Erstellt am: 23. 5. 2009 - 19:00 Uhr
Die FM4 Charts vom 23. Mai 2009
mit Robert Zikmund
Ich habe die letze Woche viel über "Alter" nachgedacht. Also nicht im naheliegenden Sinn, etwa dass meine Blütezeit rein biologisch auch schon wieder rum ist, sondern mehr begrifflich und definitions-bezogen.
So führte ich unlängst mit geschätzten Kollegen eine Diskussion ob "jung" in der Bewertung künstlerischen Schaffens irgendein Kriterium sein kann. Der konkrete Anlass war jener, dass die neuen Conor Oberst Songs schon fast ein bisschen Richtung Neil Young gehen, und damit dem Klischee dessen entsprechen was Jünger der "Immer einen Schritt Voraus Schule" gern als Altmänner Musik abtun.
Damit habe ich große Schwierigkeiten.
Würde man jung hier als bloßes Pendant für "frisch" oder "innovativ" verwenden, könnte man noch immer einwenden dass "Lagerfeuer"-Musik mit Gitarre (die im schlimmsten Falle noch ein heterosexueller Mann (verzeihung, polemik) macht) um einiges dringlicher sein kann als der 19te Dubstep Remix von einem Seven Nation Army Sample. Sonst wäre wohl 15 Jahre nach Kruder&Dorfmeister nicht plötzlich eine Band wie die Fleet Foxes Sound des Jahres 2008.

Conor Oberst
Nein, mein vorrangiges Problem ist, dass die nüchterne Größe "Anzahl der gelebten Jahre" von vielen Menschen die sonst sehr vernünftig sind ernsthaft als Selektionskriterium für zu viele Dinge gebraucht wird. Und ich mag jetzt gar nicht soweit gehen etwa Johnny Cash zu strapazieren, der muss eh für genug Blödsinn herhalten, andererseits war der als hochbetagter Mann am Ende seines Lebens wohl im Herzen jünger als so manche "Jugendsprecher" unserer politischen Parteien.
Nein, mein Punkt ist: In einer Zeit wo mit Filmen wie dem großartigen "Tintenfischalarm" bereits klargestellt wurde, dass kein Mensch mehr diese klaren "schwarz-weiss, mann-frau" Dualitäten braucht, es ja wohl hirnrissig ist wenn man sich jetzt verstärkt auf die zuletzt verbliebene "alt-jung" Polarität setzt. Also am besten die Jahrgangs-Manie in die gleiche historische Rumpelkammer wo schon der Chauvinismus, die Homophobie und der Hausverstand liegen.
Alter ist keine Leistung, jung sein aber auch nicht.
Umso vorbildlicher die Mischung unserer heutigen Neuvorstellungen der Charts.
Während Moby und Depeche Mode auf ein Durchschnittsalter kommen wo die private Krankenversicherung schon teurer wird, kommen Autokratz und Boy Crisis aus der anderen Ecke.
Vorne an der Spitze schaffen es Official Secrets Act im zweiten Anlauf aufs Stockerl, Platz 3 für "The Girl from the BBC". We Have Band verbessern sich um einen Platz und bleiben mit "Oh" in Lauerstellung auf Rang 2, die neue Nummer eins von FM4 kommt diese Woche wieder mal von der Bloc Party – "Signs" im Armand Van Helden Remix schafft es heute ganz nach oben.
Ein schönes Frühsommer-Wochenende euch Allen!