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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 5. 2009 - 16:28

Fußball-Journal '09-33.

Ein Fortschritt und ein Rückschritt. Über die anstehende U19-EM-Quali und dysfunktionale Nachwuchs-Coaches.

Nein, ich kann mich eigentlich nicht beschweren: die heute startende Qualifikations-Runde der österreichischen U19-Auswahl ist medial so schön gecovert wie noch nie zuvor, obwohl sie keineswegs hierzulande, sondern im fernen Serbien stattfindet.

Hier die Infos zur Österreich-Gruppe auf der UEFA-U19-EM-Website

Die heimischen Sportportale wie laola1 oder Sportnet covern das Ereignis, sport.orf.at oder die Kleine berichten (wenn auch eher nur mit dem APA-Text), der Kurier nimmt die drei Matches sogar zum Anlaß, Junior Dieter Elsneg zu protraitieren,. Ja, selbst die sonst gern kryptische ÖFB-Website gibt bereitwillig umfassende Informationen.

Das war nicht immer so und verdient deshalb Beachtung.

Pfeifenbergers unheimlicher Ehrgeiz

Deshalb ist eine am Wochenende getätigte, als Interview getarnte Stellenbewerbung des U21-Co-Trainers Heimo Pfeifenberger auch so ärgerlich. Der konnte, am Rande von Rapid vs Salzburg, nicht an sich halten und ließ, tendenziell ungefragt, aus sich rausplatzen, dass er es gar nicht mehr erwarten könne eine Angebot aus dem "Tagesgeschäft" zu bekommen.
Sein Chef, U21-Teamchef Andi Herzog, versuchte sich nur in einer halbherzigen Abschwächung und verlor sich dabei in der Behauptung, er habe in den bisher ganzen zwei gemeinsamen Spielen ganz enorm viel gelernt von seinem Co, dem Pfeife.

Der hat ja auch eine echt enorme Erfahrung: nach dem BNZ Salzburg wurde er vom Grödig-Mäzen Anton Haas als Aushängeschild mit dem Trainer-Job betraut (die Trainer-Lizenz hatte damals Co-Trainer Fengg, nicht Pfeifenberger), ja, und das war's dann.

Seinen Job straffrei öffentlich runtermachen

Weil unter österrreichischen Ex-Teamspielern der (Irr-)Glaube vorherrscht eine Ex-Karriere alleine würde sie automatisch für Höheres qualifizieren, weil das Antichambrieren im VIP-Club meist dafür reicht um wenig gut informierte Funktionäre wegzublenden und weil es immer auch um ein Gegengeschäft mit Umfeld und Medien geht, die über ein bekanntes Gesicht auch mehr erfreut sind als über einen Fachmann, und weil das heimische Fußball-Biz tendenziell von Laien organisiert wird, die einen derartigen Image-Transfer tatsächlicher Aufbau-Arbeit vorziehen, kann derlei Blödsinn ungestraft passieren.

Dass nämlich ein aktiver ÖFB-Trainer seinen aktuellen Job öffentlich runtermacht, als wertloses Sprungbrett, als reines Alibi für die Visitkarte sichtbar macht.

So gesehen muß man Pfeifenberger fast dankbar sein.
Weil er diese Unverfrorenheit, mit der die Karrieristen-Sprungbrettverwender-ExTeamspieler/Newbies an die ihrer Meinung nach wertlosen Betreuung von ÖFB-Auswahlmannschaften herangehen, deutlich ausspricht.

Hatte die Generation Gludovatz/Hitzel/ErnstWeber noch tatsächlich das Wohl und Wehe der Jungen im Sinn, ist es für die Generation Pfeifenberger nur ein sehr lästiger Steigbügel ins medial viel präsentere Selbstvermarktungs-Business Bundesliga.

Ehrgeiz-Dysfunktion

Wobei man sich schon fragt: wer will ernsthaft einen unerfahrenen Junior mit Ehrgeiz-Dysfunktion anstellen? Kann nur jemand sein, der das System Fußball in seiner Gänze nicht begriffen hat (also eh der durchschnittliche österreichische vereins-Präsident). Die Modelle echter Fußball-Nationen (junge Coaches in die Jugend stecken, und zwar ernsthaft und über Jahre und parallel zu ihrer Ausbildung, nicht nur bissl pro forma wie hierzulande) greifen in Österreich natürlich nicht.

