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Hosea Ratschiller

Unterwegs im Nowhere Train

22. 5. 2009 - 17:55

Nowhere Train: Salzburg - Haus im Ennstal - Weyer

Rollschuhfahren mit Britney.

Der Nowhere Train

Die Musiker des Nowhere Train

Jenseide

Fünf Musiker, zwei Filmer und ein Autor bereisen von 17. bis 28. Mai 2009 mit dem Zug ungewöhnliche Orte in acht verschiedenen Bundesländern in Österreich. Aus der Reise, den Konzerten und Zusammentreffen der Menschen entsteht ein künstlerisches, multimediales Portrait des Landes.

Nachzulesen immer hier:

Er ist Rauchfangkehrer. Und er sieht erstmals auch das Wohnzimmer des Hauses, in dem er sieben Jahre lang den Kamin betreut hat. Damals war es noch das einzige Haus weit und breit. Alle haben gesagt: "Was für eine idiotische Idee, ein Passivenergiehaus. So etwas passt nicht hierher". Heute ist der Holzriegel Fertigteilbau das Zentrum einer Siedlung am Rande von Seekirchen nahe dem Wallersee. Im letzten Jahr haben Dagi und Willi einen Energiepreis gewonnen. Der Rauchfangkehrer ist vor ein paar Monaten von einem Dach gefallen. Dabei hat er sich schwer verletzt, ist im Krankenhaus gelegen und musste, abgesehen von den Schmerzen und der Sorge um den kleinen Sohn auch mit der Aussicht auf mehrere Monate Arbeitsunfähigkeit klarkommen. Die Firma hat ihn dann noch während seines Krankenhausaufenthaltes mit der Begründung gekündigt, er hätte keinen Führerschein. Nach dem Konzert bittet er Ian, er soll mit ihm gemeinsam "Father and Son" singen, weil sein Sohn heute irgendwo Geburtstag hat. Das macht der. Die Katze schleicht vorbei. Sie heißt Intercity.

Wir sind zurück im Nowhere Train.

Salzburg Hauptbahnhof – Salzburg Süd

Spätestens, als wir damit beginnen, die Band und ihre Instrumente mit dem Elektroboot auf die schwimmende Sprungturminsel draußen am See zu transportieren, hat die Anspannung der vergangenen zwei Tage ausgespielt. Als dann auch noch mit jeder Schiffsladung das Publikum anwächst, ist fast vergessen, dass wir beinahe den falschen Zug erwischt hätten. Was dort am See genau gespielt wurde, kann ich als Fährmann leider nicht wiedergeben. Ähnlich ergeht es all den Menschen, die nicht mehr hinausgekommen sind, weil die Insel schon so voll war, dass sie zunehmend in eine bedenkliche Schräglage geraten ist. Wolfgang, der Rettungsschwimmer kann das nicht mehr verantworten. Er ist netterweise länger geblieben, um zu retten, was zu retten ist. Es ist nichts und so folgen wir unversehrt der Einladung unserer bezaubernden Gastgeber Dagi und Willi, nebst Tochter Jana, die Uma Thurman ist. Es soll noch ein zweites Konzert im Garten vor dem Energiesparhaus geben, für alle, die die Insel zum Kentern gebracht hätten.

Jenseide

Das Gewitter zieht schon auf, als wir noch am Rückweg sind und bald fallen die ersten Tropfen auf das hölzerne Giebeldach. Die Architekten hätten aufgrund ökologischer und ästhetischer Überlegungen gerne ein Flachdach gebaut. Bei einer Besprechung legt die Bauaufsicht aber eine Klarsichtfolie mit Giebeldach über den Plan und beschließt: "So schaut ein Haus aus." Jakob meint heute beim Frühstück, das aufgesetzt wirkende Dach gebe dem Haus einen charmanten Charakter.

