Erstellt am: 22. 5. 2009 - 12:25 Uhr
Krise, Krise, Krise
Wir alle wissen, die Welt steht am Abgrund. Oder besser gesagt: die Welt wohnt am Abgrund. In einem schmucken Einfamilienhaus mit Satellitenschüssel, Swimmingpool und penibel gestutzter Hecke.
Sie fühlt sich wohl dort, kurz vor dem Ende, wo die Spannung naturgemäß am Höhepunkt ist, und das schon seit Jahrzehnten. Zwar ergab sich für die glücklichen Kinder der 90er nach Mauerfall und Zusammenbruch der Sowjetunion eine kleine Verschnaufpause in Sachen globaler Endzeitstimmung, aber spätestens seit Immobilienblasen mit Bomben für und gegen den Terror um die Wette platzen, hat der zeitgenössische Apokalypsen-Afficiando wieder allen Grund zur resignativen Freude.
Die aktuell populärsten definitiven Ausstiegsszenarien im Schnelldurchlauf: Sollte es den wiedererstarkten Taliban im Swat Tal nicht gelingen, die Pakistanische Hauptstadt Islamabad mitsamt Atomwaffen-Arsenal in ihre gottesfürchtige Gewalt zu bringen und dem Rest der Welt einen nuklearen Winter zu bescheren, so bliebe immerhin mehr Zeit für die globale Erwärmung. Obwohl diese natürlich nur dann substanziell Schaden an der Menschheit wird nehmen können, sofern selbige nicht schon zuvor von der Schweinegrippe oder einer von Wirtschaftkrise und Arbeitslosigkeit induzierten Anarchie dahingerafft wurde. Die gute Nachricht aber ist: sollte tatsächlich eintreten, wovon bleichgesichtige Comic- und Science-Fiction Nerds schon längst überzeugt sind und am Ende der Dinge das vielbesungene "experiment gone wrong" stehen, also ein in den Tiefen des Large Hadron Colliders versehentlich erzeugtes schwarzes Loch die Erde im Sog der Gravitation verschlingen, so wäre Österreich - dem Kanzler sei Dank - auch nach 2010 noch daran beteiligt!
CERN
Aber die Wirtschaft...
Richtig schlimm ist es natürlich, wenn die Wirtschaft darbt. Zwar verschweigt der nur im Ansatz überhebliche Slogan der Österreichischen Wirtschaftskammer "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut" nobel, was wir zu befürchten hätten, ginge es ihr einmal schlecht, aber sonderlich erbaulich dürfte es nicht sein. Schweißfüße, mindestens.
Abgesehen davon hatte ich als kleines Studenten-Würschtl in den letzten Monaten ohnehin das beklemmende Gefühl, nicht richtig mitspielen zu dürfen. Als sich anfang April die 20 großen Macher des Planeten im grauen London trafen, um mit unpackbaren 1000 Milliarden Dollar die Rettung der Welt anzutreten, und praktisch zeitgleich der wohl vermögendste Seitenscheitel Österreichs entspannte 100 Millionen an Euro gegen seine vorübergehende Freiheit tauschte, stand ich halb entblößt in der Umkleide der Billigmoden-Kette meines Vertrauen und war unschlüssig, ob mir die neue kurze Hose nun 40 Euro wert wäre, oder nicht.
Derartig quälende Konflikte beschäftigten mich allerdings auch schon die Jahre zuvor, und selbst wenn in meinem erweiterten Bekanntenkreis die Zahl der Krisenopfer mittlerweile eine stattliche zwei erreicht hat und meine Nebeneinkünfte unter der aktuell vorherrschenden Investitionsscheu spürbar leiden - so richtig angekommen ist die Krise bei mir noch nicht.
Und ich weiß nicht, ob ich mich fürchten oder freuen soll. Schließlich steht derzeit im profil, dass es eigentlich schon wieder aufwärts gehe und Politiker wie Wirtschaftstreibende nun vor der einmaligen Gelegenheit stünden, so richtig anzupacken, umzukrempeln und zu reformieren. Ein schöner Gedanke, nachdem nun monatelang von den entsprechenden Eliten dieser Welt nicht viel mehr zu hören war, als dass sie jetzt auch nicht wirklich wüssten, woher die Misere genau käme, aber insgesamt doch sehr bestürzt wären.
flickr.com/photos/adselwood
Im Loch
So fühlte ich mich geradezu erleichtert, als ich vor ein paar Wochen unversehens meine ganz persönliche, greifbare Krise fand. Ich stürzte in das Loch. Wer sich im Loch befindet, stolpert anstatt zielstrebig seinem jeweiligen Tagesschäft nachzugehen etwas verpeilt, mit zunehmend schlechtem Gewissen durch die Welt und bringt trotz durchwachter Nächte nichts sinnstiftendes zu Stande.
Eine ausgeprägte Anfälligkeit für diesen bedauernswerten Zustand besitzen all jene Zeitgenossen, deren Leben zwar prinzipiell erfüllt ist, von ebenso auf- wie anregenden Tätigkeiten, Jobs und Hobbies, allerdings weitgehend befreit von wirklichen täglichen Pflichten. In anderen Worten: Studenten, Künstler und freischaffende Menschen aller Art. Ein geregelter 40 Stunden Job bietet hier zwar ein gewisses Maß an Immunität, kann aber ebenso zu hartnäckigen Depressionenen, Alkoholmissbrauch und in Zeiten wie diesen vor allem zu Arbeitslosigkeit führen.
Ich hingegen war im Loch, lebte im Studium nur vom guten Willen der Kommilitonen, produzierte keinen verwertbaren Block Code und an dieser Stelle nicht den Ansatz eines Artikels. Wenn Sie also diese Zeilen lesen können, seien Sie endgültig versichert, es geht wieder aufwärts!