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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 5. 2009 - 13:56

Fußball-Journal '09-37.

Die Laus über der Leber: Dietmar Constantinis Übellaunigkeit wird seinen heute bekanntgebenenen Teamkader gegen Serbien hoffentlich nicht anstecken. Auch wenn er sein Verhalten (irrtümlich) für happelesk hält. Oder: warum miteinander reden eigentlich schon ganz gut wäre.

Die wichtigsten sportlichen Infos zur Teamkader-Nominierung: Arnautovic ist nicht dabei, weil beim medizinischen Check von Chelsea eine Fraktur festgestellt wurde, auch verletzt sind Pogatetz, Fuchs oder Leitgeb.
Ivanschitz fehlt aus den logischen Gründen, Macho, Linz, Säumel und Ibertsberger sind draußen, Aufhauser hat trotz vergleichsweise guter Form kein Leiberl mehr.
Neu dabei: Dag, Lexa, Jantscher.Wieder dabei: Stranzl. Überraschend drin: Kavlak.

Unlängst war im NDR (dem Haussender des HSV) eine Ernst Happel-Doku zu sehen, keine der üblichen Rührseligkeiten, sondern eine richtige Spurensuche, samt Interviews mit Sohn und Enkeln. Dabei kam die Sprache natürlich auch auf den den Medien gegenüber so mürrischen Happel. Und ein Zeuge der Hamburger Zeit (ich glaube es war sogar der damalige Manager Günter Netzer) beschrieb es. Happel hasste Pressekonferenzen, war kurz angebunden (aber darin originell) und ließ nichts raus - im Einzelgespräch war er aber äußerst umgänglich. Er wollte am liebsten, sagte Netzer(?), mit jedem einzeln sprechen, jedem einzeln alles erklären.
Das ist eine Eigenschaft, die auch mein Zeuge Nick Neururer (in der Tiroler Zeit wichtiger Ansprechpartner des Alten) bestätigt.

Dietmar Constantini sieht sich als Erbe des großen Happel - er ist ihm bei Tirol und im Team als Assi zur Seite gestanden bzw. gefolgt. Und die Tradition im Umgang mit den Medien hat er von ihm übernommen.
Glaubt er.

Das alte Copycat-Problem

Denn wie immer bei Copycats der zweiten Generation läuft einiges schief.

Vielleicht ist er einfach scheu. Meine Anfrage zu einem Gespräch zum Thema "Generation Playstation" ging zeitgleich mit der an Willy Ruttensteiner raus - und dieses Interview mit dem ÖFB-Sportdirektor fand am 19.März statt. Vom Teamchef seither kein Pieps.

Constantini ist bei Pressekonferenzen kurz angebunden - aber wenig originell. Heute mittag, bei der Bekanntgabe des Kaders für das Serbien-Spiel z.B. überhaupt nie, nicht eine Sekunde lang. Selbst die Wuchteln kommen eisig.

Und die Sache mit der Umgänglichkeit im (ein wenig ausführlicherem, nicht nur als OT-Futter nach der PK stattfindendem) Einzelgespräch, die wird vermieden.

Diesen "jedem alles einzeln erklären"-Antrieb des alten Ernst hat der ewigjunge Didi nicht. Und damit ist die Traditionslinie auch schon verlorengegangen.

Der ÖFB-Kader für das WM-Qualifikationsspiel in gegen Serbien, am 6. Juli in Belgrad:

Tor: Michael Gspurning (Xanthi/GRE), Alexander Manninger (Juventus/ITA), Helge Payer (Rapid)

Abwehr: György Garics (Atalanta/ITA), Franz Schiemer (Austria), Sebastian Prödl (Werder/DEU), Martin Stranzl (Spartak/RUS), Aleksandar Dragovic (Austria), Manuel Ortlechner (Kärnten), Andreas Ulmer (Salzburg)

Mittelfeld: Yasin Pehlivan (Rapid), Paul Scharner (Wigan/ENG), Ekrem Dag (Besiktas/TUR), Stefan Lexa (Ried), Andreas Hölzl & Jakob Jantscher (Sturm), Zlatko Junuzovic (Kärnten), Veli Kavlak (Rapid), Ümit Korkmaz (Frankfurt/DEU).

Angriff: Erwin Hoffer & Stefan Maierhofer (Rapid), Marc Janko (Salzburg), Rubin Okotie (Austria Wien)

Auf Abruf, falls Garics ausfällt: U21-Kapitän Julian Baumgartlinger (1860/DEU). Eine Abruf-Liste gibt es, ganz brückneresk, nicht.

