Erstellt am: 16. 5. 2009 - 13:03 Uhr
Im Prog-Rock Labyrinth
Die Flut an schwedischen Indie Stars wird in den letzten Jahren meist nur von Kanadiern gestoppt. So überzeugen Bands, von Arcade Fire über die New Pornographers und Broken Social Scene bis hin zum Tokyo Police Club, durchwegs mit innovativen und progressiven Sounds.
Ebenfalls zu dieser Riege gehören Malajube aus Montréal. Mit ihren ersten beiden Alben Le Compte complet und Trompe-l'œil hat das Quartett in ihrer Heimat so ziemlich jeden nur erdenklichen Musikpreis eingeheimst. Und auch hierzulande gab es euphorische Liebesbekundungen. An so einem Punkt in der Bandgeschichte erschwert meist der Erfolgsdruck das Songschreiben. Nicht so bei Malajube, wie Bassist Mathieu Cournoyer meint.
"Während wir die Songs erarbeitet haben, verspürten wir überhaupt keinen Druck. Erst zwei Wochen vor der Veröffentlichung dachten wir: Oh mein Gott, wie wird das Album wohl aufgenommen? Werden es die Leute mögen? Andererseits sind wir ja nicht U2 oder so eine Band, die viel Druck von Management und Plattenfirma bekommt. Mit unserem kleinen Indie-Label Dare To Care konnten wir uns auf das Wichtigste konzentrieren. Nämlich dass wir unser neues Album auch lieben können."
Ins Labyrinth
Malajube
Malajube ist eine clevere Band. Mit dem Eröffnungssong "Ursuline" schicken uns die fünf Kanadier gleich auf eine falsche Fährte. Denn zu Beginn lullt uns eine verträumte Klaviermelodie ein, bis ein abrupt einsetzender, schneller Schlagzeugrhythmus die Nummer zu einer opulenten Progrock-Hymne aufpeitscht. Aber nicht nur wir werden überrascht, die Band überrascht sich auch gerne selbst. Malajube erlauben sich nämlich immer wieder, Songstrukturen auseinanderfallen zu lassen. Und so endet der erste Song in halber Geschwindigkeit mit krachendem Lärm, einem in der Indiewelt weitgehend verpöntem Gitarrensolo und flächigem Chorgesang.
Genau diese strukturellen Überraschungen machen das Album zu einem kurzweiligen und spannenden Werk und sind laut Mathieu darüber hinaus auch der Grund für die Namensgebung.
"Man kann sich im Soundlabyrinth dieses Albums schon verlieren. Manchmal verwirren einen auch die Arrangements. Ein Song der ruhig anfängt, geht plötzlich in eine ganz andere Richtung. Von einem mellow part ist es oft nicht weit zu einem metal part. Und deshalb sind wir mit dem Album auch so zufrieden. Es ist anders als die bisherigen und wir mögen es, dass man sich in den Songs verlieren kann."
Zwischen Trauerarbeit und Experimentierfreude
Pascale Boisclair
Malajube betreiben ihr Vexierspiel jedoch nicht nur auf der Oberfläche. Unter den zeitweise zuckersüßen Melodien, wie bei der halb balladesken und eigentlich beschwingt wirkenden Nummer "Luna", verstecken sich düstere Texte, die von bitteren Erfahrungen gespeist werden. Die letzten zwei Jahre waren eine harte Zeit für die Band. Und nein, es geht diesmal ausnahmsweise nicht um die Krise der Musikindustrie. Auf "Labyrinthes" geht der Schmerz viel tiefer.
"Jeder von uns hat in den vergangenen Jahren einen engen Freund oder Verwandten verloren. Bei mir war es mein Vater, der gestorben ist. Es ist immer schwieriger geworden, sich durchs Leben zu kämpfen. Deshalb sind auch die Texte ernsthafter geworden."
Musikalisch schon deutlich näher an den dunklen Themen ist "Le Tout-Puissant", in dem durch den gefühlvollen Gesang und dessen Tonalität ein gewisses Maß an Leid mitzuschwingen scheint.
Doch auch dieser Tenor wird immer wieder durchbrochen. Manchmal sind es die klugen und überraschenden Arrangementwechsel, manchmal ist es auch nur ein spezieller Klang eines Instrumentes, der die Stimmung zum Kippen bringt.
"Da wir uns ein ganzes Jahr für das Album genommen haben, hatten wir viel Zeit zu shoppen. So haben wir meist in Antiquariaten einige alte Instrumente erstanden und damit herumexperimentiert. Zum Beispiel bei dem Song Porte Disparu kommt ein recht seltsames Keyboard vor. Wir fanden es alle recht lustig und wollten diesen schrägen Sound unbedingt behalten."
Und so ist auch hier das Ergebnis ein luftig leichter und zugleich seltsam abgedrehter Popsong, der einen nach mehrmaligem Hören nicht mehr so leicht los lässt.
Malajube
Im Irrgarten der Religion?
Malajube Live in Österreich:
- 22. Mai im B72 in Wien
- 23. Mai am Seewiesenfest in Kleinreifling
- UND: Demnächst spielen die Kanadier ein FM4 Überraschungskonzert, vielleicht ja ganz in deiner Nähe. Registrieren hilft!
In schweren Zeiten voller Trauer über den Verlust eines nahestehenden Menschen ist für viele die Religion ein Rettungsanker. Der Tendenz, sich in die Obhut von religiösen Organisationen zu begeben, stehen Malajube kritisch gegenüber. Speziell wenn es um das Christentum geht. Schließlich bezeichneten sich bei der Volkszählung 2001 in ihrer Heimat, der größten Kanadischen Provinz Québec, rund 90% der Bevölkerung als Christen.
Doch auch bei diesem, in mehreren Songs wiederkehrenden Thema bevorzugen es Malajube durch extreme Einbettung des Gesangs in ihre Musik und durch das kryptische Textlabyrinth, eindeutige Standpunkte zu vermeiden. Vor allem für Menschen, die der französischen Sprache nicht mächtig sind, schwingt maximal eine leise Ahnung von Malajubes Anschauungen mit. Wenn etwa bei dem opulenten Monster "Cristobald" in gepflegter Trail Of Dead Manier gerockt wird, als hätte das Schlagzeug in einer verfallenen Kirche gestanden, während ein geisterhafter Chor wie aus weiter Ferne die Szenerie in ein unheimliches, fahles Licht zu tauchen scheint. Aber auch hier bleibt vieles im Dunkeln und rätselhaft.
Aus dem Labyrinth
Pascale Boisclair
Das dritte Malajube Album ist aufs erste Hinhören vielleicht nicht der ganz große Wurf, den sich manche Fans erhofft hatten, allerdings wächst die Magie der Songs mit der Zeit. Denn die braucht es, um sich seinen eigenen Weg durch das musikalische Labyrinth zu suchen. Und das hat auch einen ganz großen Vorteil. So kann nämlich jeder hinter den vielen Ecken, mit denen Malajube ihren verwinkelten Progrock-Irrgarten aufgebaut haben, seine ganz persönlichen Schätze finden.