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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 5. 2009 - 23:00

Fußball-Journal '09-34.

Gute Trainer.

Keine künstlichen Aufgeregtheiten: dass Salzburg Meister ist, war auch schon vorige Woche klar. Ebenso, dass und wieso Rapid wieder gegen Ried verlieren würde.

Ich wäre kein guter Trainer, im Gegenteil. Zu wenig didaktisch, zu ungeduldig, manchmal zu happelisch (und das ging früher, ist aber heute komplett überholt). Vielleicht ein brauchbarer Sportdirektor, Manager oder womöglich am ehesten ein Scout.
Gut, dass ich mir da nie Gedanken drüber machen muß - doppelt gut, weil mir diese Freiheit die Möglichkeit gibt, Dinge aus/anszusprechen, die die vielen Experten sich öffentlich nie trauen würden - weil sie ja alle noch was werden wollen in der Branche. Und selbst die, die sichs leisten könnten, traun sich nix, aus falscher Rücksichtnahme.

Ich will nix und kann deshalb.
Zum Beispiel laut über Trainer und ihre sichtbaren Taten nachdenken - auch wenn ich an ihrer Stelle noch viel schlechter wäre. Denn dieser alte Musiker-Trick, dass nur derjenige was über Musik sagen darf, der ein Instrument spielt, der alte Schmäh der Relativierung durch Involvierung, der gilt eben nur höchst bedingt.
Weil das Resultat meist unabhängig von der subjektiven technischen Qualitäten zustandekommt, egal ob bei Musik oder z.B. im Fußball.

z.B.: Abwehrspiel

Ich wäre kein guter Trainer, aber ich weiß um die zunehmende Bedeutung der Außenverteidiger im modernen Spiel. Und wenn ich Franz Lederer dabei zusehen muß, wie er (um dem Flehen, doch endlich ins aktuelle Jahrhundert nachzurücken, zu begegnen) eine Vierer-Abwehr als eine Reihe von vier großen Innenverteidigern auslegt, dann ist das ein ordentliches Indiz für ein prinzipielles Coaching-Verständnis. Oder wenn ich Hans Krankl dabei zusehen muß, wie er seinen Innenverteidiger Hoheneder als Rechtsverteidiger aufstellt.
Dani Alves ist ein Rechtsverteidiger, Jose Bosingwa ist ein Rechtsverteidiger, Sergio Ramos ist ein Rechtsverteidiger, Robert Sara, der der Krankl sein Siegtor von Cordoba auflegte, war ein Rechtsverteidiger.
Die Jungs, die Lederer und Krankl hineinschicken, sind es nicht. Der eine versteht's halt nicht besser, dem anderen ist's schlicht und ergreifend wurscht.

z.B.: Denk-Flexibilität

Ich wäre kein guter Trainer. Aber wenn ich Peter Pacult dabei zusehe, wie er sehenden Auges, dem vollen Wissen über den Gegner zum Trotz (man spielt, weil man eine Pimperl-Liga hat, ja viermal gegen dieselben, mit Cup-Pech sogar fünfmal) ins Verderben stolpert, weil sein Coaching nicht dafür reicht sich umzustellen und vom ausrechenbaren zum ausausrechenbaren Gegner zu werden, dann ist das ein Indiz für sehr sehr wenig Denk-Flexibilität. Und wenn man schon herumhappelt und wenig mit den Spielern spricht, wäre das doch eine ausgleichende Tugend.

Ich wäre kein guter Trainer. Obwohl ich wahrscheinlich die Hausaufgaben machen würde. Etwa die anderen Spieler der engen Liga (es sind eh nur neun Teams, hallo!) kennen. Der alte Happel hatte ein kleines Heft, da stand das Elementare drin. Zum Beispiel: Louis van Gaal, Spielmacher, langsam.
Trainer Daxbacher hat kein Buch und schreibt deshalb auch nix auf und hat auch von Deni Alar von Kapfenberg noch nie etwas gehört. Sagt er, darauf angesprochen, irgendwie sogar stolz. Ein kluger Coach sagt in so einem Fall, dass er ja nicht jeden kennen müsse, dass ihn seine Spione schon informieren würde, man hat ja Scouts. Trainer Daxbacher hat sie entweder nicht, oder es interessiert ihn nicht.
Mit derlei offensiven Bekenntnissen zum Nichts-Wissen plustert man sich im kleinen Österreich und seiner Pimperl-Liga auf.
Keine Ahnung haben ist todschick.

