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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

19. 5. 2009 - 10:36

Tiroler Frauenzentrum verhandelt mit Landesrätin

Nachdem zuvor alle Subventionen gestrichen wurden, zeigte sich die zuständige Frauenlandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf gesprächsbereit. Vorraussetzung: Ausdehnung der Arbeit über die lesbischwule Basis hinaus.

Update vom 21. Juli 09: Die Frauenlandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf ist nun doch zu Budget-Gesprächen bereit.

Nachdem das autonome FrauenLesbenzentrum in Innsbruck wegen massiver Budgetkürzungen kurz vor dem Aus gestanden war, was Proteste von Medien und Frauenorganisationen zufolge hatte, singalisiert die zuständige Frauenlandesrätin Partizia Zoller-Frischauf nun doch Gesprächsbereitschaft bezüglich des Budgets für 2010.
Vorraussetzung dafür ist allerdings die Öffnung des Zentrums über die lesbischwule Basis hinaus. So haben die Betreiberinnen vor, ab dem nächsten Jahr vermehrt mit Mädchen- und Frauenorganisationen in Tirol zusammenzuarbeiten. Mit Zoller-Frischauf bleiben die Frauen wegen der Subeventionen für das Jahr 2010 im Gespräch.

Das autonome Zentrum - es ist das einzige dieser Art in ganz Westösterreich - leistet seit 25 Jahren feministische Arbeit in Tirol und trägt zur Sichtbarmachung von Frauen und zur Sensibilisierung gegenüber Homophobie bei. Es finden dort vor allem frauenspezifische Kulturveranstaltungen wie etwa Filmabende, Lesungen oder Diskussionen statt, außerdem gibt es Beratung für lesbische Frauen. Nicht zuletzt wird mit dem Frauencafé bzw. regelmäßig veranstalteten Lesbendiscos ein Begenungsort für Frauen abseits von einem heteronormativen Umfeld und komischen Blicken oder Anmache bereitgestellt. Im Frühjahr wurde dem Zentrum ohne Kommentar ein Drittel des Budgets gestrichen:

Zuvor: Kommentarlose Streichung der Subventionen

Schild des Frauencafè Anchorage

fm4/Irmi Wutscher

Das Tiroler FrauenLesbenzentrum befindet sich in Innsbruck in der Liebeneggstraße 15.
Jeden Mittwoch und Freitag hat auch Café "Anchorage" - das Cafe der erfüllbaren Wünsche - geöffnet.

"Unsere Situation ist derzeit so, dass uns Frauen-Landesrätin Patrizia Zoller Frischauf die Subventionen zur Gänze, ohne Kommentar, gestrichen hat", erzählt Andrea Worsch vom autonomen FrauenLesbenzentrum beim FM4-Interview Mitte Mai 2009. "Wir können ohne dieses Geld nicht weitermachen, denn wir zahlen Miete, haben auch Kündigungsfristen und in drei oder vier Monaten spätestens muss das FrauenLesbenzentrum schließen." 6500 Euro fehlen nun, das ist etwas ein Drittel des gesamten Budgets. Den Rest bringen die Frauen selber auf – vor allem durch Einnahmen aus den Kulturveranstaltungen. Und dadurch, dass alle Mitarbeiterinnen des Zentrums ehrenamtliche, unbezahlte Arbeit leisten.

Andrea Worsch

AFLZ

Andrea Worsch

Besonders verärgert sind die Betreiberinnen des FrauenLesbenzentrums darüber, dass die Subventionen ohne Ankündigung und Begründung gestrichen wurden. "Den einzigen Grund, den wir erfahren haben, ist der, dass es sich hier um eine politische Entscheidung handelt. Das Budget des JUFF-Frauenreferats des Landes Tirol wurde nicht gekürzt, es sind die gleichen Gelder wie zuvor vorhanden. Im Nachhinein, bei den Verhandlungen, wurde uns signalisiert, dass das Wort 'Lesben', aber auch das Wort 'autonom' wohl schwierig sei. Das, und auch die Zeitungskommentare von Frau Zoller-Frischauf lassen darauf schließen, dass es sich hier eindeutig um Diskriminierung gegenüber Frauen und Lesben handelt."

