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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

26. 5. 2009 - 11:43

Kunst, Kommerz, Kampfsport

"Fay Grim", "My Bloody Valentine 3-D", "Forbidden Kingdom", "Rachel Getting Married". Kurze Notizen zu aktuellen Kinostarts.

Moment mal, Hal Hartley, da war doch einmal etwas? In den Neunzigern zählte der Regisseur und Drehbuchautor zu den zentralen Figuren der damals florierenden unabhängigen US-Filmszene.

Hartley steht für ein abstraktes Kino der Verfremdungen - Kinkerlitzchen wie Suspense oder gar Emotionen spielen darin keine Rolle. Es geht um absurde Dialoge, Metaphern, unentwegte Brüche mit klassischen Kinoklischees.

Mit seinem Streifen "Henry Fool" trieb der Regisseur 1998 das künstlerische Verwirrspiel auf die Spitze, 2007 ließ er eine Fortsetzung folgen, die nun mit Verspätung auch heimische Programmkinos erreicht. Indie-Ikone Parker Posey spielt in "Fay Grim" eine unbefangene Hausfrau, die nach dem Verschwinden ihres mysteriösen Schriftstellergatten zwischen die Fronten der internationalen Geheimdienste gerät.

In der Theorie könnte das den Stoff für einen passablen Hollywood-Thriller abgeben, der Gedanke an banale Unterhaltung dürfte Hal Hartley aber befremden. Klassische Narration, psychologisch glaubwürdige Figuren, all das interessiert den Filmemacher nicht.

Muss ja natürlich nicht zwangsläufig sein. Nur kann Hartley dem Mainstream auch keinen schlüssigen Kontrapunkt entgegensetzen. Eine Parodie auf Agentenfilme scheint "Fay Grim" stellenweise sein zu wollen, auch eine groteske Verarbeitung der Terrorpanik im Gefolge von 9/11. Doch zum Lachen gibt es wenig.

"Fay Grim" ist eine artifizielle Stilübung, die weder amüsiert noch verstört, ein blutleeres Off-Off-Broadway-Stück von einem Film. Sympathische Akteure wie Parker Posey oder Jeff Goldblum taumeln durch ein sinnentleertes Experiment, das einfach nur langweilt.

Fay Grim

Polyfilm

My Bloody Valentine 3-D

Darf es zur Entspannung eines jener Horrorfilm-Remakes sein, die in regelmäßigem Rhythmus unsere Kinos verstopfen? "My Bloody Valentine 3-D" erzählt, auf den Spuren eines obskuren Slashermovies aus den frühen Achtzigern, von einer kleinen US-Stadt, die sich nie von einer heftigen Mordserie erholt hat.

Zehn Jahre sind vergangen, seit der psychotische Minenarbeiter Harry Warden mit seiner Spitzhacke Amok gelaufen ist, bis er in einem Stollen lebendig begraben wurde. Als ein junger Bergmann, der in das fürchterliche Geschehen involviert war, in sein Heimatstädtchen zurückkehrt, werden unangenehme Erinnerungen wach.

Ausgerechnet am Valentinstag schlägt ein geheimnisvoller Killer wieder zu. Hat der gespenstische Mr. Warden tatsächlich überlebt oder steckt ein anderer Täter hinter der Maske? Der lokale Sheriff führt einen Wettlauf mit der Zeit, die Opferzahl wächst rapide.

Nackte, vollbusige Frauen, die um ihr Leben laufen, naive Teenager, die mit der Spitzhacke gejagt werden, jede Menge Gekreische und noch viel mehr roter Farbstoff: "My Bloody Valentine 3-D" versucht bewusst, an altmodische Splattermovies längst vergangener Dekaden anzuschließen.

Dabei birgt der straighte Plot im Zeitalter postmoderner Referenzorgien einen gewissen Charme. Was diesen deftigen Oldschool-Schocker aber wirklich über den Durchschnitt hebt, ist natürlich die 3-D Technik.

Verblüffend gut und kopfwehfrei funktioniert der digitale Hokuspokus, das wüste Gemetzel wirkt stellenweise zum Greifen nahe. Wer sich in die vorderen Kinoreihen wagt, sitzt mittendrin im Kunstblutbad.

