Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der Song zum Sonntag: Fever Ray"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

24. 5. 2009 - 07:00

Der Song zum Sonntag: Fever Ray

Zartes Pflänzchen Liebe: "When I grow up"

When I grow Up

When I grow up, I want to be a forester
Run through the moss on high heels
That’s what I’ll do, throwing out boomerang
Waiting for it to come back to me

When I grow up, I want to live near the sea
Crab claws and bottles of rum
That’s what i’ll have staring at the seashell
Waiting for it to embrace me

I put my soul in what I do
Last night I drew a funny man
with dark eyes and a hanging tongue
It goes way bad, I never liked a sad look
From someone who wants to be loved by you

I’m very good with plants
When my friends are away
they let me keep the soil moist
On the seventh day I rest
for a minute or two
then back on my feet and cry for you oooh oh

You’ve got cucumbers on your eyes
Too much time spent on nothing
waiting for a moment to arise
The face in the ceiling and arms too long
I wait for him to catch me

Kryptische Naturverbundenheitsmusik und ebensolche Lyrik könnte eine skandinavische Spezialität sein.

Ein ziviler und urbaner Gesellschaftsentwurf, als der der in den Nordländern in Europa noch halbwegs intakte Wohlfahrtsstaat sich in den deregulierten Industrieländern immer präsentieren lässt, scheint das Bild der erdnahen, mystisch mit den Geistern und Phänomenen der wilden Natur verbundenen KünstlerInnen hevorzubringen. Von der Sami Sängerin Mari Boine Persen bis Björk möchte man an ein Künstlerinnenimage denken, dass von mittelalterlichen Kräuterfrauen bis Trollen und Geistern allerlei Assoziationen dieser Art hervorruft, und dieses mit Modernität (Jazz, Elektronik, moderne Kunst) verbindet. Auch der betont kühle und naturhaft inszenierte Sound von Persens musikalischem Partner, dem Saxophonisten Jan Garbarek, reiht sich in die klanglich Assoziationskette ein. Und selbst zu Röyksopp kann man sich eine hell erleuchtete Mitternacht uaf den Lofoten besser vorstellen, als einen rauchigen Club in Düsseldorf.

Karin Drejer Andersson spielt mit dieser Tradition.

unknown, via Flickr

Schon ihre Stammgruppe, das kryptische Elektronik Duo "The Knife", das sie zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Olof international erfolgreich betreibt, weiß sich zu inszenieren. Die beiden beherrschen das Versteckspiel zwischen Hype, Präsenz und Maskerade, zwischen Regionalität und Internationalität sehr gut. Dreijers Soloprojekt Fever Ray kehrt dem Dancefloor den Rücken und kreiert eine düstere, elektronische Solipsistenmusik - die eher an den frühen Peter Gabriel und seine wabernden Teppiche denken läßt - auf der dann ein geschlechtlich nicht eindeutig zuordenbarer, weil mit Pitcheffekten veränderter Gesang liegt. Auch an die monadische Kate Bush - obwohl musikalisch verschieden, doch gesanglich inspirierend - musste ich stellenweise denken.

theremoteview.wordpress.com

When I grow up

"When I grow up" handelt von Natursehnsucht und Selbsterlösung gleichermaßen. Sie sehnt sich nach dem rauhen Leben an der Meeresküste, nach den Krebsen und nach dem Durchwandern des Mooses auf Stöckelschuhen. Und von Sehnsucht nach der Liebe Einer Liebe, die man vertrauensvoll in ihre Hände legen kann, denn jetzt schon ist die Erzählerin diejenige, denen die Pflanzen anvertaut werden, wenn die Freunde im Urlaub sind, weil sie die "Erde feucht halten kann". Wenn sie erst erwachsen ist, wird sie sich als Försterin um die Natur kümmern, und um die Liebe. Wie sie mit der Natur umgehen kann, so wird auch die Liebe von ihr gepflegt, sie legt schließlich Seele in das, was sie tut.

Der Song Zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der "Presse am Sonntag" und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.

Wir anderen haben "Gurken auf den Augen", wir sehen nicht, was das Wesentliche ist. Wir haben zuviel Zeit damit verbracht, auf einen bedeutenden Moment - auch auf den bedeutenden Moment der Liebe - zu warten, als dass wir ihn noch erkennen könnten. Doch es ist nicht zu spät: Wie das Meer, das Moos und die Pflanzen, können wir auch das zarte Pflänzchen Liebe in ihre Hände legen - wenn sie erst Erwachsen ist, wird sie dies für uns regeln und mit uns die große Umarmung erwarten.