Erstellt am: 22. 5. 2009 - 18:43 Uhr
Fußball-Journal '09-36.
Über die Merkwürdigkeiten die im Abstiegs-Kampf der Bundesliga stattfinden, und was das mit selfulfilling Verschwörungs-Theorien, Obrigkeitshörigkeit und einer Unfähigkeit sowas wie Unvereinbarkeiten in der Führung betreffend zu tun hat.
Dieser Tage Jürgen Patocka sein ist garantiert nicht sehr lustig.
Nicht weil ihm gestern, im vorentscheidenden Spiel der vorletzten Meisterschafts-Runde drei Fehler unterliefen, die zu drei Toren und damit zur Niederlage seiner Mannschaft führten.
Sondern weil ihm dabei Absicht unterstellt wird.
Und man kanns niemandem verdenken, sich was zu denken.
Dazu sind die Umstände zu unglücklich verkettet.
Die Schuld daran haben andere; die sich sowieso auch ärgern und auch deppert anreden lassen müssen, von denen, die's wissen. Trotzdem sind die wohl ganz froh, dass es - nach außenhin - einen echten Sündenbock gibt, an dem man alles abladen kann; noch dazu einen, den sich Hazeh Strache ausgedacht haben könnte: potschert, ungelenk, ideal um als Deschek herzuhalten, an dem man blöden Populismus ausleben kann.
Aber der Reihe nach...
Nachdem im Nachhall der Kärntner Wahlen klar wurde, dass sich das BZÖ weiter einen Bundesliga-Klub leisten wird (trotz oder gegen eines/n FP-Präsidenten), kristallisierte sich ein beinhartes Abstiegs-Duell in der obersten Fußball-Liga heraus: Mattersburg vs Altach.
So ein Abstieg ist kein Lapperl.
Man sackt zunächst einmal in ein sportliches Fegefeuer ab - in die sogenannte 1. Liga, ein in sich zerrissenes Hybrid aus großmannsüchtigen Lokalfürsten, abgetakelten Diven, wohlstandsverwahrloster B-Teams großer Player und ein paar weniger eifriger Produzenten eines Ausbildungs-Ligen-Denkens.
Man kippt damit auch in eine ökonomisch schlechte Lage: TV&Werbe-Gelder werden massiv gekürzt, die Gagen werden schlechter, man muß Ausländer/Jugendbestimmungen erfüllen, einige Fans fühlen sich als zweitklassig und saufen deshalb lieber anderswo, etc etc.
Wer da nicht höllisch aufpaßt ist in einer rettungslosen Abwärtsspirale nach unten versunken.
Dies gilt es, auch weil so ein Ereignis hunderte, womöglich tausende Menschen betrifft und eine ganze Region wirtschaftlich beeindrucken kann, also mit allen Mitteln zu verhindern.
Der Fall Altach
Die Mittel, die Altach verwendete, schienen dubios. Entgegen aller doch schon strenger gewordenen budgettechnischen Auflagen butterte man in Vorarlberg in der Winterpause eine Unmasse an Geld in die Verpflichtung von 8 neuen Spielern (darunter 5 Ausländer, dazu ein 40jähriger und ein aus dem Ausland Heimgeholter, der sinnigerweise wegen Rekonvaleszenz kein einziges Spiel bestritt!).
Die interessante Frage woher das Geld dafür denn stammen würde war schnell klar: nicht vom klammen und auch strikt alemannisch geführten Verein, sondern womöglich von einem "Freund" des neuen Trainers. Das mag in der Abwicklung gerade noch legal sein (allerdings war um diese Affäre immer eine Spur zuviel Augenzwinkern in der verhaberten Runde von Funktionären, Sportlern und Journalisten dabei) - ist aber natürlich eine klare Wettbewerbsverzerrung.
Das war Altach, den straighten Gsibergern, und natürlich auch Trainer Zellhofer egal. Der hatte hier plötzlich das, was er für Ried gefordert hatte: Verstärkungen. Wohl weil Franz Grad, vormals Pasching-Chef und Lizenz-Verkäufer an Jörg Haider, plötzlich im Umfeld aktiv wurde.
Genützt hats nix: die neuen Legionäre/Oldies waren nicht wesentlich besser als die alten.
Die SV Ried, die Zellhofer zu schlecht besetzt war um sich mit ihr einzulassen, ist übrigens 5. und hat sogar noch eine Chance auf einen internationalen Startplatz - ganz ohne Zellhofer und Grad und wettbewerbsverzerrende Maßnahmen.
Der Fall Mattersburg
Der SV Mattersburg, geographisch, ideologisch und ökonomisch ganz am anderen Ende des Landes/der Skala angesiedelt, hat, was Wettbewerbsverzerrung anbetrifft, ganz andere Probleme.
Beim SVM waren Team und Coach nie in großer Veränderungs-Gefahr. Zum einen, weil es hier eben keinen Spendierhosen-Onkel gibt, der Lust an solchen Einflußnahmen verspürt, zum anderen, weil die Burgenländer schon länger Erfahrung im Kampf gegen den Abstieg haben und wissen, dass hysterische Reaktionen zu knapp vor Meisterschafts-Ende wenig bewegen.