Dass jemand wie Thomas Janeschitz, der das verinnerlicht hat, beim ÖFB die Leitung der Traineraus-und Fortbildung übernahm, muß deshalb speziell herausgestrichen werden.

Denn auch beim U19 und U18-Coach, Andreas Heraf, wird man das deutliche Gefühl, dass hier jemand ganz dringend einen Renommier-Job sucht, der ihn aus den unangenehmen Niederungen der anstrengenden und wenig medienträchtigen Jugendarbeit befreit. Weil man in "Tagesgeschäft" auf allen Ebenen (Vertrag, Vermarktung, Vermittlung) natürlich um Eckhäuser besser ab/mitschneidet, eh klar.

Man agiert sogar, in allerbester Peter-Stöger-Manier, als beleidigte Leberwurst, wenn man nicht einmal erwogen wird.

Diese Pose vermitteln Heraf und auch Andi Herzog bei ihren Nebenjobs als Premiere-Experten leider durchgehend. Weshalb dann Pfeifenberger einen Interview-Kurzauftritt für die kompromierte Version dieser Dauerwerbesendung nützte.

Hier verlinkt ist der aktuelle U19-Teamkader. Das war der erweitere Kader vor dem Turnier, und das der Kader fürs Trainingslager davor.

Der aktuelle U18-Teamkader, in Dienstag einem Test gegen Estland (auswärts) aktiv - man gewann 4:0.

Das ist der U17-Kader, der es knapp nicht schaffte. Hier eine interessante Vorstufe dazu, ein Kader mit nur 14 Einberufenen(!).

Ein Blick in den aktuellenU16-Kader

Im übrigen sieht es im punkto Akademien immer besser aus: zb bei Rapid oder auch derAustria.

So, Stänker-Modus aus jetzt.

Denn, immerhin, erstmals in Herafs Amtszeit hab ich das Gefühl, dass er sich mit seiner Hauptaufgabe, dem Coachen des U19-Teams, ernsthaft auseinandergesetzt hat. Dazu gehören Vorauswahllistungen, Sichtungen, Ausfahrten in BNZs und AKAs, Besuche von weniger guten Regional-, Landes- und Erst-Liga-Matches und Gespräche, Gespräche, Gespräche.

Denn die U19 oder U18-Kandidaten wachsen nicht auf den für alle sichtbaren Bäumen des Bundesliga-Matches (nur etwa ein Dutzend der Kandidaten für Heraf sind via Premiere-Übertragung zu sehen) sondern in den zweiten Mannschaften oder bei den kleineren Vereinen. Und mehr als zehn Spieler pro Jahrgang sind auch nicht im Ausland aufzufinden, wo sie für eine potentielle Welt-Karriere hergerichtet werden.

Und wenn dann noch wie aktuell fast zwei Dutzend Kandidaten der Jahrgänge 90 und 91 wegen Verletzung, Nicht-Freigabe oder gar Matura ausfallen, wird schonungslos klar, wie schmal auch in diesem Bereich die Basis ist, aus der eine Selektion erstellt werden kann.

Und wie notwendig es ist diese chosen few verdammt gut auszubilden. Am besten von Coaches, die nur das und nur sie im Kopf haben. Und eher nicht von Coaches, die stattdessen an ihrer Karriere basteln.

Mit einem Rumpfteam in die Quali

Die 18 ÖFB-Vertreter sind
Tor: Markus Egger (Tirol), Pirmin Strasser (Ried)
Verteidigung: Sebastian Radakovits (Salzburg), Aleksandar Dragovic (Austria), Luca Tauschmann und Kevin Hacker (Sturm) Florian Hart (LASK), Thomas Kral (Wienerberg/Austria) und Tomislav Micanovic (Magna/Wienerberg).
Mittelfeld: Thomas Hopfer und Marco Sahanek (Admira), Christian Klem (Sturm), Marco Meilinger (Salzburg), Robert Gucher (Frosinone), Markus Obernosterer (Wacker)
Angriff: Dieter Elsneg (Frosinone), Georg Gravogl (St. Pölten), Ken Noel (Admira).

