Erstellt am: 25. 5. 2009 - 09:16 Uhr
Die Hölle kann so schlecht nicht sein
Eigentlich hätte das AC/DC-Konzert im Ernst Happel Stadion die besten Voraussetzungen dazu gehabt, es in Grund und Boden zu verreißen. In die Jahre gekommene Herren machen quasi noch einmal auf "dicke Hose" und wollen dem Rock 'n' Roll noch mal zeigen, wo der Angus-Bartl den Most her holt.
Wie gesagt, hätte, und allein schon wegen meiner herben Enttäuschung bei The Police stand ich im Vorfeld dem AC/DC-Konzert in Wien mehr als nur skeptisch gegenüber. Das um so mehr, da ich diese Band seit beinah 30 Jahren, als sie mich mit "Back In Black" zu deren Fan machten, immer schon live erleben wollte.
![© Norbert Ivanek Brian Johnson, Angus Young (AC/DC) live im Ernst Happel Stadion](../../v2static/storyimages/site/fm4/20090522/ACDC_ivanek35_body.jpg)
Norbert Ivanek
Als um 20 Uhr 55 das Intro zum Konzert auf den Videoleinwänden gestartet wurde und dort teils allerlei Altherrenfantasien zu sehen waren, durfte man vielleicht noch skeptisch sein. Mit dem Erklingen des ersten Gitarrenakkords von "Rock 'n' Roll Train" war allerdings jeglicher Zweifel schlicht und ergreifend komplett verpufft.
Wie, bitteschön, konnte ich mich denn überhaupt erdreisten, an AC/DC irgendwelche Zweifel zu hegen? Man kann es gar nicht anders sagen, aber ich bezichtige mich hiermit selbst des Sakrilegs, denn was sich da in den nächsten zwei Stunden im Ernst Happel Stadion abspielte, verlangt einzig und allein nach lobend Worten inklusive jeglicher Superlative, die einem in den Sinn kommen.
Dass AC/DC freilich die Creme de la Creme ihrer Hits abliefern würden, war zu erwarten. Nachdem der "Rock 'n' Roll Train" standesgemäß in die Bühne gerauscht war, folgte denn auch das Beste vom Besten, womit sie in über 30 Jahren die Rockgeschichte maßgeblich mitgeschrieben haben. "Hell Ain't A Bad Place To Be", "Back In Black", "Dirty Deeds Done Dirt Cheap" und sogar mein persönlicher all time favorite "Shot Down In Flames".
![© Norbert Ivanek](../../v2static/storyimages/site/fm4/20090522/ACDC_ivanek09_body.jpg)
Norbert Ivanek
Die gelegentlich eingestreuten Songs des aktuellen Albums Black Ice konnten da mit Ausnahme des Titelsongs (ich mag selbigen ganz einfach nicht) durchaus mithalten, die letzten beiden Alben "Stiff Upper Lip" und "Ballbreaker" wurden glücklicherweise völlig von der Setlist verbannt.
Ich wäre ein Lügner, würde ich behaupten, diese ganze Veranstaltung hätte nichts mit Nostalgie zu tun. Die Gefahr, dass eine in die Jahre gekommene Band sich selbst auf der Bühne demontiert und einem damit lieb gewonnenen Songs für lange Zeit verhunzt, ist bei sowas allerdings latent vorhanden und AC/DC setzen nach der ersten Hälfte des Konzerts dem Ganzen noch eines drauf.
Es mag gute Konzerte geben, bei denen es ab der Hälfte vielleicht ein wenig fad wird und am Ende kommt noch mal der große Hit, um alle zufrieden zu stellen. Herausragende Konzerte - und dieses hier war ein solches - bekommen noch einmal einen ordentlichen Schub. Nach dem ruhigeren "The Jack", bei welchem Angus Young zwar seinen Striptease hinlegte, die Unterhose aber an behielt, brachten AC/DC mit "Back In Black" und speziell mit "Shoot To Thrill" das Happel Stadion noch einmal ordentlich zum Kochen. Was sich da rundherum abspielte, sieht man in Wien selten und selbst auf den obersten Rängen hielt es wohl ausnahmslos niemanden mehr auf den Sitzen.
![© Norbert Ivanek Angus Young](../../v2static/storyimages/site/fm4/20090522/ACDC_ivanek22_body_small.jpg)
Norbert Ivanek
We Salute You
Ich war sicher nicht der einzige, der dabei Gänsehaut bekam und bei "Whole Lotta Rosie" nahm besungene Dame in Form einer riesigen aufblasbaren Puppe denn auch auf dem Rock 'N' Roll Train Platz. Nicht einmal das über zehn Minuten andauernde Gitarrensolo bei "Let There Be Rock" konnte mir als Hasser von Gitarrensoli die Stimmung vermiesen. Im Gegenteil, denn was Angus Young da an Kommunikation mit dem Publikum per Gitarre ablieferte, war nichts anderes als die hohe Schule der Kunst des Saitenzupfens.
Nach Zugabe musste danach nicht lange gerufen werden, denn schon nach kurzer Zeit gab es "Highway To Hell" und als krönenden Abschluss (anders durfte das ja gar nicht sein) "For Those About To Rock (We Salute You)" inklusive ordentlichem Kanonenwumms und Feuerwerk.
Diese zwei Stunden im Ernst Happel Stadion waren sicher eines der besten Konzerte, die ich bisher live erleben durfte. Hier passte alles, angefangen bei der Songauswahl bis zum hervorragenden Sound, für den man vor den Tontechnikern ebenso die imaginäre Mütze ziehen muss wie übrigens vor der reibungslosen Organisation rundherum.
Beweisen müssen AC/DC schon lange nichts mehr, dafür, dass sie es trotzdem tun und das auch noch in einer solchen Intensität, muss man ihnen großen Respekt zollen. Das war meilenweit entfernt von irgend einer Altherren-Rockkapelle, die es noch mal wissen will, das war nichts weniger als fulminanter Rock 'n' Roll pur. Die Hölle kann kommen.