Keine Ahnung haben ist todschick

Alfred Tatar ist, nehme ich an, ein guter Trainer. Ried, Admira, dann Russland, im Team von Rachimov bei Lok Moskau. Davor Premiere-Experte mit Hang zu ganzen Sätzen, die auch Sinn ergeben - für die Konsels, Kirchlers und Schopps ein hoffnungsloses Nadelöhr.

Tatar meint heute im Premiere-Talk in einem Nebensatz, dass er durch seine Rückkehr aus Russland wieder was für seinen überzogenen ökologischen Fußabdruck tun muß (wegen der langen innenrussischen Flugreisen). Tatar verwendet eh nicht den englischsprachigen Ausdruck des Carbon Footprints, sondern formuliert es verständlich.
Die anderen Anwesenden, die Trainer Zellhofer und Lederer und Moderator Thomas Trukesitz wiehern vor Vergnügen über das komische Wort, das sie nicht nur nicht verstehen, sondern gar nicht kennen; und über den ulkigen Tatar, der's verwendet.
Keine Ahnung haben ist todschick.
Über den Tellerrand hinausblicken ist Gacksi.

Georgh Zellhofer, der vor der Saison den Job bei der SV Ried ablehnte, weil ihm der Kader zu schwach war, Georg Zellhofer, der sich im Winter von Geheim-Mäzen Franz Grad acht neue Leute nach Altach holen ließ, ehe er dort den Job annahm, hatte davor eine Stunde lang über böse Schiedsrichter gegreint. Tatars Hinweis, dass es in Russland nicht möglich wäre, dass jeder Hilfstrainer und jeder Auswechselspieler hinter den Schiris herplärren (oder sie gleich attakieren) würde, überhörte er geflissentlich.

Über den Tellerrand hinausblicken?

Pah!
Keine Ahnung haben ist todschick!

Natürlich ist vieles von dem, was sich an Gemäkel über Coaches ansammelt geschmäcklerisch. Dass mir Franco Foda auf die Nerven geht, weil er es nach gefühlten 17 Jahren in Österreich immer noch nicht schafft Rapiiiid zu sagen, sondern beim Piefke-"Rrrapd" hängenbleibt, jo mei.
Dass Adriaanse sich nach nur wenigen Monaten an die Selbstbedienungs-Söldner-Mentalität bei Red Bull anpaßte und auch dem Schwager seines Ex-Friseurs (weil: was anderes kann das Phantom Bobson nicht gewesensein) ein bissl Abcashen vergönnt - wer möchte da allzu streng sein?

Mehr nervt schon die vorgebliche politische Naivität Einzelner: wer sich mit Wahlkämpfern, Burgherren oder - in jeder Hinsicht - fernen Mäzenen einläßt, verwirkt damit jegliches Recht auf einen Funken Mitleid. Wer wie Frenk Schinkels als Spordirektor selber Politik macht und sich dann über die dauernde Politik beschwert, ist bigott. Wer wie Helmut Kraft in einer engen Situation auf die "Fachmeinung" des Gesandten seiner Gottheit hört und tatsächlich mit einem 3-5-2 in ein entscheidendes Spiel geht (im Verlauf hat er den Unfug dann eh korrigiert), der ist arm dran, weil er genau dadurch Schwäche gezeigt hat und damit für die nächste Saison ausscheidet.

Ich wär ein schlechter Trainer,

weil ich einen großen Teil dieser Fehler selber sicher auch machen würde - und viele andere mehr. Das enthebt weder mich der Verantwortung sie anzusprechen - weil sich das die Prohaskas ja nur trauen, wenn die Kameras aus sind, und weil die Stögers alles nur in Hinblick auf Karrieresprünge verbrämen, noch die Trainer der Verantwortung sich permanent zu verbessern.
Vielleicht auch übern Tellerrand hinaus.
Wäre bitter nötig.

Seit Tatar wieder in Wien ist, gibt es außer Ralph Hasenhüttl in der dritten deutschen Liga (nächstes Wochenende kämpft er mit der SpVgg Unterhaching um den Aufstieg - wird sich womöglich genau nicht ausgehen) nämlich niemanden, der sich in einem echten Elchtest durchschlagen muß.
In einer Welt voller echter Außendecker, in der man mehr als nur eine 0815-Taktik und auch alle Gegner kennen muß, in einer Welt der Carbon Footprints. Der richtigen Welt eben, nicht der hiesigen Zuckerl-Version.