Verletzt sind: Pogatetz (M'Boro/ENG), Arnautovic (Twente/NED), Fuchs (Bochum/DEU), Leitgeb (Salzburg) und Beichler (Sturm).

Sportmagazin mit Ivanschitz-Cover

sportmagazin

Out sind die Legionäre Ivanschitz, Säumel, Ibertsberger, Linz, Macho, Harnik, Stankovic, Kienast und Turgay Bahadir, der bei Kayseri eine ebenso fette Saison spielt wie Dag bei Besiktas. Out sind die Ligaspieler Aufhauser und Gercaliu, Schranz und Gratzei, Manu Weber und Emin Sulimani, Hackmair und Dober, Kienzl und alle LASKler.

Constantini agierte heute dermaßen unwirsch, als hätte ihn der gesamte Saal persönlich beleidigt. Weshalb die Fragestunde dann auch nur eine halbe dauerte - nicht weil sich niemand getraut hätte, sondern weil alle die Sinnlosigkeit heute mehr als die Laus-über-Leber-gelaufenen zynischen Sätze zu bekommen, erkannten.

Auch ein eklatanter Gegensatz zur Happel-Tradition.

Womöglich ist die Ivanschitz-Sache schuld dran.

Der vormalige Teamkapitän war von Constantini im März anlässlich der Kaderbekanntgabe fürs Rumänienspiel ausgebootet worden und setzte sich in einem Interview im Sportmagazin zur Wehr (was man prinzipiell befürworten muss, weil er eh einer ist, der sich zu lange zu viel gefallen lässt). Daraufhin war wiederum Constantini beleidigt.

Und ließ das heute, nach dem Einleitungssatz "Dazu hab ich nix zu sagen" einiges raus. Dass immerhin ER es gewesen wäre, der angerufen hätte. Auch wenn das nur zwei oder drei Minuten gewesen wäre. Der andere hätte ihn ja auch anrufen können, hätte es aber nicht getan...

Hallo? Gibts was Kindischeres? Sind das Sandkistenprobleme?

Die Kommunikation mit seinen Teamspielern ist das einzige, was der Teamchef in der Länderspiel-Vorbereitungsfreien Zeit leisten muss - und dann sowas?

Der in Fahrt gekommene Constantini setzt nachher die schlechte ÖFB-Teamchef-Tradition der beleidigten Andeutung fort und beschuldigt das Sportmagazin des unethischen Vorgehens. Ohne was konkret anzumahnen. Kein guter Stil.
Und dann schwingt er sich zur Festlegung weiterer Kommunikations-Regeln auf. Kein Trainer, sagt der sonst für seinen zwischenmenschlichen Esprit so bekannte Tiroler, sei verpflichtet mit Spielern zu reden, die er beobachten würde. Er erwähnt einen Ausflug zu einem Spiel von Garics, wo er das tat, also nicht tat.
Nochmal: Kein Coach sei bei einem Beobachtungsausflug verpflichtet, den Spieler zu sprechen oder gar mit ihm essen zu gehen.

Mit Menschen reden? Muss nicht sein...

Interessante Methode rauszufinden, was Sache ist, in der Türkei, Italien oder Griechenland: Man fliegt hin, schaut sich das Spiel an und fliegt wieder zurück. Mit Menschen reden? Muss nicht sein.

Wie hat ein Jugendnationalspieler, der im Ausland spielt, da unlängst erzählt? Man würde ihn ÖFB-seitig (aus der Distanz) nach seiner Statistik beurteilt. So richtig angerufen zum Informationsaustausch wäre er noch nie worden.

Dass die Verwendung neuer Kommunikationsmittel (wie wärs mit Skypen?) nicht einmal angedacht wird - in einem Umfeld das den PC als Feind betrachtet eh logisch.

Andererseits: Was sollten z.B. Constantini und seine Assistenten auch viel reden? Manfred Zsak ist wie immer stumm, Heinz Peischl sagt immerhin einen Satz (immerhin unter Verwendung eines schönen Fremdworts um die Vielseitigkeit von Ekrem Dag zu beschreiben), Constantini ist außer grummelig nur grummelig.

Der Kader ist wieder ein wenig innenverteidigerlastig zusammengestellt - aber das ist nach dem Rumänien-Match kein Wunder, da spielte ja auch die Kette Schiemer-Prödl-Pogatetz-Ortlechner; da orientiert sich Constantini ganz an seinen Kollegen Krankl und Lederer, die brauchen auch keine echten Außenverteidiger.

