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Hosea Ratschiller

Unterwegs im Nowhere Train

25. 5. 2009 - 16:31

Nowhere Train: Paasdorf - Podersdorf

Nine to five.

Der Nowhere Train

Die Musiker des Nowhere Train

Jenseide

Fünf Musiker, zwei Filmer und ein Autor bereisen von 17. bis 28. Mai 2009 mit dem Zug ungewöhnliche Orte in acht verschiedenen Bundesländern in Österreich. Aus der Reise, den Konzerten und Zusammentreffen der Menschen entsteht ein künstlerisches, multimediales Portrait des Landes.

Nachzulesen immer hier:

Stanzel ist zurück. Er weiß von einem gelungenen Konzert in der Nähe der Myrafälle zu berichten. Frenk hat dort seinen Song "Will Of The Wind" geschrieben. Werner, der Gemeinderat, meint, die Paasdorfer Kunststraße sei nur als ständiger Tauschhandel mit den Bauern aus der Region realisierbar gewesen. Der fünf Meter mitten in ein Feld vertiefte Autobahnabschnitt von Prinzgau/Podgorschek etwa war nur in Kombination mit einem Windschutzgürtel und einem Wasserauffangbecken für das Wild durchsetzbar. Billi, den wir später beim Heurigen treffen, weiß, dass in der Kunst oft Tiere verenden. Gestern war nur ein Kondom da. Und wir. Und Sabine, die schon einmal als Au-Pair in St. Louis war. Ian ist dort zuhause und die beiden haben sich etwas zu erzählen

Hose ratschiller und nowhere train Musiker

jenseide

Paasdorf – Neubau – Kreuzstetten

Werner sitzt im Gemeinderat von Mistelbach, in dessen Zuständigkeitsbereich auch Paasdorf fällt. Verantwortlich ist er dort für Verkehr, Gesundheit und Soziales. Von Ortsvorsteher Petz, der nebst Gattin in Venedig weilt, hat er die Aufgabe geerbt, uns zu empfangen. Der Traktor samt Umhänger funktioniert und ehe wir noch "Wahnsinn, ist die Weite angenehm" sagen können, streicht uns der freundliche Fahrtwind schon einen Liptauer aus Sommergerüchen und Abendsonne auf Wangen und Wunden.

Schleinbach – Wolkersdorf – Obersdorf

Wenn man sein ganzes, zugegeben junges Leben alles versucht hat, einen Ort sein Zuhause nennen zu wollen, der so nahe an einem Berg liegt, dass man morgens kaum die Fenster aufkriegt, fühlt sich das Weinviertel an wie eine Erlösung. Werner ist erst seit zwei Jahren Gemeinderat und verblüfft, wie viele Bedürftige es gibt, die wirklich Hilfe brauchen. Man müsste mehr Wirtschaft nach Mistelbach bringen, die gut bezahlte Arbeit schafft. Trotzdem ist er nicht ganz sicher, ob er sich freuen oder ärgern soll, dass der Plan mit dem Golfhotel gescheitert ist. Von seinem Hochstand unweit des Feldes mit der Autobahn-Installation aus zählt der Gemeinderat, Jäger, Lehrergewerkschafter und Wirtensohn 70 Windräder. Diese Geschichte erzählt er am Liebsten.

Plakat Nowhere Train in Paasdorf

Mark Schönmann

Gerasdorf – Leopoldau – Siemensstraße – Floridsdorf - Handelskai

Ian meint, die Gegend um Steyr sehe beinahe völlig gleich aus wie der Teil Missouris, den er schon so oft verlassen hat. Im August wird er wieder einmal dorthin zurückkehren und seinem Vater dabei helfen, die Farm zu renovieren. Der Großvater kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiterarbeiten. Vielleicht baut Ian endlich auch für sich einen kleinen Bungalow. Später an diesem Abend wird er einen Song aus der Sicht des Bruders des Mannes der Schwester seines Vaters singen - "Candles for Elvis".

