Erstellt am: 14. 5. 2009 - 12:23 Uhr
It's only a movie!
Die Geschichte ist alt, reicht zurück ins Schweden des 14. Jahrhunderts. Angeblich lauerten damals drei Schäfer einer Bauerntochter auf, vergewaltigten und ermordeten das Mädchen. Als die Täter danach Unterschlupf suchen und zufällig im Haus der Eltern des Opfers landen, kommt es zu einem gnadenlosen Racheakt.
Der große Ingmar Bergman erzählt diese Legende 1960 in seinem düsteren Drama "Jungfrukällan" (Die Jungfrauenquelle) in langen, quälenden Einstellungen. Für den skandinavischen Regiemeister, der mit seinem Glauben ringt, geht es um existentielle Fragen: Welcher Gott lässt solche Gräueltaten geschehen? Wie würde man selber reagieren, wenn man plötzlich den Mördern eines geliebten Menschen gegenübersteht?
1972 schnappt sich ein junger US-Filmemacher namens Wes Craven den tragischen Stoff für seinen Debütstreifen. Zusammen mit seinem Kumpel Sean Cunningham, beide haben bislang nur in der Pornoszene Erfahrung, kratzt er ein minimales Budget zusammen und eine Handvoll Nachwuchsdarsteller.
"Last House On The Left" nennen die beiden ihr schundiges, blutgetränktes, inoffizielles Bergman-Remake, das in die Annalen des Exploitationkinos eingehen wird.
wes craven
Das letzte Haus links, das ist der Wohnsitz der Familie Collingwood, irgendwo in der amerikanischen Provinz. Eine verwahrloste Gang, angeführt von einem diabolischen Typen namens Krug, will sich dort nach einem grausamen Mord an zwei Hippiemädchen verstecken.
Aber die Killer haben sich das falsche Haus ausgesucht, denn als die Collingwood-Eltern herausfinden, dass sie ausgerechnet jenen Gewaltverbrechern Zuflucht gewähren, die ihre Tochter auf dem Gewissen haben, schlagen sie zurück.
"To avoid fainting, repeat: It's only a movie!" - Mit diesem Werbespruch vermarktete Wes Craven, der Regisseur von späteren Kassenschlagern wie "Nightmare On Elmstreet" oder "Scream", seinen Erstling. "Last House On The Left" erlangte bald einen berüchtigten Ruf. Im deutschen Sprachraum wurde der grindige Racheschocker als "Mondo Brutale" veröffentlicht und von der Zensur verstümmelt, in England gehörte er zu den am meisten beschlagnahmten "Video Nasties".
Viele Jahrzehnte später gibt es nicht nur eine ungeschnittene DVD-Fassung, Herr Craven hält als Produzent die Zeit auch reif für ein Remake. Mit "The Hills Have Eyes" ließ der Horrormaestro ja bereits einen seiner alten Schocker erfolgreich für die Splatter-Gegenwart adaptieren.
UIP
Aber kann eine neue Variation von "Last House On The Left", losgelöst vom Kontext des Originals, funktionieren? Schließlich ist Wes Cravens Film vor allem ein grausiger Abgesang auf die friedlichen Utopien der Blumenkinder-Ära, beeinflusst von den Schlagzeilen rund um die mörderische Manson Family.
Der griechische Regisseur Dennis Iliadis, der bislang nur mit dem Prostituiertendrama "Hardcore" auf einigen Festivals aufgefallen ist, überrascht aber mit einem beinahe seriösen Zugang. Nach einem heftigen Beginn drosselt der Film sein Tempo, setzt auf behutsame Kameraführung, zeigt jugendliche Charaktere, die fast aus einem Film von Larry Clark oder Gus van Sant stammen könnten.
Erst wenn die überzogenen Bösewichte ins Bild kommen, irgendwo zwischen Hillbilly-Gang und Rock'n'Roll-Band, schnappt die Klischeefalle zu. In die Nähe eines Rob-Zombie-Streifens, wo aufdringliche Comic-Posen jeglichen Realitätsbezug verhindern, kommt "Last House On The Left" anno 2009 glücklicherweise trotzdem nicht.
Die Stimmung bleibt unironisch, eindringlich, stellenweise durchaus verstörend. Dennis Iliadis bedient zwar die Blut & Beuschel-Community mit einigen Schweinereien, aber er nimmt die Opfer ernster, als es im Genre üblich ist. Statt stumpfem Torture Porn liefert er Hardcore-Horror mit Ambition.
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