Deshalb verlässt man sich auf andere Wege der Einflußnahme.
Das ist zum einen die Nähe zu Rapid Wien.
Mattersburg galt zu Zeiten als der lokale Verein noch in der Landesliga dahindümpelte und viele Pendler nach Wien zur Arbeit, aber auch zum Spiel führen, immer schon als Rapid-Fan-Hinterland.
Nach dem Aufstieg in die 1. Liga, dann die Bundesliga, nützte die Club-Führung das aus um sich ein wenig im Ruhm der ebenfalls in grün-weiß gewandeten Kollegen zu sonnen, bot sich als artiger Nachbar und eifriger Unterstützer an.
Unter anderen diese freundliche Rolle half dem allgewaltigen SVM-Chef Martin Pucher (dem Gründer und Vorstandsvorsitzender der Commerzialbank Burgenland) auch dabei zunächst zum Bundesliga-Vizepräsidenten (unter Frank Stronach) zu werden.
Die Unterstützung der Wiener Groß-Klubs (via Stronach auch die der damaligen Austria) machte Pucher dann zu dessen Nachfolger.
Seit dieser Zeit trägt der SVM, trägt Pucher ein Binkerl am Rücken, das beide wegzuquatschen versuchen wie's geht: die Unvereinbarkeit einer objektiven Präsidentschaft eines wichtigen ökonomisch/sportlichen Trägers wie der Profi-Liga mit der Funktion als Vereins-Präsident.
Das Problem des Bundesliga-Vorstands
Davon diesen Job hauptamtlich an eine weisungsungebundene Fachkraft, an einen unabhängigen Geschäftsführer mit präsidialer Macht zu übertragen, davon wurde zwar immer wieder geredet - letztlich war es der gerne apathischen Liga und den nur am Bad in der Öffentlichkeit interessierten präsidialen Vertretern aber immer ein bisserl gar zu sehr wurscht.
Selbst als mit Georg Pangl ein als "Bundesliga-Vorstand" geführter General Manager installiert wurde, gab es nur wenige, die anmäkelten, dass der Burgenländer Pucher hier einen Landsmann besetzte - das hat auch mit der an sich unbestrittenen Kompetenz von Pangl zu tun.
Kompetenz als Wirtschafts-Boss hat Pucher auch, keine Frage, politisches Geschick auch - aber wie immer, wenn sich eine Gruppe lang genug über bedeutende Richtlinien des Anstands hinwegsetzt, wird sie unempfindlich gegenüber Objektivierungs-Versuchen.
In dem Moment, wo Kärnten politisch und damit wirtschaftlich aus dem Schneider war, gab es in der Szene eine grienende Mund-Propaganda, die es als fix ansah, dass jetzt nur Altach absteigen könne.
Denn, so lautete die Denke: das Liga-Machtzentrum mit Pucher und Pangl an der Spitze würde einen Abstieg der Mattesburger nicht zulassen; man würde in allen erdenklichen Bereichen Einfluß nehmen.
Die Verschwörungs-Theorie als Selbsterfüller
Altach-Trainer Zellhofer nahm diese Verschwörungs-Theorie so ernst, dass er selber eine sich-selbst-erfüllende Prophezeiung draus machte: sein ständiges Geseier über die gemeinen Schiedsrichter führte bloß dazu, dass die genervten Schiris bei Spielen mit Altach alles noch besser machen wollten, verkrampften und deshalb mehr Fehler begingen. Klassischer Fall eines selbstverschuldeten Rückstoßes.
Andererseits war sich die bis dahin wirklich am Boden liegenden Mattersburger durch das (gefühlte) Wissen um den Einfluß der Vereins(=Liga)-Bosse so sicher, dass es plötzlich klappte mit der Entkrampfung.
So gesehen hat die Abteilung "widerlicher Tratsch" doch einiges bewirkt.
Aber es wäre einiges im Dubiosen hängengeblieben (womöglich wären noch die Illuminaten, Asylanten, Gutmenschen und Holocaust-Opfer schuld gewesen, man will es gar nicht wissen, und insofern danke ich dem He-Man für sein Opfer) hätte dann nicht gestern die logische Achse Rapid-Mattersburg für den finalen Paukenschlag gesorgt.
Dass der Vize-Meister daheim gegen den Vorletzten verliert und ihn damit (so gut wie sicher) rettet - das schaut sehr nach einem Freundschafts-Dienst und sehr nach Wettbewerbsverzerrung aus.
Rapid startete mit 11 Akteuren, die heuer folgende Anzahl von Liga-Einsätzen hatten:
12; 33-22-31-16; 29-7-13-11; 33-34.
Auch das unglaublich nervige und selbstmitleidige Ausreden-Blabla des Rapid-Trainers nach dem Spiel, der wegen einiger Ausfälle von fehlender Qualität sprach (wobei ganze zwei Spieler in der Anfangs-Formation standen, die sonst gern die Bank drücken), bestätigt nur das schlechte Gewissen.
