Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Nowhere Train Phillipp"

Hosea Ratschiller

Unterwegs im Nowhere Train

23. 5. 2009 - 13:49

Nowhere Train Phillipp

Haus im Ennstal - Kleinreifling

Der Nowhere Train

Die Musiker des Nowhere Train

Jenseide

Fünf Musiker, zwei Filmer und ein Autor bereisen von 17. bis 28. Mai 2009 mit dem Zug ungewöhnliche Orte in acht verschiedenen Bundesländern in Österreich. Aus der Reise, den Konzerten und Zusammentreffen der Menschen entsteht ein künstlerisches, multimediales Portrait des Landes.

Nachzulesen immer hier:

Das erste Konzert in der Geschichte des Universums in Haus im Ennstal findet in Schladming statt. Man hat sich entschieden auf dem Platz vor dem Rathaus ein Denkmal zu Ehren der Gefallenen der Weltkriege zu errichten. Das Eingangsportal des monumental überdimensionierten Steinpavillons empfängt interessierte Besucher mit "Heimatgedanke. Für dich gaben wir unser Leben". Wir gehen lieber auf den Spielplatz gegenüber und das Konzert beginnt dort in einem hölzernen Spielhaus, auf dem vorne draufsteht "Ich will ficken". Das zählt auch.
Dieser Tagebucheintrag entsteht im Raucherraum der Pension Bichlbauer in Weyer am Vorabend des Seewiesenfestes. Die Band will noch mit Philipp üben, der aus Haus im Ennstal mitgefahren ist und morgen Vormittag am Marktplatz in Weyer und später am Seewiesenfest mitspielen soll. Aber der Reihe nach.

Julia hat in der Kleinen Zeitung gelesen, dass wir überall in der sogenannten Nordweststeiermark spielen, wo man uns ein warmes Essen und eine Abholung vom Bahnhof schenkt. Sie und ihre Freundinnen und Freunde haben beschlossen, das ist nicht zuviel verlangt und uns eingeladen.

  • "Nowhere Train" (Ian Fisher)

Eine Reisegruppe aus Norddeutschland wird über den Rathausvorplatz Richtung Gefallenendenkmal geführt. Sie bemerken die außergewöhnlichen Vorgänge rund um das klaustrophobisch kleine Spielhaus und wollen zum Leidwesen der Führungskraft lieber stehenbleiben.

Musiker spielen auf einem öffentlichen Platz

Jenseide

  • "Big Time" (Frenk Lebel)

Frenk singt die unentschlossen zwischen Aufbruch und Verweilen pendelnde Reisegruppe an "I Miss You, Miss You, Miss You, Miss You, Miss You Big Time". Die Führungskraft setzt sich in dem Moment durch, in dem Frenk, bereits auf Knien rutschend angelangt ist bei "I try to stay connected. But the circus is broken down". Trotzdem werden es konstant mehr Menschen, die das Holzhäuschen dem Steinpavillon vorziehen. Die Band entschließt sich, dem Auditorium näher sein zu wollen und wandert an der Schaukel vorbei unter eine majestätische Weide. Deisi würde mich an dieser Stelle wegen des Wortes "majestätisch" schief anschauen und murmeln "Natur halt".

Musiker in einem kleinen Holzhäuschen auf einem Spielplatz

Jenseide

  • "No Stories" (Love&Fist)

Stanzel, von dem wir uns in Salzburg für einen Tag verabschiedet haben, schickt ein SMS. Er ist auf dem Weg zu einem Konzert mit der Ernst Molden Band, das schon lange vereinbart war. "Zugfahren ohne euch ist ein Schas". Die Band reagiert.

  • "Marie" (A Life, A Song, A Cigarette)
  • "Annabelle" (Gillian Welch)

Philipp kennt Gillian Welch noch nicht, obwohl sie viel mit Ryan Adams gesungen hat, dessen Musik er sehr liebt. Auf der Autofahrt nach Haus im Ennstal ist dieser Herr Adams ein Katalysator für die Erkenntnis, dass Philipp Ian vor wenigen Wochen auf myspace geaddet hat. Ian war damals neugierig, wer dieser Philipp Szalay wohl sein mag und dann angenehm überrascht von dessen Musik. Heute treffen sie einander.

  • "Folsom Prison Blues" (Johnny Cash)
  • "Take Me In" (Frenk Lebel)

Schon wieder Regen. Frenk singt "I acted like a dinosaur, proving the thickness of its skin", Schirme werden verwendet und manch empfindlicher Holzkorpus darf unter das Vordach des Rathauses. Julia hat uns am Bahnhof schon erzählt, dass sie am Vormittag bei der Stadtverwaltung angerufen hat, um zu fragen, ob es ein Problem sei, wenn ein paar Musiker irgendwo in der Stadt aufspielen. "Überhaupt nicht. Endlich tut sich einmal etwas in Schladming". Vor der Rathaustür geht es weiter.

  • "Take Me In" (Frenk Lebel)
  • "Ship Song" (Nick Cave)

Eigentlich haben wir keine Zeit mehr. Julia und die anderen haben gekocht und wir müssen nach Haus.

  • "Behind The Times" (Love&Fist)

Eigentlich hat Philipp keine Zeit. Zu dringend muss morgen endlich der Beachvolleyballplatz im Freibad in Schladming renoviert werden. Aber die Musik, die da Tortillas und Salat in den Magen begleitet ist zu außergewöhnlich schön, als dass wir ihn in Haus lassen könnten. Seine Schwester Kathrin singt auch extrem super. Aber auf die schriftliche folgt bekanntlich die mündliche Matura und zwar bald. Und so packt in diesem Jahr vorerst nur Philipp seine Sachen und wir brechen in dem Gefühl auf, etwas unbegreiflich Schönes im Gepäck zu haben.
Die Band ist längst mit Proben fertig. Man hat schnell befunden, dass es schon wird und das wird es auch. Weil heute heute ist und noch nicht morgen schreibe ich, dass wir morgen Vormittag, obwohl es heute war, in Weyer am Bauernmarkt erwartet werden und später beim Seewiesenfest. Das hat sich 1992 als Geldbeschaffungsaktion für die Anwaltskosten einer Protestbewegung gegen die Errichtung eines Ölbohrturmes am Bodenwies gegründet und war lange nicht sehr beliebt im Ort. Nicht nur einmal haben Skeptiker Wagenladungen Jauche im Umfeld des Geländes platziert. Heute freut sich schon immer die ganze Gegend darauf. Und weil wir auch in der Gegend sind, freuen wir uns mit.

Musiker mit Gitarre in einem Bus

Jenseide

Übermorgen, morgen, Sonntag werden wir übrigens eine Übernachtungsmöglichkeit nahe Paasdorf in Niederösterreich brauchen, wo wir am Marktplatz und auf der Installation "Die Entdeckung der Korridore" von PRINZGAU/Podgorschek spielen werden. Wir bevorzugen kleine Häuser in der Nähe von guten Spielplätzen. Kontaktaufnahme bitte via office@jenseide.com.

Gute Nacht. Guten Tag. Übermorgen, morgen mehr.