Erstellt am: 14. 5. 2009 - 19:07 Uhr
Journal '09: 14.5.
Weil ja alles mit allem zu tun hat:
einer der Kernsätze in der heutigen Aufmacher-Geschichte des Kurier (Marsch nach rechts; wie FPÖ/BZÖ mit simplen Botschaften bei den Jungen punkten - Ergebnisse eine sicherhaltshalber geheimgehaltenen Studie) lautet so: "Rechte Parteien, so die Forscher, sind für die Junge gewöhnliche Parteien, weil sie zwischen 2000 und 2006 in der Regierung waren."
Und das hat mit dem gestern erwähnten Rohrer-Zitat von der politischen Bewusstlosigkeit, was Dinge betrifft die vor 2000, also vor dem Eintritt heute junger Menschen in die Lebensrealität, passiert sind.
Niemand, der einigermaßen seine gesellschaftspolitisch geschärften Sinne beinander hat und im letzten Jahrtausend sozialisiert wurde, kann die rechtspopulistischen far-out-Parteien ohne ihre direkte Anbindung von vorgestriges Gedankengut wahrnehmen; das an ein durchaus stark vorhandenes nationales Klientel gerichtete Augenzwinkern mittels Paintball-Spielen, Wehrsport-Übungen, NS-Flieger-Kranzniederlegungen oder die gelebte xenophobe Realität, das Diffamieren supranationaler Moral als Gutmenschentum etc.
Sündenfall und Würgereflex
Dieser automatische Würgereflex, der vor 2000 die Menschen in solche, die bewusste Wahrnehmung auch praktisch umsetzen konnte von solchen, die diese Wahrnehmung entweder nicht tätigen konnten oder (im schlimmeren Fall:) nicht wollten, unterschied, der ist seitdem Vergangenheit.
"Seitdem" meint den Sündenfall: die politische Normalisierung einer Bewegung, die genau das (den Konsens der politischen Norm) ablehnt, das Reinholen der damaligen Haider-FPÖ in die Regierungsverantwortung.
Das ist die historische Schuld der Schüssel-Administration, von der sonst nicht viel bleibt, weil ihre neoliberalen Beißreflexe sich zwar in einem Ausverkauf des Sozialstaats manifestierten, das aber innerhalb nur weniger Jahre von der sich fortschreibenden Geschichte selber schnell zu politischer Makulatur, zu einem historisch jetzt schon seltsam anmutenden Irrweg gemacht wurde.
Dass sie nämlich den Würgereflex künftiger Generationen abgeschafft hat.
Ich will nicht unterstellen, dass ein Teil der damaligen Entscheider nicht tatsächlich an sowas wie der demokratischen Reifefähigkeit einer Gruppierung, die rund um starke Männer zentriert ist, arbeiten wollte.
Aber das ist ohnehin eine philosophische Frage - etwa so wie die ob das Erlernen der Fähigkeit des Deepthroating jetzt eine Tugend oder eine Entwürdigung darstellen würde. Darüber streiten, in jeder Disziplin, die Gelehrten.
Die Faktenlage im 21. Jahrhundert
und damit sollten wir uns befassen, weil wir darin leben, ist nur aber, Sündenfall hin oder her, eine andere.
In Österreich hat eine (aus nicht inhaltlich, sondern nur machtpolitisch nachvollziehbaren Gründen in gleich zwei Teile zerfallene) rechtspopulistische Bewegung, wie sie in Deutschland maximal als außerparlamentarische Gruppe erst seit kurzem (wie etwa Pro NRW in Köln) für Aufsehen sorgt, eben bereits etliche Jahre Vorsprung - und damit ein wie selbstverständliches Standing bei den für Populismus Anfälligsten: den Jungen, den Desinteressierten, den Modernisierungs-Verlierern.
Auch das hat wieder mit der ÖVP zu tun. Während sich die deutschen Konservativen (vor allem die CSU) mit der Aussage "Rechts von uns ist kein Platz" klar positionieren, hat die Österreichische Volkspartei da ohne Not die Flanke aufgemacht. Auch aus der teilweisen Fehlannahme heraus, dass die FPÖ in Wahrheit eine sozialistische Bewegung wäre, die da halt auch noch ein nationales Element beimischen würde. Nun fischt die FPÖ tatsächlich vordringlich in klassischen SP-Wählerschichten, die rechte Flanke ist aber trotzdem verloren, und wird von einem offen xenophoben, nationalistischem (der Falter nennt das aktuell "Hetztheater") Konsortium aus selbsternannten Volkstribunen, "echten" Volksvertretern und hauptberuflichen Leserbriefschreibern gefüllt, die einander in ignoranten Scheindebatten von hochgradig provinzieller Qualität übertrumphen.
