Erstellt am: 16. 5. 2009 - 13:35 Uhr
Viel Weihrauch um nichts
1973 schlägt die katholische Kirche Alarm, auch in Österreich, der Grund kommt aus Hollywood. "The Exorcist" heißt der Film, der von einer Teufelsaustreibung im modernen Amerika erzählt. Die Vorberichterstattung hört sich gruselig an, nach einer mittelalterlichen Höllenfahrt und einem Schocker, der offen mit dem Bösen kokettiert. Etliche Priester verteilen damals vor den österreichischen Kinoeingängen warnende Flugblätter, ohne den Film gesehen zu haben.
Dabei ist "Der Exorzist" nicht nur ein beklemmend gut gemachter Genre-Beitrag, sondern auch ein erzkatholischer Albtraum, vom tiefreligiösen Autor William Peter Blatty geschrieben. Wenn in den Siebzigern die Kirche gegen den Film mobil macht, grenzt das an Masochismus. Einen besseren Werbefilm für den Eintritt ins Priesterseminar gibt es kaum.
Denn gegen den finsteren Dämon, der ein junges Mädchen in Besitz nimmt, hilft keine Schulmedizin. Das Gute kommt in Gestalt des jungen Paters Karras und eines alten Priesterkollegen, den Max von Sydow legendär verkörpert.
Warner Bros
Die Kirche verachtet die plakativen Einfälle des Horrorkinos, aber das Horrorkino liebt seit jeher die Kirche. Denn abgesehen von unzähligen frommen Bibelverfilmungen sind die Rituale und Zeremonien des Katholizismus ein gefundenes Fressen für Drehbuchautoren. Der düstere Aspekt der Religion, der Mythenvorrat, die Symbole und Bauten schreien nach Breitwand und Technicolor.
Dabei werden die Priester fast immer zu Helden stilisiert, die mit Weihwasser und Kruzifixe gegen höllische Erscheinungen antreten.
Unzählige Vampirverfilmungen plündern das katholische Erbe ebenso wie all die "Exorzist"-Nachfolger, von "Stigmata" bis "Lost Souls". Zur Millenniumswende darf sogar Arnold Schwarzenegger gegen den Teufel kämpfen. In "End Of Days" (1999) unterstützt eine mutige Priestergruppe den Actionhelden aus der Steiermark.
Wirkliche kirchliche Unterstützung bekommt ausgerechnet ein Film, der liberale Geister in aller Welt empört: "The Exorcism Of Emily Rose" (2005) bringt einen wahren Fall aus den Siebzigern auf die Leinwand. Die deutsche Schülerin Anneliese Michel stirbt damals an einer tatsächlichen Teufelsaustreibung, die von katholischen Landpfarrern durchgeführt wird. Der Regisseur Scott Derrickson macht aus der beklemmende Leidensgeschichte einen Propagandastreifen für christlichen Fundamentalismus.
Sony
Gar nicht gut aufgenommen wird in kirchlichen Kreisen dagegen die aufwändige Verfilmung des erfolgreichsten Groschenromans aller Zeiten. "The Da Vinci Code" (2006) von Dan Brown schickt Tom Hanks auf eine Hetzjagd durch Frankreich, auf den Spuren eines religiösen Geheimnisses. Dabei erlauben sich Film und Buch darauf hinzuweisen, dass das Christentum, und damit das gesamte Fundament unserer westlichen Kultur, möglicherweise auf Aberglauben, Irrtümern und gezielten Fälschungen basiert.
Der wirkliche Skandal ist aber ein anderer. Ron Howard verfilmt den "Da Vinci Code" derartig langweilig, dass alle Ketzereien im sanften Schlummer mancher Kinobesucher verschwinden. Sagenhafte 750 Millionen Dollar spielt der Film dennoch ein. Das schreit nach einer Fortsetzung.
Kein Wunder, dass sich das selbe Team rund um Ron Howard und Tom Hanks noch einmal zusammengefunden hat. "Angels & Demons", besser bekannt als "Illuminati", heißt das neueste Dan-Brown-Abenteuer, in dem wiederum die katholischen Mythenwelt eine große Rolle spielt.
Sony
Man muss sich diese Geschichte einmal vorstellen: Der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN gelingt ein phänomenaler Durchbruch, mit Hilfe des umstrittenen Large Hadron Colliders kann erstmals Antimaterie hergestellt werden. Dieses höchst gefährliche Zeug, ein blau schimmerndes, waberndes Etwas in einem Glasbehälter, wird prompt gestohlen. Die Geheimorganisation der lluminaten will damit den Vatikan in die Luft sprengen.
Als Retter in der Not wird der Symbolspezialist Robert Langdon alias Mr. Hanks nach Rom eingeflogen, der hastige Nachforschungen im Vatikan anstellt. Dabei tickt nicht nur die Antimaterie-Bombe. Nachdem der Papst auf mysteriöse Weise verstorben ist, knöpfen sich die finsteren Illuminaten seine vier potentiellen Nachfolger der Reihe nach vor.
Wissenschaft und Glaube in einem bizarren Mix: Wie man so eine absurde Story erzählen kann, ohne für Lachkrämpfe zu sorgen, bewies Dan Brown mit "Angels & Demons". Zumindest haben Millionen Menschen in aller Welt den Bestseller gebannt verschlungen, ohne die Hintergründe zu hinterfragen. Brown mag ein kalkulierender Reißbrettautor sein, aber er kann immerhin Spannung erzeugen. Den Verfilmungen seiner Bücher fehlt allerdings jeglicher Nervenkitzel.
Sony
"Illuminati" schließt beinahe nahtlos an den "Da Vinci Code" an. Im negativen Sinn. Der Film gibt sich gehetzt, hektisch, schleppt sich aber eigentlich mühsam dahin. Große Schauspieler wie Ewan McGregor oder Stellan Skarsgård wirken in diesem berechenbaren, familienfreundlichen Mystery-Blockbuster ebenso vergeudet wie die zugegeben beeindruckenden römischen Kulissen.
Dass der Papst am Schluss sogar respektvoll gewürdigt wird, ist der katholischen Kirche herzlich egal. Denn die schlug wieder im Vorfeld Alarm und verweigerte natürlich Drehgenehmigungen im Vatikan. Dabei ist "Illuminati" die ganze Aufregung nicht wert. Viel Weihrauch um nichts also.
Sony