er muss lediglich darauf hingewiesen werden, dass er ihr widersprechen kann. In der Praxis sieht es aber meistens so aus, dass bei einem Widerspruch die Karte ihren Wert verliert."
Richtig wertvoll sind die Kundenkarten vor allem für die Werbeabteilungen der Konzerne. Mit Hilfe von tausenden, jahrelang gesammelten Informationen werden maßgeschneiderte Marketingmaßnahmen entwickelt. Bist du arm oder reich? Was isst du, was trinkst du gerne? Kaufst du oft Alkohol und Kartoffelchips? Oder doch isotonische Getränke und Eiweisspulver? Kaufst du DVD-Rohlinge? Je mehr ein Werber über dich, die Zielperson, weiß, desto eher kann er Widerstandbarrieren durchbrechen.
Es geht aber nicht "nur" um die Werbung. Langfristig kann die Verknüpfung jahrelang gesammelter Einkaufsdaten die Privatsphäre gefährden, zum Beispiel wenn ein Unternehmen Jobs zu vergeben hat und wissen will, wie gesund ein Bewerber ist. Viele Kunden wissen gar nicht, dass bestimmte Geschäfte zu ein und demselben Konzern gehören, außerdem werden Daten auch weiterverkauft.
Für allgemeine Beschwerden gegen Datenverwender ist die Datenschutzkommission im Bundeskanzleramt zuständig.
Als Gegenmaßnahmen empfiehlt Walter Hager, keine Kundenkarten anzunehmen und in Geschäften einzukaufen, die keine anbieten: "Wenn das ein Großteil der Menschen machen würde, würden sich wahrscheinlich auch die Preise für Nicht-Karteininhaber wieder normalisieren." Benötigt man eine Kundenkarte unbedingt, weil ein gewünschtes Produkt nicht anders zu bekommen ist, empfiehlt der Verein für Konsumenteninformation außerdem die Verwendung von Fantasienamen und das Durchstreichen von Klauseln wie "Ich bin mit der Weitergabe meiner Daten einverstanden". Eine einmal gegebene Berechtigung zur Verwendung von Daten kann auch nachträglich jederzeit widerrufen werden.