Patrizia Zoller-Frischauf hatte in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung unter anderem gesagt: "Wir durchforsten derzeit alles. Die Bevölkerung hat wenig Verständnis, wenn wir nicht jeden Euro dreimal umdrehen. Ich glaube nicht, dass die Situation in Tirol so prekär ist, dass es dafür eine eigene Einrichtung braucht."
Weiters meinte Zoller-Frischauf in der TT: "Es geht um Dinge, die wirklich im Nutzen der Bevölkerung liegen und nicht um lieb gewonnene Geschenke, dafür ist momentan nicht die Zeit. Wir müssen sparen und das Geld dort einsetzen, wo es Sinn macht." Besonders diese Aussage ist es, die die Frauen vom Autonomen FrauenLesbenzentrum aufregt: "Ich will dazu anmerken, dass Subventionsgelder keine Geschenke von PolitikerInnen sind", meint Andrea Worsch "Wir sehen das als Notwendigkeit, dass die Öffentlichkeit für diese Minderheiten einfach die Verantwortung und die Pflicht hat, einen Raum zu schaffen, wo sich diese treffen können und wo viel an politischer und individueller Arbeit geleistet wird."

Medusa als Wandmalerei im AFLZ

AFLZ

Keine lesbischen Orte

Die Schließung des Zentrums würde definitiv ein großes Loch in die Infrastruktur für Lesben in Westösterreich reißen, meint Worsch: "Wir sind einfach der einzige Ort, wo lesbisch lebende Frauen mit den Problematiken, mit denen sie im Alltag konfrontiert sind, herkommen können und wo sie Gleichgesinnte finden, einen Austausch haben und Informationen bekommen können. Einfach, wo ihnen weitergeholfen wird." Denn als Beratungeinrichtung gibt es in Tirol zwar die Homosexuelleninitiative (HOSI), dort ist die Beratung aber sehr allgemein ausgerichtet und es geht hauptsächlich um AIDS-Prävention.

Ähnlich verhält es sich mit den Lokalen: Das Frauencafé sei einfach immer noch ein wichtiger Ort, wo sich Frauen ungestört treffen und verabreden können. "Das Frauencafé bietet einfach einen gewissen Schutz", meint Maria Wassermann, stellvertretende Obfrau der FrauenLesbenzentrums. "Man kann sich halt nicht in jedem Lokal küssen, als lesbisches Paar. Ich glaube deshalb funktioniert das Frauencafé auch ein bisschen so als Ruhepol, zu einem manchmal bösen Außen".

Michaela Fessel, ebenfalls Mitarbeiterin der FrauenLesbenzentrums, hat eine Studie über lesbisches Leben in Innsbruck ausgearbeitet, die sie "Lesben in der Weltstadt" genannt hat. "Dabei ist ganz klar herausgekommen, dass es einen Wunsch gibt, einen Ort zu haben, wo man als Lesbe frei sein kann. Und dass es einen Wunsch gibt, in die Öffentlichkeit zu gehen und zugleich aber auch ganz große Angst davor gibt, sich als Lesbe zu zeigen. Einfach, weil es immer wieder Situationen gibt, etwa, dass man aus einem Lokal verwiesen wird, wenn man sich als lesbisches Paar küsst. Da bekomme ich oft einen großen Ärger auf das Umfeld hier, in Innsbruck und Umgebung. Weil wenn ich mir so manche Heteropaare anschaue, wie die sich aufführen, würde ich das als Lesbe machen, da hätte ich gleich eine Anzeige am Hals!"

Andrea Wirsch, Maria Wassermann und Michaela Fessel im AFLZ Innsbruck

aflz

Andrea Worsch, Maria Wasssermann und Michaela Fessel (v.l.) beim FM4-Interview

Dünne Infrastruktur für Frauen

Auch in Bezug auf feministische Kulturarbeit hat das Tiroler FrauenLesbenzentrum in den letzten 25 Jahren wichtige Arbeit geleistet: "Das FrauenLesbenzentrum ist das einzige dieser Art in Westösterreich" sagt Michaela Fessel. "Der einzige Ort und der einzige Raum, der nur für Frauen zugänglich ist, wo frauenspezifische Veranstaltungen stattfinden. In Vorarlberg gibt’s überhaupt keinen Frauenraum mehr, da hat es viele Jahre das Frauengetriebe gegeben, das wurde mittlerweile aber auch, vor über einem Jahr schon, geschlossen."

In Innsbruck gibt es immerhin noch eine Frauenbibliothek, den aep, und mit archfem ein feministisches Archiv. Außerdem gibt es das Café für Frauen aller Länder, wo sich Migrantinnen Rat und Hilfe holen können und das autonome Frauenhaus, das sich um Frauen mit Gewalterfahrungen kümmert. "Aber die speziellen Thematiken, die lesbische Frauen betreffen, werden von diesen Stellen einfach nicht abgedeckt", meint Andrea Worsch "da gibt es einfach nur das FrauenLesbenzentrum. Hier gilt also auch das Argument nicht, dass die Beratung doppelt und dreifach angeboten wird. Das ist einfach nicht der Fall."