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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 5. 2009 - 16:49

Fußball-Journal '09-35.

Zu den 23 Thesen der Fußballer-Gewerkschaft.

Die 23 Thesen des VdF im Wortlaut

Die angesprochenen drei Stichworte:
1) Die Wirtschaftkrise erfordert ein Neudenken und Sofort-Handeln, anstatt sich auf alte (bereits überholten) Beschlüsse auszureden.
2) Österreich hat nicht genug wirschaftliches Potential für 20 Profi-Vereine.
3) Die Ganzjahres-Meisterschaft sofort andenken, ehe sie in fünf Jahren eh von der FIFA vorgeschrieben wird.

Heute morgen veröffentlichte die Vereinigung der Fußballer VdF, die heimische Spielergewerkschaft, ihre bereits im April angekündigten 23 Thesen für den österreichischen Fußball, mit denen sie ÖFB, Bundesliga, Experten, Politik und Wirtschaft in einen Diskurs holen will. Sie ist dabei, in zumindest drei ganz zentralen Punkten, auf der absoluten Höhe der Zeit.

Die VdF ist in den letzten Jahren durch einige sinnvolle Maßnahmen und Vorschläge aufgefallen, ihre Ideen verdienen also (vor allem im ideenarmen, rückwärtsgewandten und sich Außeneinflüssen gern verschließenden Fußball-Umfeld) mehr als nur simple Zurkenntnisnahme.

Es wird sich trotzdem kaum jemand öffentlich ernsthaft damit auseinandersetzen: Den Vereinen ist alles außerhalb des eigenen Tellerrands wurscht, die Ligaspitze hat aktuell mit der Schlacht Vorarlberg-Burgenland zu tun, weil sie seit Jahren nicht imstande ist, sich mit einer Spitze zu bewaffnen, die nicht parteilich angreifbar ist und die Politik hat derzeit an der Doping-Front genug zu tun.

Ausbildungsnation Österreich

Aktuell ist maximal der ÖFB Partner, was Nachdenk-Arbeit betrifft - und dessen Macht ist endenwollend. Allerdings überrascht ÖFB-Chef Leo Windtner dieser Tage zum wiederholten Male mit einer Formulierung seines Credos, das zu einer Art Ceterum Censeo wird. Das ist gut so: Auch der Dumpfeste merkt sich das, was dauernd gesagt wird, irgendwann einmal.

Wie Windtner auf die Zahl von genau 76 im Ausland tätigen Österreichern kommt, ist unklar. Allein meine kürzlich hier veröffentlichte, sicher nich vollständige Liste enthält zumindest 90 selektionierbare Namen.

Windtner sprach kürzlich in einem Referat bei einer Tagung in Bad Kleinkirchheim die schwache Rolle Österreichs im internationalen Ranking (sowohl Nationalteam als auch Liga sind im Niemandsland des Unterdurchschnitts) und betonte die Rolle Österreichs als Ausbildungs- und Export-Land.

Und da schloss die VdF heute mit ihren 23 Thesen an. Und weil es keinen Sinn hat, drüber zu koffern, dass sich niemand damit auseinandersetzen wird, ohne es selber zu tun, sollten wir mittenrein gehen.

Dass es mit 10+12 oder 10+10 oder gar 10+16 nicht gehen wird, ist klar, hier ein Annäherungswert an den Stein der Weisen.

Die VdF streicht einen Fakt, den die Liga-Praxis seit Jahren beharrlich leugnet klar heraus: Österreich hat keinen Platz für 20 Profi-Klubs. In weiterer Folge stellt man auch klar, was man unter Profi-Klub versteht: Nämlich das, was international auch drunter verstanden wird, nicht den halbseidenen und von Ausnahme-Regelungen, Augen-Zudrückereien, durch Lizenz-Verschiebungen und andere Kavaliers-Delikte auf österreichische Verhältnisse zurechtgeschliffenen Pseudo-Professionalismus, der hierzulande ja schon in der zweiten Hälfte der Bundesliga beginnt und in der zweiten Leistungsstufe Usus ist.

Die zweite Leistungsstufe, die 1. Liga spielt heute ihre vorletzte Runde.
Die Entscheidungen sind bereits gefallen: Stronachs Magna-Versuch in Wr. Neustadt ist Meister und steigt auf, Leoben und Vöcklabruck haben es wirtschaftlich nicht geschafft (keine Lizenz) und ein dritter Absteiger entfällt, weil die ersten drei der Regionalliga West keinen Aufstiegsantrag gestellt haben.