Eines Tages waren zwei Schlagzeilen in der Zeitung. Ein Todestag von Elvis Presley und ein Erdbeben in Peru, bei dem Tausende Menschen ihr Leben verloren. Ian hat sich gefragt, wer sich jetzt wohl gerade entscheidet, traurig zu sein, dass Elvis tot ist. Es ist ihm nur der Bruder des Mannes der Schwester seines Vaters eingefallen, der seit seiner Rückkehr aus Vietnam im Keller der Mutter sitzt. Dort sammelt er Waffen und Spielzeugflugzeuge und ist schwer krank wegen der vielen Chemikalien, die in Vietnam von den US-Streitkräften eingesetzt wurden. "I lit a candle for Elvis, wax pouring down my cheeks".

Die 5 Nowhere Train Musiker

jenseide

Wien Mitte

Schon wieder Wien. Neben mir im Souterrainstudio von Walter sitzt Deisi. Es handelt sich um einen kurzen Aufenthalt, bevor wir den Zug nach Podersorf erwischen wollen. Walter hat gerade das neue Album der Ernst Molden Band fertig gemischt. Der Weg über den Naschmarkt hat sich nicht sehr wie heimkommen angefühlt. Die Musik sehr wohl. "In die Berg is' finster. Auf die Berg stengan Bam. In die Berg wohnen d'Noarn. Aus die Berg mecht i ham."

Deisi hat sich gestern für eine Nacht daheim von uns verabschiedet. Er ist mit Vera zu Dani zurückgefahren. Erst spricht die Gruppe am Heurigentisch von Regeln, die man nicht brechen darf. Bald aber davon, wie schwer es für Deisi wird, ein zweites Mal aufzubrechen. Heute wissen wir, es ist im Vergleich zu dem Grund, aus dem er eventuell jeden Moment heim nach Oberösterreich muss, ein Kinderspiel. Davon weiß der Heurige Seltenhammer in Paasdorf gestern Abend noch nichts.

  • "No stories" (Love&Fist)
  • "Nowhere Train" (Ian Fisher)
  • "Folsom Prison Blues" (Johnny Cash)
  • "I Take You In" (Frenk Lebel)

Die Sonne geht dorthin, wo man schon eine ganze Nacht lang von ihrer Wärme geträumt hat. Der Heurige Seltenhammer wiederum genießt die erfrischende Dämmerung. Der Innenhof ist gut besucht und angenehm überrascht.

  • "Annabelle" (Gillian Welch)
  • "Big Time" (Frenk Lebel)

Der Tisch mit den Jungen steht etwas abseits im finstersten Eck des Gastgartens. Bei "Big Time" geht Sabine, Billi und den anderen ein Licht auf und sie setzen sich zu denen, die eigentlich die Peinlichen sind. Es gibt Wünsche.

  • "Out On The Weekend" (Neil Young)
  • "Moon Shadow" (Cat Stevens)
  • "Just Because" (Love&Fist)

Der Heurige Seltenheimer singt unaufgefordert mit. "What a wonderful day. What a wonderful night". Es ist Sonntag und schon spät. Morgen ist Montag. Alle bleiben.

  • „Nine to Five“ (Ian Fisher)

Billi wird morgen am Feld der Eltern bei der Erdbeerernte helfen. Sabine ist gerade gekündigt worden, weil der Gastronomiebetrieb, in dem sie lange an der Rezeption gestanden hat, nicht mehr geht. Werners Vater Werner will die Rechteverzichtserklärung wegen des Bildnisschutzes ganz genau lesen. Es handelt sich um eine Art Vertrag, die Clemens und Peter von allen brauchen, die sie im Bild haben. Werner versteht das natürlich. Aber er hat schon viel erlebt und will nicht, dass ihm Folgen erwachsen. In Zeiten wie diesen kann man nie wissen. Wir finden, das ist sehr richtig und jeder, der etwas anderes behauptet, lügt. Stefan und Ian singen an diesem Abend noch viele Lieder, die um dieses Gefühl kreisen.
Der Zug nach Podersdorf geht bald. Wir wissen weder, wo dort spielen, noch schlafen oder essen. Aber wir haben das Gefühl, wir wollen dort hin. Stefan wird gleich in FM4 Connected nocheinmal sagen, dass wir auf der Suche sind. Mal sehen, ob es hilft.
Wir wollen los. Morgen mehr.