Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Tief im Bärchenwald mit der Räuberhöhle"

Sonja EismannBerlin/Wien

Gender, Pop und Kritik. In allen Formaten.

20. 5. 2009 - 10:00

Tief im Bärchenwald mit der Räuberhöhle

Für ihr neues Album haben sich Krawalla und die Bärchin tief im Wald verkrochen - und dabei Agit-Punk poppig neu buchstabiert

Cover der neuen Räuberhöhle-CD

Räuberhöhle

Was für ein wunderschön eskapistischer Kindertraum: Die Welt von Räuberhöhle bevölkern kulleräugige Püppchen, süße Bärchen und spielende Igel – und wenn man zudem in den Genuss eines ihrer überaus liebevoll ausgestatteten Promo-Päckchen kommt, steigt einem beim Öffnen gleich der kaugummi-süße, äh, "Duft" eines rosa Wunderbäumchens entgegen, der sein intensives Aroma inmitten von Aufklebern, Buttons und bunten Bilder ausdünstet.

Facts, Facts, Facts

  • Räuberhöhle - "Deep In The Forest" ist auf Megapeng/Indigo erschienen.
  • Räuberhöhle auf Myspace

Doch wer die Berliner Musikerin, die sich auch Krawalla oder Krawallmädchen nennt, je gesehen hat, weiß, dass die Punkette ziemlich wenig mit dem Bild gemeinsam hat, das sich viele gerne von Kitsch-verliebten Hello-Kitty-Fans machen: Mit zutätowierten Armen und zerzaustem Haar persifliert die überzeugte Veganerin in den autonomen Zentren der Welt in einem ironischen Puppentheater die Mechanismen von Mainstream-Casting-Shows. Immer an ihrer Seite: Ein lebensgroßer, mit ihr herumhüpfender, stummer Bär im zotteligen Fellkostüm, auch "die Bärchin" genannt.

Krawalla und die Bärchin als Puppenfiguren im Schnee

Räuberhöhle

Die Aliasse von Krawalla und Bärchin tief im Wald und im Schnee

Schon seit fünf Alben rüttelt Räuberhöhle von ihrem Friedrichshainer Höhlen-Quartier aus, das sie mit ihren Katzen bewohnt, mit Spielzeug-Keyboards, Trash-Technopunk und mitreißend geschrieenen Parolen all die auf, die sich ihren Messages öffnen – und das waren inzwischen nicht wenige bei ihren Konzerten in Europa, Australien, Japan, Neuseeland und Amerika.

Unterwegs
Hier noch ein paar Tourdaten (leider bislang nur in DE). Krawalla sagt dazu: "Ihr geht da hin und hört euch das an! Sonst kommt ihr alle in den Kochtopf!" Na dann:

  • 20.05. Amp, Münster
  • 21.05. Druckluft, Oberhausen
  • 22.05. Tanzhaus West, Frankfurt a. M.
  • 23.05. Keller, Stuttgart
  • 29.05. Indiego Glocksee, Hannover
  • 30.05. Hafermarkt, Flensburg
  • 31.05. Hafenklang, Hamburg

Neben der Kritik am "Normalzustand" im "Land der Richter und Henker", die sich auf der neuen Platte unter anderem wieder in "The Collective Face Of German Volkszorn" äußert, geht es auch immer wieder um die Unter- bzw- Missrepräsentation von Frauen in diesem Zirkus namens Popkultur, z.B. in "Singing For Bois". Da fleht das Krawallmädchen ihre Schwestern an, doch bitte auch mal zur Gitarre zu greifen oder zur "drum stick slinger" zu werden.

Die Erklärung für den Plattentitel, "Deep In The Forest" liefert die Krawallschwester im Infoblättchen mit dem ihrer unvergleichlich rotzigen Verve gleich selbst: "Also, die Geschichte ist bekannt: Dieser Hänsel und seine Schwester Gretel verlaufen sich im Wald, da wohnt diese Oma, die will sie in ihrem Cannibal Way of Life vertilgen und füttert eines der Bälger bis zum Platzen an. Das Mädchen (is klar, ne) muss rackern bis der Buckel krumm ist. Die Zeiten haben sich geändert. Klimakatastrophen, Wirtschaftskrisen... 2009: Krawalla flieht mit ihrer pfundigen Räubersuite in den Wald. Hier werden weder Kinder noch irgendwelche anderen Quälgeister getoastet. Nein, da kommt Tofu auf den Tisch und für die Bärchin gibt's mal ein Mamba. Die restliche Zeit wird mit Brummen und Fiepen verbracht."

Krawalla mit Mikrofon und einem Stoff-Einhorn

petter brandt @ emmaboda festival/sweden

Das Krawallmädchen reitet das Einhorn

Hat man jemals ein schöneres Rewriting der gruseligen Grimm-Geschichte gelesen? Ein Glück außerdem, dass sich Krawalla und Bärchin nicht alleine im finsteren Wald herumgetrieben haben, sondern Gesellschaft von Gestalten wie Fiete & Kreisel von den Ex-Raketenjungs bekommen haben. Die tragen mit dazu bei, dass der Emocore-Smasher "I Stay" zum Hit wird. Und auch der tatkräftigen Unterstützung von Thomas Lang, dem Sänger von Robocop Kraus, ist es zu verdanken, dass der Opener, "Deep In The Forest", trotz seiner epischen Länge von mehr als acht Minuten, ein veritabler Ohrwurm ist. Da bleibt nur noch zu wünschen, dass die Räuberhöhle mit ihrer Knaller-Platte nicht nur den aufgeräumten Märchenwald und die AZs der Welt beschallt, sondern auch die ein oder andere Puppenstube verwüsten darf.