Erstellt am: 14. 5. 2009 - 18:31 Uhr
The Importance of Being Honest
"Rebel Girl, rebel girl, rebel girl you are the queen of my world..." - Bikini Kill
Wenn Bikini Kill damals, 1994, gewusst hätten, dass eines Tages Beth Ditto das angesungene Rebel Girl personifizieren würde, hätten sie das Stück sicher ihr gewidmet. Wohl niemand polarisiert derzeit so stark wie Beth Ditto. Und nicht etwa, weil sie eine "out" Lesbe ist oder weil sie mit der Stimmgewalt einer Janis Joplin auf's Tonband trällert. Nicht weil sie Punk ist und nicht weil sie eine Frau im Rockbusiness ist. Nein, das ist alles Nebensache. Thema Nr. 1: Ihr Gewicht.
Das neue Gossip Album "Music for Men" erscheint am 19. Juni auf Columbia/Sony. Am 20. Mai sind The Gossip beim Spring 09 Festival in Graz zu sehen.
Natürlich, klar, wir gaffen alle auf's Foto von Beth Ditto auf dem Cover vom Standard-Rondo - weil wir es einfach nicht gewohnt sind, eine Frau jenseits der Größe 32 und jenseits aller medial-erfundenen Schönheitsideale auf dem Titelblatt einer Lifestyle-Beilage zu sehen. Bevor wir uns irgendwie dazu äußern können, erst mal der Schock des Ungewohnten.
Das ist schon mal das erste Problem, das Beth Ditto aufwirft: sie fällt deswegen wegen ihres Aussehens auf, weil sie die einzige ist! Ihr Photo am NME Cover im Februar 2008 war das erste Mal, das ich eine übergewichtige Frau in so derart "sexy" Pose in einem Heft gesehen habe - und ich treibe mich im Zeitschriftenhandel sicherlich nicht nur in der Glamour-Abteilung herum. Beth Ditto ist das Paradebeispiel, die erste und die bis jetzt einzige, die das geschafft hat. Klar, das ihrem Gewicht Aufmerksamkeit geschenkt wird.
The Gossip
Der Backlash aber ist enorm. Die Medien veröffentlichen absichtlich Meuchelfotos von Beth, um ihre unvorteilhaften Posen als Beweis zu nehmen: So hässlich ist dick. Und warum? Weil Beth Ditto sich mit einer Wurstigkeit ihre Träume erfüllt; mit Kate Moss abhängt, ihrer liberal-gepolten Band durch ihre vielen Auftritte enorme Medienpräsenz schafft. Und weil sie es alles geschafft hat, indem sie immer ehrlich war, sich nie für ihr "Benehmen" und ihr Aussehen entschuldigt hat.
Und mit dem sind viele Leute nicht einverstanden - sie vergönnen es ihr nicht und setzten sich, wie die Bullys in der Schule, auf den offenbaren, wunden Punkt: Das Fett. Nachdem die Medien Kelly Osbourne schon mehrere Male ins Rehab gebracht haben, haben sie nun ein neues Opfer. Beth Ditto aber bleibt stark.
Ich bin mir sicher Beth Ditto wäre lieber dünn als dick. Wer wäre das nicht gern. Aber es ist nun mal wie's ist. Und zum allerersten Mal ist eine Frau auf einer Bühne, die genau das sagt und sich nichts verbietet. Zum allerersten Mal sagt ein Celebrity nein zu einer Fashion Line, weil die Anbieter (in diesem Fall Topshop) kein Gewand in Übergroßen anbieten. Beth Ditto ist Empowerment und Vorbild für uns alle - das ist Selbstvertrauen. Ihr ganzes Leben lang hat sie sich beweisen müssen - wer in einem Trailer Park in Arkansas aufwächst und a) Sängerin werden will, b) die Welt sehen will und c) homosexuell ist, hat's nicht leicht.
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Abgesehen von jeder Art Haute Couture Parties, hat es Beth Ditto mit ihrem Talent und ihrer Entschlossenheit geschafft, über Jahre hinweg The Gossip zu einer fantastischen Band zu machen. Was als Portland-Punk angefangen, hat sich zum coolen Southern-Dance-Pop-Rock gemausert, ein Genre das ich soeben erfunden habe, weil the Gossip mittlerweile so viele Einflüsse verarbeiten, dass man sie gar nicht mehr beschreiben kann. Siehe auch die neue Single "Heavy Cross".
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The Gossip stehen für Freiheit - es ist Musik von einer Gruppe von Leuten gemacht, die sich in ihren wildesten Träumen nicht gedacht hätten, jemals dort zu stehen wo sie jetzt sind. Jeder ist in der Gossip-Gemeinde willkommen - und jeder nimmt nach einem Konzert eine Portion Mut und Inspiration mit.
"I'm doing this for you
Because it's easier to lose
And it's hard to face the truth" - The Gossip