Erstellt am: 21. 5. 2009 - 13:20 Uhr
Don't work, cry
Compiler / Turbo Magazine
Was ist eigentlich Arbeit? Klar, einerseits das, was immer mehr Leute suchen, andererseits das, wofür immer mehr Leute nicht bezahlt werden. Auf der einen Seite gibt es, nicht erst seit "der Krise", eine immer weiter wachsende Zahl von Arbeitslosen, auf der anderen Seite nimmt stetig das zu, was man ganz schlicht als "Arbeit ohne Geld" bezeichnen könnte. Also nicht nur das unbezahlte Praktikum, die Erziehungs-, Putz- und Betreuungsarbeit zu Hause oder die Beschäftigungstherapie vom Arbeitsamt – all das soll ja irgendwann in "echte" Jobs münden oder ist als klassische "Frauenarbeit" auch klassisch nichts wert. Nein, im sogenannten "Kreativsektor" schwillt die Masse derjenigen an, die für gar kein oder miserables Geld Tätigkeiten ausüben, die nicht einmal als Arbeit angesehen werden – weil man sie doch eh aus Leidenschaft macht und eben kein Geld damit verdient.
Compiler 03
Arbeit (Compiler/Kodoji Press). 130 min, Farbe, Stereo
www.compiler.ws
Genau an diesem Knackpunkt setzen die beiden Kuratorinnen der Schweizer DVD-Reihe Compiler an. Für die mittlerweile dritte Ausgabe der Sammlung von Kunstvideos, diesmal mit dem schlichten Titel "Arbeit", haben sich Catherine Hug und Isabel Reiß die Frage gestellt, was es bedeutet, dass KünstlerInnen ihre Tätigkeiten einerseits stets als "Arbeit" rechtfertigen müssen, da die kreative Beschäftigung als Privileg, gar als Luxus empfunden wird, dass aber andererseits eben jene KünstlerInnen gerade aufgrund dieser ungesicherten und selten einträglichen Arbeitssitutation in prekäre Zweit- und Drittbeschäftigungsverhältnisse gedrängt werden. Die fünfzehn kurzen Filme wurden so unter besonderer Berücksichtigung der Schlagworte Arbeitslosigkeit, Mystifizierung von Arbeit, Corporate Identity, neoliberale Flexibilität, Migration, Kapitalismuskritik, Arbeitskämpfe, sexuelle Ausbeutung und das Verschwinden von Arbeit zusammengestellt.
Armin Linke, Renato Rinaldi & Piero Zanini
Es wäre keine Kunstfilmsammlung, wenn die explizit benannten Themenkomplexe in den präsentierten Arbeiten direkt und mit politischer Agenda ausformuliert würden. Stattdessen nähern sich die meisten Beiträge – die übrigens nicht exklusiv für den Compiler entstanden, sondern aus einem Zeitraum von 2000 bis 2009 stammen – dem Thema "Arbeit" über Umwege. Im ersten Film der bayerischen Gruppe bankleer, "dereguliert I" turnen Affen mit Pappschildern mit aufgepinselten Parolen durch ihren Käfig, zerlegen sie – und knabbern sie letztendlich an. In "Académie de Police" werden skurrile Szenen aus einem Polizeiausbildungs-Camp im Schweizer Wallis gezeigt, die in einem riesigen Réduit-Bunker in gespenstisch echt nachgebauten Alltagsräumen wie Supermarkt, Gerichtssaal oder Wohnzimmer stattfinden. Elodie Pongs "Je suis une bombe" ironisiert und kritisiert die sexuelle Arbeit, die von Frauen für und ohne Geld verrichtet wird, mit einer Frau in einem pummeligen Ganzkörper-Pandakostüm, die als unbeholfenes Stoffbärchen pseudosexy Tanzbewegungen an einer Striptease-Stange vollführt. Katia Bassanini lässt in "Treadmill" das Klischee einer Business-Powerfrau über ein immer schneller werdendes Laufband traben, während ihr immer mehr (Konsum-)Gegenstände in die Hand gedrückt werden – am Ende stürzt sie, natürlich, vom Band. In "Der Übriggebliebene" porträtieren die beiden Kuratorinnen ihren verschrobenen Mitbewohner, der als letzter Nachtzeitungsverkäufer in Zürichs Bars und Gassen unterwegs ist.
Elodie Pong
Arbeit, so scheint die Zusammenstellung nahe zu legen, verschwindet in ihrer klassischen Definition immer stärker, und ist doch als organisierendes und strukturierendes Prinzip besonders da, wo es keine Trennung von Freizeit und Arbeit mehr gibt, dauerpräsent. Der Imperativ des "Arbeite an dir selbst" wirkt auf gespenstische Weise als Blaupause von künstlerischem Schaffen. Das wissen wir, nicht zuletzt dank Boltanski/Chiapello, sicherlich schon längst, aber es schadet nichts, es sich ab und zu mal wieder zu vergegenwärtigen. Die Frage, die jedoch nach wie vor offen bleibt, ist immer noch die: Wie kann man in und gegen diese/n Zusammenhänge/n politisch agieren?