Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der Salon ist sehr morbidä"

Sonja EismannBerlin/Wien

Gender, Pop und Kritik. In allen Formaten.

18. 5. 2009 - 11:49

Der Salon ist sehr morbidä

Die überdrehte Performerin Frau Kraushaar aus Hamburg führt nicht nur einen Salon, sie hat auch just ihre erste Platte fertig gestellt. Weirdo-Faktor inklusive.

Das Cover der CD "Le Salon Is Very Morbidä" von Frau Kraushaar

Frau Kraushaar

Das Cover - very incognito

Frau Kraushaar auf myspace

Eine CD mit Songtiteln wie "Elektroniskä Pülsä", "Muh Kuh", "Oh Gaga Oh Jeh" und "Politicki Dummes Ficki"? Und das Ganze unter dem Motto "Le salon is very morbidä?" Willkommen im Universum der Frau Kraushaar, willkommen auf ihrem ersten Album mit genau diesem Titel. Zu scheppernden Billig-Orgelbeats zwischen Polka, Techno und Ambient, merkwürdigen Tierlauten – oder sind das etwa zum Leben erwachte Comicfiguren? – und schrillen bis pluckernden Trash-Sounds singt Frau Kraushaar aus Hamburg, bürgerlich Silvia Berger, in einem eigentümlichen Sprachgemisch über die Skurrilitäten des Lebens.

Frau Kraushaar liegt mit Mikro in der Hand auf dem Boden

Frau Kraushaar

Besonders gut zu erkennen: woher der Name kommt

Frau Kraushaar live (vorerst nur in DE)

21. Mai. - Radio Z Festival, Nürnberg
22. Mai. – Pal, Köln
05. Jun. - Café Bohemian/Mediencoop, Bremen

Während man aus der Ferne manchmal schon denken musste, diese besonders für Hamburg und teilweise auch für Berlin typische Weirdo-LoFi-Musik mit ihrem so völlig eigenen Humor, die vor gut zehn Jahren massiv in unser Bewusstsein drang, sei langsam erschlafft, beweist das Treiben von Frau Kraushaar an der Schnittstelle von Musik, Performance und Kunst, dass die Szene lebt und kickt. Es sind unter anderem Namen wie Greta Schloch, Klaus Beyer, Angie Reed, Jacques Palminger, Felix Kubin und Nova Huta, die man mit dieser unerschrockenen, bewusst dilettantischen Herangehensweise an ihre wie zusammengebastelt wirkende Musikproduktion mit fantastisch-dadaistischen Texten verbindet, und es ist sicher kein Zufall, dass die beiden Letzteren auch an Frau Kraushaars Platte ordentlich mitgewerkelt haben. Weitere Unterstützung für die in Bayern aufgewachsene Deutsch-Tunesierin kam von Jim Avignon, DJ Patex, Namosh und Mauru.

Frau Kraushaar steht mit erhobenen Händen in einer Galerie vor Publikum

Frau Kraushaar

Frau Kraushaar live

Doch auch wenn überkandidelt gesungene Songzeilen wie "Cats on Crack? Muschi Muschi!" das nahe legen, geht es bei Frau Kraushaar nicht nur um lustigen Klamauk. Klar, piepsig intonierte Texte wie "Ich war schon als Kind eine Nervensäge" sind spaßig und in all ihrer Weirdness sehr eingängig, aber es gehen auch andere Register. Z.B. fast sphärische Stücke wie "Romy" mit einem zerstückelten Eintrag aus Romy Schneiders Tagebuch, oder auch das melancholische "Not Controlled", die unter der versponnenen Kraushaar’schen Komik eine große Sensibilität erkennen lassen, ohne damit die Verrücktheit der anderen Lieder zu konterkarieren. Schön, wenn beides geht, denn es gibt ja nichts Langweiligeres als monothematische Musik – und Langeweile ist nun Lady Kraushaars Sache nicht.