Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der Nahe Osten in Wien"

Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

20. 5. 2009 - 18:22

Der Nahe Osten in Wien

In Wien stehen einander seit kurzem Israelis und Palästinenser gegenüber. Everything´s political. Oder doch nicht?

Es ist der neue Hotspot der jungen Wienerinnen und Wiener, macht seinem Vorbild, der Strandbar Hermann, in Sachen Coolnessfaktor Konkurrenz und Besucher abspenstig. Die Skyline der weißen Stadt auf blauem Grund, rechts die Bar, links die Bühne/ Leinwand unter dem Turm, dazwischen Sand, importierte Liegestühle und Sonnenschirme. Er wäre die perfekte Werbung für die Partymetropole des Nahen Ostens schlechthin: Der Tel Aviv Beach auf der Sonnenseite des Donaukanals.

Der Tel Aviv Beach
ist anlässlich des 100. Geburtstages der Stadt den ganzen Sommer zu Gast am Donaukanal. Er liegt auf der Seite des 2. Bezirks direkt beim Ausgang der U-Bahn-Station Schottenring und hat bei Schönwetter täglich geöffnet. Es spielen DJs und Bands, es werden jüdische Filme gezeigt und man kann per gratis W-Lan im Sand surfen

Tel Aviv Beach

Tel Aviv Beach

Tel Aviv Beach

Wäre. Denn da gibt es einige findige Sympathisanten palästinensischer Politik, die gleich gegenüber, auf der Schattenseite des Kanals, die Schattenseite Tel Avivs zeigen wollen: Der Gaza Beach ist zwar nicht immer da, weil er als Demonstration angemeldet werden muss, trumpft dann aber mit einem Checkpoint, Stacheldraht und dem Charme eines "Freiluftgefängnisses" auf.

Eine Marketingkatastrophe

zeichnet sich ab, störten doch die "Palästinenser" durch ihren lauten Protest die Eröffnungszeremonie der "Israelis" und erregen die Aufmerksamkeit der Medien. Österreich war seit Bruno Kreisky nicht mehr so nahe am Nahostkonflikt. Von Friedensverhandlungen allerdings keine Spur. Jeder bleibt schön auf seiner Seite des Kanals und wo die einen Schreien, drehen die anderen gelassen die Musik lauter. "Hier wird Politik mit anderen Mitteln betrieben." sagt Wilhelm Langthaler, Organisator des Protestes. Langthaler ist Gründer der Antiimperialistischen Koordination und lobt schon einmal die Terrororganisation Islamischer Dschihad für ihre "soziale Fortschrittlichkeit".

Seine Kritik: "Es geht darum, Israel und die Stadt Tel Aviv als zivilisiert - im Gegensatz zu den Palästinensern - darzustellen, als Partylocation." Am Tel Aviv Strand werden Palästinenser aber nicht als unzivilisiert dargestellt, es ist nicht einmal die Rede von Palästina - und genau das scheint Langthaler zu stören. Für ihn gibt es nichts unpolitisches, weder an Tel Aviv noch am Tel Aviv Beach.

Unpolitisch oder unterschwellig politisch?

Ich spreche mit Guy Feldman, stellvertretendem Missionschef der Israelischen Botschaft in Wien und Initiator des Tel Aviv Beach. Was sagt er zum Vorwurf der Strandbar als politische Propaganda? "Der Tel Aviv Beach ist eine unpolitische Bühne für gute Musik, gute Filme, gutes Essen. Und wissen Sie was: Sie werden dort nicht einmal eine israelische Flagge finden." Da hat er recht. Und die Speisekarten in hebräischer, arabischer, englischer und deutscher Sprache. Trotzdem fühle ich mich tatsächlich wie mitten in der Propagandaschlacht zwischen Israel und Palästina.

Party on!

Für Guy Feldman steht der Strand am Donaukanal für die weltoffene Stadt Tel Aviv. Die Partymetropole des Nahen Ostens. Bekannt für ihre Architektur und die jährliche Gay Parade. Der Tel Aviv Beach ist Tourismuswerbung. Dass in den knapp 20 Kilometern zwischen dem Strand der Stadt Tel Aviv und dem Westjordanland eine politische Bedeutung liegt, blendet er aus. Wilhelm Langthaler blendet hingegen aus, dass es ein normales Leben im Nahen Osten gibt, einen Alltag abseits von Straßensperren und einem Konflikt, dessen Wurzeln über 90 Jahre zurückliegen. Manchmal ist eine Party halt einfach nur eine Party.
Daran ändern auch die "Absperrungen, militärischen Angriffe, sowie Nahrungs- und Energiemangel" nichts. "Es gibt arabischen Tanz, Straßentheater, das palästinensische Hobby des Drachensteigens wird dargeboten. Das hat auch politischen Charakter, aber das Fest soll nicht zu kurz kommen." beschreibt Langthaler zum Abschied den Gaza Beach. Marketingdebakel? Blödsinn. Es gibt doch keine schlechte Publicity. Am 6. Juni soll wieder protestiert werden. Oder gefeiert.