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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

16. 5. 2009 - 12:03

Momente des Wahnsinns

Das Soundcity Festival in Innsbruck: Eine Puppe bekommt ein Gesicht, einige schwere Entscheidungen sind zu treffen und dann ist da noch die Sache mit den Crackhuren.

Wenn wir Deepthroating sagen dürfen, dann dürfen wir auch Crackhuren sagen. Aber der Reihe nach: Begonnen hat das Soundcity, jenes Ein-Tages-Fest (das manche heuer schon drei Tage wach hielt), heuer mit Mono und Nikitaman im Treibhaus. Und weil da eben noch keine andere Location offen hat, kommen erstmal alle dorthin.

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Mono und Nikitaman, irgendwo da oben...

Was dazu führt, dass sich eine bewegungslose Schlange bis hinauf ins Turmzimmer bildet, aus dem ich - im Gastgarten Dürüm schlemmend - dumpf die Bässe und den begeisterten Applaus höre. Es wird nicht das letzte Mal an diesem Abend sein, dass Besucher eine Band nicht sehen. Denn darum geht es beim Soundcity Fest: Aus den mittlerweile 14 Veranstaltungsorten, an denen je bis zu sechs Acts auftreten, muss man besonnen jene wählen, die man wirklich besuchen mag. Also: Wirklich! Und dann muss man rechtzeitig dort sein.

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Junggesellinnenfeier am Soundcity? Poor Bride.

Denn noch bevor die Reggae- und Dancehallhelden Mono und Nikitaman die Alarmrufe einstellen und sich selbst ins Getümmel stürzen, fängt das große Publikumsbuhlen an: Sweet Susi oder Ed Royal? Frame oder Wax Wreckers? Dirty Disco Youth oder oder The Lines? Und wer dabei nicht schnell oder konsequent genug ist, bleibt draußen. Wenn der Club voll ist, ist er voll. Wo anders ist noch reichlich Platz.

Und so bin ich bei Ed Royal im zum Übergehen vollen Jimmy´s nur ganz, ganz kurz, ehe mich ein Anruf zum Geheimtipp des Abends holt: "Die Crackhuren sind vom Stadtrundgang zurück." Drogen und Sex, heißt es, wären die steten Begleiter des Rock'n'Rolls. Der Name lässt dahingehend Einiges erwarten, also geht es schnurstracks in Richtung P.M.K. In dessen kuschligem Backstage-Keller schminken sich gerade vier Mädchen, als obs kein Morgen gäbe und erklären nebenbei im Interview, dass sie eigentlich zu zwölft sind, weil auf diese Art ein Konzert auch dann Spass macht, wenn keine Zuschauer kommen. Das klingt vernünftig.

The toten Crackhuren im Kofferraum

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Glitter, Extensions, Pompoms und Blut

Diesen Abend aber brauchen die Elektro-Punkerinnen The toten Crackhuren im Kofferraum keine weitere Untersützung aus den eigenen Reihen. Die Halle ist voll und zu Party-Hits wie "Ich und mein Pony" lässt sich das Publikum gerne mit Kunstblut und Sekt bespritzen - an der Mischung aus dem klebrigen Zeug und Schweiß hält der viele Glitter ja auch viel besser. Und kleine Lebensweisheiten werden im Text mitgeliefert: "Nur weil bei Myspace jemand online ist, ist das noch lange keine Party."

Was eine "Dj-Performance" ist, führen uns in der Zwischenzeit die Chicks on Speed in den vollen Stadtsälen vor. Dabei wird nicht nur aufgelegt und die klassischen Chicks-on-Speed-Visuals mit jeder Menge nackter Haut gezeigt, sondern auch gesungen. Und ich habs nicht geglaubt und war deshalb nicht dabei!

Als es im Anschluss aber bei Beginn der Auflegerei von Mr. Oizo vor den wegen Überfüllung verschlossenen Türen der Stadtsäle zu einem Tumult kommt, mache ich mich doch auf den Weg dorthin. Mr. Oizo ist schwer gefragt - vielleicht weil er noch zu vielen aus dem Sommerhit "Flat Beat" von 1999 in Erinnerung ist - die abgewiesenen Fans würden jedenfalls ganz gerne die Türen einrennen, anstatt vielleicht zu Tschamba Fii ins Plan B zu schauen. (Obwohl: Das war um fünf Uhr Früh dann gesteckt voll.) Erst eine handvoll Polizisten bekommt die Sache mit Absperrgittern in den Griff, während ich mich durch den Hintereingang hineinschleiche und zwischen all den heftig Tanzenden tatsächlich ein Foto von dem Mann schieße, den noch immer viele nur als Puppe kennen. Hier versteht man die Aufregung um gute DJs: Mr. Oizo macht die Menge nicht nur im selben Takt hüpfen, es scheint, als ob er ihnen die passenden Bewegungen durch die Boxentürme direkt in die Extremitäten schickt. Ab zwei Uhr Früh war die Fluktuation in der Hallo so groß, dass man kaum mehr warten musste und trotzdem noch bis zur Erschöpfung tanzen konnte. Alle Aufregung umsonst.

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Flat Erics Papa bei der Arbeit und ein wirklich interessanter Ring.

Richtig ärgerlich ist aber, dass ich durch die Aufregung um den Ansturm auf Mr. Oizo die Hörspielcrew im von FM4 gehosteten Blue Chip verpasst habe. Dort gingen wegen Besucheransturms zeitweise auch die Türen zu. Dafür war es im Hafen, wo Zombie Nation aufgetreten sind, angeblich nicht ganz so voll. Wenn wir das alle bloß vorher gewusst hätten...