In dieser politischen und geistigen Landschaft von gesellschaftlicher Realität bewegen wir uns nun also - als Resultat von über 60 Jahren an Nachkriegs-Gewurschtel und bewusster Verlogenheit; let's face it.
Richtiger Umgang mit grausigen Normalitäten
Für die U23-Jahrgänge ist auch das bereits Normalität - offen antisemitische (eben Ebensee, aber auch Ausschwitz), offen xenophobe (wieder: Daham statt Islam), offen nationalistische Ansagen stellen keinerlei Tabu mehr dar.
Sie sind, im Gegenteil, bereits fixes Inventar einer als gegenkulturell ausgeschriebenen Subversions-These der neuen Rechten.
Da sich die drei Parteien jenseits der Far Right immer mehr in Richtung einer reinen Inszenierungs-Demokratie (Copyright Jagschitz, siehe auch Part 3 dieses Journals bewegen, geben sie sich letztlich auf.
Denn diese (schlechte) Schmiere durchblickt ein mediengewandter Digital Native recht schnell, und wendet sich lieber dem auch widerlichen, aber doch irgendwie "echtem" Reality-TV der Rechtspopulisten zu. Das ist zwar schirch, aber zum Angreifen. Es gibt einfache Botschaften, schrille Schlagzeilen, direkte Ansprache, derbe Schmähs - also alles Zutaten aus dem echten Leben.
Die Grünen erwähn ich im Lauftext nicht einmal mehr: ein Jahr lang alles verabsäumt, aus den Fehlern der letzten Wahl nichts gelernt. Mal sehen, ob nach dem EU-Wahldebakel was passiert...
Die Regierungs-Parteien finden sich stattdessen in einem faden, nicht einmal mehr staatstragendem Elite-Diskurs, zählen weiter Auftritts-Minuten in der ZIB und verlieren mit jeder Stunde den Anschluss. Denn die populistischen Aktionen (aktuell Strasser als EU-Rambo oder Faymann als Vermögenssteuer-Tänzer) können die, die gar keine Rücksicht nehmen müssen, viel besser und glaubwürdiger.
Marsch nach rechts
Und absurderweise kratzt z.B. die FPÖ die Kurve zurück auch noch besser. Denn während sich SPÖ und ÖVP zunehmend im neopopulistischem Fach versuchen/verlieren und daher ihre inhaltliche Substanz vernachlässigen, legt die FP neben ihrem oberflächlichen verbal-MG-Feuer auch noch ein paar Grundsätze nach, die einer echten Volkspartei gut tun würden.
Ich hab die Prinzipien, die da in einem fetten Strache-Inserart gestanden sind, zweimal lesen müssen, um es zu glauben: für eine Finanztransaktionssteuer, also Spekulationseinkommen, für eine Solidarabgabe der Spitzenverdiener mit gesichterten Arbeitsplätzen, für einen Mindestlohn, von dem man leben kann, für eine hörere Besteuerung von in Stiftunge geparkten Geldern, für eine Anhebung der Höchststeuersatz-Grenze, die schon längst den schmaler werdenden Mittelstand betrifft, für ein Familiensteuersplitting und für eine Senkung des Einstiegssteuersatzes.
Wenn also nach dem Ende des Würgereflexes, in einer Zone des gesellschaftsfähigen Judenwitzes, des amtlichen Ausländerdreschens, einer weltfremden Los von der EU-Stimmung und anderen absurd mehrheitfähigen Losungen, die dieses Land zum Paradies für niedere Instinkte machen, wenn zur neuen Lust am gesellschaftlichen Deepthroating also auch noch eine Latte sinnhafter Forderungen, auf die ein anderer Sektor der Mehrheitsgesellschaft ein Recht hat, dazukommt, dann ist die Zukunft Österreichs besiegelt: Marsch nach rechts, nationaler Sozialismus, im besten Fall einer mit "menschlichem Antlitz".