Schiebung wegen Altenrhein?
Dass Jürgen Patocka, 32, gestern auch noch Kapitän, Wiener mit Vorarlberger Frau, die er in seinen Jahren bei Lustenau kennenlernte, lange Jahre beim SV Mattersburg spielte, ehe er zu Rapid kam, sieht deshalb schlecht aus, weil er gestern alle drei Gegentore verschuldete. Dem 0:1 von Mörz ging sein Ballverlust allein vorm Tor voraus, beim 1:2 ließ er (ebenso wie Pehlivan und Eder) Atan unbehindert vorbeisolieren und das dritte Tor passierte nach einem überflüssigen Elfer-Foul an Hoffer; einem Foul von ihm, Patocka.
Auch dass Maierhofer in der 29. Minute quasi händeringend um die Rote Karte bat, hatte keine gute Optik. Da fehlt es an Reife...
Und, am Rande, natürlich "Gratulation" an die Rapid-Hools für diese Aktion ausgewiesenster menschlicher Inkompetenz.
Sieht aus wie geschoben, keine Frage.
Was Zellhofer und andere, gestern und heute wohl noch mit Schaum vorm Mund, dazu gesagt haben, ich wills nicht wissen. Wie wenig geschickt sich Rapidler und Matterburger mach ihrem Freundsch..., äh Meisterschaftsspiel verhalten haben, auch das möcht ich nicht erfahren.
Aber auch die blöden Sprüche der Liga-Ost-Österreicher dass man sich jetzt endlich die anstrengenden Altenrhein-Flüge spart, möchte ich überhören.
Ich denke, nach dem was ich heute nachträglich vom Spiel gesehen habe, dass da nix absichtlich geschehen ist.
Patocka ist eben in jedem Spiel für zwei bis fünf solche Böcke gut - sie haben halt meist nicht diese Wirkung. Rapid ist keine gefestigte Mannschaft, weil sie kein Coaching-Konzept haben. Noch dazu stand das Match einige Male echt auf der Kippe - nach der Halbzeit als man ausglich und besser wurde, nach dem Anschlußtreffer in der Rapidviertelstunde, oder als Maierhofer in der letzten Minute unter Garantie nicht absichtlich nur sehr knapp drüberschoß.
Oder doch: dumm gelaufen!
Ich denke, dass da viel dumm gelaufen ist, weil die äußeren Umstände es herbeigeführt haben.
Wenn Menschen, auch Fußballspieler, das Gefühl haben in einem System der Klüngel zu agieren, ohnmächtig und gegen Wände laufend, dann passieren solche Dinge eben: ständig nur den Schiri anschuldigende Altacher, gernervte und deshalb schlechte Referees, wegen der Freundschaft unsichere Rapidler, aber auch grundlos selbstbewußte Mattersburger.
Dasselbe Modell lässt sich im übrigen auch auf den aktuellen politischen Diskurs anwenden...
Sie reagieren so wie alle Österreicher, obrigkeitshörig und unterwürfig denkend, werden sie letztlich das fabrizieren wovon sie annehmen, dass es denen da oben recht sein könnte. Um dann nur Sekunden danach sich selber ad absurdum zu führen und alles zu bejammern und zu beklagen; am besten unter Einsatz eines Sündenbocks.
Patocka ist aber nicht schuld.
Schuld sind die Altach-Chefs, die es zugelassen haben, dass sie von ihrem neuen Coach und seinen Hintermänner gehijackt und in eine sinnlose Materialschlacht geworfen werden.
Schuld ist der Mattersburg-Präsident, der auch Bundesliga-Präsident ist und nichts dabei findet, eine unvereinbare Verantwortung zu übernehmen. Schuld sind die, die das zugelassen und befördert haben und sich dabei auch noch grinsend als "Unbeteiligt" maskieren, wo doch alle wissen, dass die Vorarlberger Vereine im Oberhaus wegen der enormen Reisekosten unbeliebt sind.
Der Sündenbock, Jürgen "He-Man" Patocka, gilt als bescheiden, in vielerlei Hinsicht. Vielleicht findet sich ja jemand in seinem Umfeld, der ihm verständlich machen kann, dass nicht er der Böse oder der Täter ist.
Das wirklich Schlimme an diesem Fall ist, dass hinkünftig jede sportliche Entscheidung, die gravierende Folgen hat, einen bitteren Beigeschmack bekommt; dass der Odem der balkanesischen Schieberei Einzug in die österreichische Bundesliga gehalten hat, mitten in Europa, mitten im 21. Jahrhundert.
Dass das passiert, obwohl es wahrscheinlich gar keine absichtliche Wettbewerbsverzerrung in diesen letzten Runden stattgefunden hat, ist nicht von Belang.
Von Belang ist, dass das Instrumentarium für eine solche Wettbewerbsverzerrung vorhanden ist, allgemein abgenickt wurde und jederzeit eingesetzt werden kann.
Das wissen wir jetzt sicher.