Jenseide

Hallein – Golling Abtenau – Werfen

Nachdem man entschieden hat, sich dem Regen nicht schutzlos auszuliefern, beginnt das, was das zweite Konzert des Tages werden wird. Die Band wirkt noch leicht seekrank, Frenk setzt sich in die Mitte des Wohnzimmers und fängt einfach an.

  • "Finding You" (Forster/McLennan)
  • "I Promised Myself" (Nick Kamen)
  • "Before I Knew You" (Frenk Lebel)
  • "The Will Of The Wind" (Frenk Lebel)

Ian findet Platz für Ausdruck neben seinen Kopfschmerzen und gesellt sich dazu.

  • "Seeing Is" (Ian Fisher)

Dann erleben ein Rauchfangkehrer und seine Frau, Dagi und Willi, Uma Thurman, Harald, der auch Geburtstag hat, Babsi und Regina, die in der Rockhouse-Bar schon dabei waren und uns helfen wollen, falls wir im Herbst noch einmal auf Tour gehen wollen, Elisabeth und Sonja, die Ian schon länger kennen und noch 20 Personen mit Namen und Geschichten, wie die Band ein fein ausbalanciertes Set spielt. Irgendetwas machen sie heute anders. Vielleicht hat es mit der Müdigkeit zu tun, die manchmal ein ausgesprochen brauchbarer Partner sein kann, wenn es darum geht, sich zurückzunehmen ohne zu verschwinden. Jedenfalls häufen sich die magischen Momente in beinahe beängstigender Weise. Das Zusammenspiel wird getragen von gegenseitigem Respekt und der Lust, sich selbst und die anderen wahrzunehmen. Wäre ich ein Geistlicher, ich würde sagen, die Band hat sich gestern erkannt. Bin ich aber nicht und so sage ich: Geil!

  • "Just Because" (Love&Fist)
  • "Nowhere Train" (Ian Fisher)
  • "Annabelle" (Gillian Welch)
  • "Ship Song" (Nick Cave)
  • "Big Time" (Frenk Lebel)
  • "Father and Son" (Cat Stevens)

Bischofshofen

Wir müssen auf Schienenersatzverkehr umsteigen. Das Ziel ist Schladming, wo Julia uns abholen wird. Sie ist unserem Aufruf gefolgt und wird dafür sorgen, dass heute Nachmittag erstmals in der Geschichte des Universums eine Band in Haus im Ennstal spielen wird.

Bevor wir aussteigen müssen, will ich noch kurz eine Geschichte erzählen, die lückenlos illustriert, welchen Stellenwert Sex auf dieser Tournee hat. Deisi hat heute Morgen beim Frühstück offenbart, er hätte vor Jahren, als sie ihm noch gut gefallen hat von Britney Spears geträumt. Er war mit ihr Rollschuhfahren.

Zum Schluss noch ein großes Dankeschön an Willi für alles, vor allem aber für die Übernachtungen in dem Hotel, in dem er als Direktor arbeitet. Es war für die Meisten von uns das erste Mal, dass wir nach einem Auftritt an so einem Ort untergebracht wurden, ohne zu zahlen.

Am Nachmittag geht es dann weiter nach Weyer, wo morgen Vormittag ein Konzert am Marktplatz stattfinden soll. Dann geht es weiter nach Kleinreifling, wo wir das Seewiesenfest eröffnen dürfen. Wenn ich "wir" sage, ist immer auch Stanzel gemeint, der aber körperlich leider nicht anwesend sein kann. Er hat schon länger einen Auftritt mit Freunden (Ernst Molden, Willi Resetarits, Hannes Wirth, Sybille Kefer, Heinz Kittner, Walther Soyka) in Pernitz ausgemacht, den er verständlicherweise nicht absagen will. Am Sonntag kommt er wieder zurück zu uns. Ersetzen können wir ihn sowieso nicht. Also versuchen wir es erst gar nicht. Ändern muss sich trotzdem etwas.

Der Bus ist da. Morgen mehr.