Dienstag, 17 Uhr: Fein, das erste Spiel (in Tavankut) haben die Buben schon einmal gewonnen, 3:2 gegen Ungarn.
Egger; Hart, Radakovits, Dragovic, Tauschmann; Sahanek, Hopfer (65./Obernosterer), Gucher, Klem; Elsneg (70./Meilinger), Gravogl (72./Noel)
Tore: Georg Gravogl (35., 45.) und Aleksandar Dragovic (43.) per Freistoß.
2. Gruppenspiel am Donnerstag (16.30 Uhr) gegen Gastgeber Serbien. Am Sonntag im letzten Spiel wartet noch Finnland.
Der Sieger dieser Eliterunde ist für die EM-Endrunde vom 21. Juli bis 2. August in der Ukraine qualifiziert.

So fehlen Herafs U19 aktuell die beiden Torleute (Weindl von Admira, dazu Lindner von der Austria, der wurde nicht freigegeben und spielt heute Meisterschaft) dazu die verletzten Christophers Dibon (Admira) und Drazan (Rapid), der lange Schwab aus Salzburg (auch der muß mit den Juniors in Wien spielen, darf nicht ins arge Ausland), Tadic (Austria) und die Legionäre Weimann (Aston Villa Reserve) und Alaba (Bayern II).

David Alaba ist zwar Jahrgang 92 und somit noch U17 spielberechtigt, aber erstens ist die U17 in ihrer kürzlich erfolgten Quali (mit Pech und an Italien) gescheitert und zweitens spielt der von Bayerns Dauer-Nachwuchs-Coach Gerland geförderte Ex-Austrianer schon sehr gut bei den Älteren mit. Der 92er-Jahrgang, so meinen einige Fachleute, wäre überhaupt der mit der Mehrzahl echter Spitzen-Talente.

Da Heraf die 21 Akteure, die ihm fehlen, nicht im Detail bekanntgegeben hat, läßt sich nicht sagen, wen er übersehen hat. Klar ist, dass er auf Legionäre wie Hofbauer (auch von Villa), Grasser (Westham-Reserve), Krenn (Everton U19,; der erzählt im übrigen hier recht anschaulich wie das so läuft mit der Nominierung...), Krisch und Derdak (Werder U19), Wagner (Hearts U19), Djuricin (Hertha jr.) oder Domej (Dinamo Zagreb U19) verzichtet.
Ich vermisse zudem Hierländer und Ritzmaier aus Kärnten, Ildiz und Sandic von Rapid, Bevab von Lustenau, Vorraber aus Gratkorn (der mußte ligaspielen...), Ivos, Kragl oder Pinter vom LASK, den einen oder anderen Salzburger Junior oder Austria-Amateur, um nur einige zu nennen. Aber vielleicht haben die ja alle jetzt Matura-Termin.

Trotzdem ist der Kader gut genug: Aleks Dragovic, Teamkader-Nominierter Austria-Jungstar, Elsneg und Gucher von Italiens Serie B-Team Frosinone, der Herrn Krankl leider unbekannte Florian Hart vom LASK, die Sturm-Amateure Klem, Kröpfl, Hacker und Tauschmann oder Wacker-Talent Obernosterer und andere mehr sind durchaus imstande sich durchzusetzen.

Wenn sie ihre Aufgabe, nämlich sich nicht auf irgendwelche Haberer-Partien zu verlassen, sondern sich international ins Gesichtsfeld zu spielen, erfüllen.
Und das ist den Herren Burschen auch zuzutrauen.

Darum geht es nämlich längst, im vollständig globalisiertem Fußball - um den internationalen, interkulturellen Aspekt, ums über den Tellerrand des Protektions-Jobs bei den Grödigs dieser Welt Hinausdenken.

Das den noch aus der Kartentippler-Ära einer zurecht versunkenen Fußball-Welt stammenden Letzten ihrer Art, den angesprochenen Wannabe-Coaches, begreifbar zu machen, ist aber wohl vergebliche Liebesmüh.