My Bloody Valentine 3-D

Luna Film

Forbidden Kingdom

Täusche ich mich oder hat der Martial-Arts-Film auch schon mal bessere Phasen erlebt? Zwischen aufgeblasenen chinesischen Mini-Blockbustern der "Hero"-Nachfolge und derbem Thai-Gedresche à la "Ong Bak" passiert wenig Spannendes in Sachen Kampfkunst-Kino.

"Forbidden Kingdom" wird an dieser Flaute wenig ändern. Ausgerechnet Rob Minkoff, der für Familienkost wie "The Lion King" oder die "Stuart Little"-Streifen verantwortlich ist, versucht sich hier an einer Hommage an die angewandte Knochenbrecherei. Wobei die Mischung aus "The Wizard Of Oz", "Karate Kid" und Hongkong-Action dezidiert kinderfreundlich daherkommt.

Menschen, die älter als zehn Jahre sind, können jegliche Inhaltsangaben gerne überspringen. Wer es trotzdem nicht lassen kann: Im Mittelpunkt von "Forbidden Kingdom" steht Jason, ein linkischer Bilderbuch-Filmgeek, der von einer Martial-Arts-Fantasiewelt träumt.

Dass der Bub in der Realität keinerlei Kung Fu beherrscht, wird ihm schmerzlich bewusst, als ihn eine gefährliche Gang verfolgt. Jason versucht, sich durch einen Sprung von einem Dach zu retten, aber als er aufprallt, ist er nicht mehr im Amerika der Gegenwart.

Der Fanboy landet durch einen Zeitsprung im alten China, mitten in einer gefährlichen Auseinandersetzung zwischen dem Jadekriegsherrn und einer Handvoll Rebellen. Nur der geheimnisvolle Affenkönig kann das Land befreien, aber der wurde versteinert und muss erstmal von seinem Fluch erlöst werden.

All dieser infantile Zirkus wäre eigentlich kaum der Erwähnung wert, wenn Rob Minkoff nicht zum ersten Mal zwei Superstars des asiatischen Kampf-Kinos nebeneinander vor der Kamera versammeln würde: Jackie Chan und Jet Li. Dass der gemeinsame Auftritt der Kung-Fu-Legenden in einem so platten Hollywoodkontext stattfindet, stimmt allerdings traurig.

Forbidden Kingdom

Senator Film

Rachel Getting Married

Was sind abstrakte Terrorismus-Reflexionen, blutige Valentinstage und schwertkämpfende Affenkönige aber schon gegen den puren Schrecken gutbürgerlicher Familienfeste?

In "Rachel Getting Married" richtet Jonathan Demme die Authentizität suggerierende Wackelkamera auf die Hochzeitsfeierlichkeiten eines wohlsituierten Connecticut-Clans. Anne Hathaway verlässt als drogengeschädigtes Töchterlein Kym kurz die Rehab-Klinik, um der Trauung ihrer Schwester beizuwohnen.

Zwischen dem schwarzen Schaf und der restlichen Großfamilie kommt es bald zu Wortgefechten, Spannungen, sogar Gewaltausbrüchen. Glücklicherweise muss man sagen. Denn Regieveteran Demme ("Silence Of The Lambs") präsentiert die riesige Hochzeitsgesellschaft bisweilen als multiethnische Idylle nahe an der Kitschgrenze.

Dank der kettenrauchenden, nervigen Kym und ihrer Provokationen blickt man aber auch hinter die dysfunktionalen Abgründe des aufgeklärten Mittelstands. Da köcheln Neid und Rivalitäten, werden hinter grinsenden mütterlichen Fassaden emotionale Schutzwälle errichtet, blitzen Traumata durch den schönen liberalen Schein hindurch auf.

Der Versuch, einen gut gemeinten überlangen Obama-Wahlkampf-Spot mit solchen tragischen Momenten zu vereinen, funktioniert letztlich nur zum Teil. Gegen ein desillusionierendes Dogma-Meisterwerk wie "Festen" wirkt "Rachel Getting Married" milde und zurückhaltend.

Eine präzise beobachtete, exzellent gefilmte und überzeugend gespielte Milieustudie ist Jonathan Demme dennoch gelungen.

Rachel Getting Married

Sony