Sollte sich der angeschlagene Garics nicht erholen, wäre wieder kein echter Rechtsverteidiger im Kader.

Die U21-Mannschaft trifft bei einem Testspiel auf Bulgarien (am 3. Juni)

Tor: Lukas Königshofer (Kärnten), Wolfgang Schober (Salzburg); auf Abruf: David Schartner (Salzburg)

Abwehr: Fabian Koch (Wacker), Georg Margreitter (Magna), Manuel Wallner (Grödig), Christian Ramsebner (Austria); auf Abruf: Mattin Copier (Alkmaar/NED), Dominic Pürcher (Grödig).

Mittelfeld: Julian Baumgartlinger (1860/DEU),Thomas Piermayr (LASK), Manuel Seidl (Mattersburg), Stefan Ilsanker (Salzburg), Patrick Salomon (Austria Lustenau), Guido Burgstaller (Magna), Matthias Koch (Altach), Stefan Hierländer (Kärnten); auf Abruf: Anel Hadzic (Ried), Mario Leitgeb (Austria Lustenau), Christian Klem (Sturm), Robert Gruberbauer (St. Pölten).

Angriff: Dieter Elsneg (Frosinone/ITA),Atdhe Nuhiu (Kärnten), Julius Perstaller (Wacker), Benjamin Sulimani (Austria); auf Abruf: Matthias Lindner (Mattersburg), Georg Gravogl (St. Pölten).

Verletzt sind Michael Madl (Austria) und Christopher Drazan (Rapid). Es fehlt seltsamerweise ein echter linker Verteidiger, einige Mittelfeldspieler (Seidl, Piermayr...) werden wohl in die Abwehr rücken.

Und es würde am Debütanten Ekrem Dag hängenbleiben diese Position auszufüllen.

Ja, das kann er spielen, aber besser war er in seinen 24 Saisonspielen für Besiktas Istanbul im Mittelfeld. Und besser für einen guten Spieler ist es schon immer dort zu spielen, wo er am besten ist. Das wäre vielleicht zu erfahren gewesen, wenn man miteinander geredet hätte (was Peischl bei seinem Türkei-Spionage-Ausflug aber nicht getan hatte, was der Chef wiederum okay findet).

Frust ist kein guter Ratgeber

Ob er mit dem Bundesliga-Niveau zufrieden wäre, fragt ein Vorwitziger, und die ohnehin schon finstere Didi-Miene verzieht sich noch weiter. Er stelle nach besten Wissen&Gewissen auf, die aus der Liga eben und die im Ausland, die halt überhaupt spielen würden.

Da steckt Frust drin, weil z.B. Manninger, Säumel, Macho, Harnik oder die verletzten Fuchs und Pogatetz auf keine, andere wie Korkmaz oder Ibertsberger auf zu wenig Spielzeit kommen.
Frust, der an diesem Vormittag direkt an jene zurückgefedert wurde, die da eher wenig dafürkönnen, aber zu fragen wagen, wie das denn geht.

Bis zum Teamtrainingslager am Pfingstmontag sollte der weg sein, der Leber-Laus-Frust, sonst wird's ansteckend. Und das gute interne Klima, das gibt Constantini zu, das war die halbe Miete vor dem Rumänien-Sieg.

"Wenn diesmal nur einer dabei ist, der nicht alles gibt, simma auf der Rodel." Und die schlittert talwärts ins Verderben. Mit einem Rodelrudel-Führer wie Constantini in seiner aktuellen Form als Gewichts-Zulage.

Der nominierte 23-Mann-Kader deutet auf ein 4-4-2 ohne zentral offensiven Mittelfeldspieler hin (da tät es nur Junuzovic geben), Constantini dürfte auf schnelle Gegenstöße setzen, braucht vollfitte Spieler, die das serbische Pressing überstehen müssen.

Kapitän wird Paul Scharner sein.
Lexa, die alte Haut, hätte sich seinen Einsatz verdient.
Wir nicken.

Wieder dabei ist im übrigen Martin Stranzl, der bei Spartak Moskau nach einem Trainerwechsel wieder regelmäßig (und dem Vernehmen nach ganz gut) spielt.
Geredet hat drüber mit ihm, dem anderen Ex-Kapitän im Vorfeld, erraten, keiner.
Ist nicht die Stärke der ÖFB-Teamführung, das mit dem Reden, aktuell.