Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Nowhere Train: Hall in Tirol - Salzburg"

Hosea Ratschiller

Unterwegs im Nowhere Train

20. 5. 2009 - 15:48

Nowhere Train: Hall in Tirol - Salzburg

Die Geschichte der Müdigkeit.

Der Nowhere Train

Die Musiker des Nowhere Train

Jenseide

Fünf Musiker, zwei Filmer und ein Autor bereisen von 17. bis 28. Mai 2009 mit dem Zug ungewöhnliche Orte in acht verschiedenen Bundesländern in Österreich. Aus der Reise, den Konzerten und Zusammentreffen der Menschen entsteht ein künstlerisches, multimediales Portrait des Landes.

Nachzulesen immer hier:

An welchem Punkt sich das mit dem Erledigen eingeschlichen hat, kann ich nicht genau sagen. Jedenfalls war alles, was ich im Zug geschrieben habe ein derartiger Mist und hat nach „Jetzt muss ich noch den Tagebucheintrag erledigen“ geschmeckt, dass es wieder keine bewegte Geschichte wird, sondern ein Bericht aus einem klimatisierten Seminarraum in der Salzburger Innenstadt. Es musste nämlich alles gelöscht werden, was bemüht war, Kraftlosigkeit zu verstecken. Gestern und heute hat sich die Musik, das Schreiben und Filmen erstmals seit wir unterwegs sind schwer getan, gegen das Organisieren anzukommen.

Das liegt ganz bestimmt nicht an dem Deus mit dem 3,5 Tonner, der gestern Mittag am Bahnhof in Hall ex machina auftaucht. Gerade haben wir bemerkt, dass unmöglich alle Instrumente in das Auto von Chris vom Stromboli passen werden. Der Engel in Mineralwasserlieferantengestalt macht sich mit dem Satz bemerkbar: „Dann transportieren wir die Instrumente eben mit dem Lastwagen“. Es klingt, als wäre er von Beginn an dabei gewesen.

Es liegt auch nicht an Christian, der heute in Wörgl zusteigt, wo wir ihn vorgestern schon getroffen haben. Er erzählt, er hätte auf Radio Tirol einen Bericht über uns gehört, sich gefreut und gedacht „Schau an, die hab ich gestern erst am Bahnhof spielen gesehen“. Christian geht am 1. Juni los. Er will zu Fuß nach Portugal und wird fünf Schritte für uns gehen.

Die Musiker des Nowhere Train am Bahnsteig

Jenseide

Wer sicher nichts für unsere Müdigkeit kann sind Franziska, Michi, Petra und Carsten, die uns aus Kirchbichl nach Hall nachgereist sind um die Band im Stromboli auch einmal verstärkt spielen zu hören. Vielen Dank!

Ich glaube auch nicht, dass meine Schreibblockade von den Schmerzmitteln herrührt, die mir seit gestern ein Bauchweh bescheren, das zunehmend das Rückenweh verdrängt.

Eigentlich kann es auch nicht wirklich daran liegen, dass gestern der Monitor des Laptops, auf dem Peter und Clemens unterwegs an der visuellen Dokumentation unseres Experimentes arbeiten gebrochen ist. Man hat mich informiert, dass ein gewisses Liquid Cristal ausgeronnen sei.

Alles andere als müde war auch Deisis Version der österreichischen Bundeshymne auf verzerrtem Banjo gestern Abend im Kulturlabor Stromboli.

Der Nowhere Train

Jenseide

Auch das virtuose Musikkabaretttrio „Die Freakshow“ kann wenig dafür. Mit ihnen haben wir uns die Bühne geteilt. Sie beschreiben sich selbst mit dem Satz „Wenn sie nur wüssten, was sie tun“. Uns geht es beim Betreten des Veranstaltungsortes eher umgekehrt. Beim Soundcheck hat sich die Routine dann endgültig in die Gesichter der Band gefressen. Peter meint: „Das ist wie am Flughafen“ Ich fühle mich eher an die beste Schaukel der Welt am Bergbauernhof von „Longo Mai“ erinnert. In den vergangenen Tagen haben wir ordentlich Schwung genommen. Die Reisesituation, der ständige sehr intime Austausch mit den öffentlichen Räumen und einander ist unglaublich inspirierend. Wir sind fast bis zu den Sternen hinaufgekommen. Außerdem ist man uns überall ausgesprochen freundlich begegnet. Gestern Abend im Kulturlabor sind wir zurückgeschwungen. Wahrscheinlich ist es selbstverständlich, dass ein professioneller Veranstalter von Bühnenereignissen und Wirt seinen Protagonisten abgeklärter und zurückhaltender begegnet als ein Vollerwerbsbauer, dem man spontan neben der Weide ein seelenzerfetzend schönes Lied singt, bevor er weitermäht. Wir waren zweieinhalb Tage lang einzigartig, heute werden wir die Band sein, die nach der Band des Vortages spielt und vor der Band die morgen kommt. Aber jetzt sind wir da:

  • Einleitung (Hosea)
  • Just Because (Love&Fist)
  • Nowhere Train (Ian Fisher)
  • Big Time (Frenk Lebel)
  • Near (A Life, A Song, A Cigarette)
  • Annabelle (Gillian Welch)

Die Band bemerkt, dass in der Bühnensituation die Distanz zum Publikum noch nicht auf ähnlich intensive Weise überbrückt werden kann, wie in den Tagen davor auf Straßen, Weiden, in Bauernstuben und Zügen, steckt die Instrumente ab, steigt von der Rampe und spielt im Zuschauerraum weiter. Hinter mir raunt der Wirt dem Tontechniker zu: „Erst machen sie eine Stunde Soundcheck und dann spielen sie im Zuschauerraum..“ Ich ärgere mich erst über die fehlende Bereitschaft, sich auf das, was da passiert einzulassen, einen Tag später kann ich dem Satz aber doch etwas abgewinnen.

Die Playlist des Abends

Jenseide

Beim nächsten Mal Schwung holen könnte es ja auch darum gehen, die Erlebnisse, das Gefühl, die Inspiration so umzusetzen, dass die Gesamterzählung auch als etwas Gewöhnliches im besten Sinne standhält.

Zwischen den Stühlen wird dann gegeben:

  • I take you in (Frenk Lebel)
  • Ship Song (Nick Cave)
  • Marie (A Life, A Song, A Cigarette)

Stanzel ist während “Marie?? aufgetaut. Der Song passt aber auch wirklich wunderbar in die Situation „Smash into pieces, Marie, smash into pieces all the evil things you see??. Die Band hat sich wieder gefangen und kehrt zurück auf die Rampe.

  • Folsom Prison Blues (Johnny Cash)
  • Österreichische Bundeshymne
  • Zugaben:
  • No stories (Love&Fist)
  • Nine to Five (Ian Fisher)

Abends wird dann erstmals seit die Idee loszufahren aufgekommen ist zu acht auf einer abstrakteren Ebene darüber diskutiert, was wir da eigentlich machen.

Herausgekommen ist, dass wir am nächsten Tag in Salzburg unbedingt auf der Straße und in der Rockhouse-Bar spielen wollen. Man darf gespannt sein, wie die Stadt der Musik mit uns wechselwirkt.

Ahmed, der uns vom Bahnhof in die Stadt gebracht hat kommt auch. Wir seien „Birds oft he same feather“ meint er, lacht schallend, als wir ihm erzählen, woher wir kommen und wohin wir gehen.

Stefan und Franz aus dem Computergeschäft kommen auch.
Beginn: halb 9.