Nachdenken und schnelles Handeln? Igitt!

Beschleunigt wird dieses Fazit durch die aktuelle Rezession, die halbstarke Konstruktionen noch stärker in Einsturzgefahr bringt, als dies bei den letzten Beschlüssen anno 2007 schon vorauszusehen war.

In diesem Zusammenhang fordert die VdF eine sofortige Inangriffnahme von etwas, was demnächst sowieso passieren wird, einem von seinem Klima aber derart abhängigen Fußballland wie Alpin-Österreich eh schon längt guttun würde: Die - von FIFA-Chef Sepp Blatter eh längst als nötige Maßnahme für alle in Aussicht gestellte - Einführung einer Ganzjahresmeisterschaft.

In diesem Zusammenhang wird auch eine Abkehr von den Kunstrasenplätzen gefordert.

Bei den VdF-Thesen steht der Spieler im Mittelpunkt, und zwar nicht nur der Aktive, sondern auch der Auszubildende bzw. der nach Abschluss der Karriere. Das ist Pflicht einer Standesvertretung und ehrt sie auch - wird aber von den Arbeitgebern sicher dazu verwendet werden, diese Diskussionsbasis in den Dreck zu ziehen; die Sozialpartnerschaft lässt auch hier grüßen.

All die hier angeführten Maßnahmen sind anderswo Teil des Gesamtkonzepts von Ligen und Vereinen -> Problem: es handelt sich dort halt um richtige Ligen und richtige Vereine, nicht um Parodien darauf oder patschert aufgesetzte Spielzeuge ahnungsloser Mächtiger.

Die anderen Kernaussagen der VdF:

Österreichs Nationalteam ist 79. der FIFA-Welt-Rangliste, Nr 37 in Europa.
Die Bundesliga-Vereine liegen in der UEFA-Fünfjahreswertung auf Platz 20 und glänzen in der Top100-Clubrangliste durch Abwesenheit.

Sturm Graz scheiterte unglücklich am FC Zürich (Schweiz, Rang 15), die Austria letztlich verdient an Lech Poznan (Polen, Platz 26), Salzburg deutlich am überlegenen FC Sevilla und Rapid peinlich an Anorthosis Famagusta (Zypern, Platz 23).
Besiegt wurden Kapazunder wie FK Suduva (29), FC Banants (45), WIT Georgia Tiflis (38), Tobol Kostanay (44), Schachtjor Soligorsk (33) und Honved Budapest (35). Sonst halt niemand. Hui!

  • Die VdF will eine Konzentration auf eine vollständig und echt professionalisierte Bundesliga, die dem Ausbildungs-Gedanken verpflichtet ist (incl. dem Bekenntnis zur 6+5-Regel der FIFA).
  • Die VdF will ein Ende der verwaschenen 1. Liga und eine Umstellung von Pseudo- auf Semi-Professionalismus, zudem eine Rückkehr zum Samstags-Spieltermin (auch um Halbprofis einsetzen zu können) und ein Ende der letztlich nur kontrapoduktiven, unfassbar peinlich provinziell anmutenden Live-Übertragungen, strebt stattdessen regionales Vermarktungs-Denken an (wie es im Bereich der Regionalligen teilweise ganz gut funktioniert).
  • Die VdF will ein Ende der diffusen hiesigen Vertrags-/Ablöser-Handhabungen.
  • Die VdF will zumindest eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Amateur-Teams der großen Clubs (die aktuell ja, in absoluter sportlicher Wertlosigkeit, die zweite Liga verstopfen). Die angerissene Möglichkeit einer U20-Meisterschaft ist allerdings durchaus problematisch.
  • Die VdF will ein Ende der Ausnahme/Übergangs- und anderer Schmäh-Bedingungen, die jede Lizensierung zur Farce machen.

Vor allem will die VdF mit ihren Thesen einen Diskurs anstoßen, den es bislang nicht wirklich gibt.
Mit dem ÖFB als womöglich in Handlungsbedarf gedrängtem Partner bietet sich da eine historische Chance.

Es kann also nur noch am Dauerblocker Bundesliga (wo man sich lieber selbstverliebt in Vergleichszahlen mit der eigenen Vergangenheit suhlt, anstatt den internationalen Anschluss zu suchen) und an den das Strukturkonservative schätzenden Mainstream-Medien (denen ein Hans Krankl allein auch völlig ausreichen würde, um ihre Vergangenheits-Bespiegelung durchzuziehen) scheitern.