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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

13. 5. 2009 - 14:01

E-Voting

Bei der ÖH-Wahl 2009 kann man das erste Mal elektronisch wählen. Vielleicht auch das letzte Mal.

Die Gentechnik-Gegner kommen immer mit dem selben Argument: "Man kann durch noch so viele Laborstudien einfach nicht sagen, welche Auswirkungen gentechnisch veränderte Pflanzen auf ihre Umwelt haben, wenn sie sich frei verbreiten können." Und die Befürworter sagen: "Ihr fortschrittsfeindlichen Angsthasen, was soll schon sein, wir passen eh auf. Und außerdem lösen wir die Sache mit dem Hunger in der Dritten Welt."

Höhere Wahlbeteiligung?

E-Voting wird mit dem Argument beworben, dass sich die Wahlbeteiligung dadurch ehöht. In Estland konnte bei der Nationalratswahl 2007 auch elektronisch abgestimmt werden. Die Wahlbeteiligung war mit 47 Prozent so gering wie nie zuvor. Wobei: Estland ist erst seit 1991 unabhängig. So oft haben die noch nicht gewählt.

Je komplexer ein System ist,...

Beim E-Voting ist das ähnlich. Die Kritiker, und das sind nicht wenige, haben ein wirklich gutes Argument: Ganz im Gegensatz zu analogen Wahlen kann nicht jeder Mensch, wäre er oder sie Wahlbeobachter, den korrekten Ablauf der Wahl feststellen. Bei Real-life-Wahlen kann man sich anschauen, wie die leeren Wahlurnen verschlossen und plombiert werden, Vertreter verschiedenster Parteien sitzen am Tisch im Wahllokal und überprüfen die Identität der Wählerinnen und Wähler und man kann zuschauen, wie die Urnen geöffnet und jeder Stimmzettel von mehreren Menschen überprüft wird.

Der einzige Problembereich, den es momentan bei Wahlen diesbezüglich sonst noch gibt, ist die Briefahl. Denn auch hier ist die geheime Wahl unter Umständen nicht garantiert. Außerdem kann theoretisch noch abgestimmt werden, wenn das vorläufige Endergebnis schon veröffentlicht ist.

... desto fehleranfälliger ist es.

Dennoch: Bei der elektronischen Abstimmung fällt die Überprüfbarkeit demokratischer Standards weg. Selbst Programmierer unter den Wahlbeobachtern können nicht mehr wirklich feststellen, ob da alles seine Richtigkeit hat. An dieser Stelle kontern die Verfechter des E-Votings damit, dass sie ja Experten haben, die das sehr wohl können.

ÖH-Fraktionen
In den Interviews mit FM4 gehen die Spitzenkandidaten der ÖH-Fraktionen AG, GRAS, FLÖ, VSSTÖ, JULI, KSV und RFS auch auf ihre Position zu E-voting ein.

Nur: Das ist nicht ganz exakt. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums besteht der Quellcode des verwendeten Wahlprogramms aus zirka 183.000 Zeilen. "Umgerechnet sind das zwischen 40 und 50 Taschenbücher voller mathematischer Formeln", sagt Christian Jeitler vom Verein Quintessenz. "Klar können Programmierer darin alle Schwachstellen und Fehler finden. Aber wenn man bedenkt, dass in Programmen, die seit Jahren verwendet werden, deren Quellcode offen liegt und über den laufend Programmierer drübergehen, immer noch Sicherheitslücken gefunden werden, hat auch das verwendete Wahlprogramm noch etliche unentdeckte Fehler." Und oft genug werden Sicherheitslücken nur durch Zufall bekannt.

Das in der Verfassung verankerte "gleiche, unmittelbare, geheime und persönliche Wahlrecht" kann der Staat - anders als in der Wahlkabine - zu Hause nicht garantieren. Die technischen und rechtlichen Unsicherheiten haben auch die Vorsitzenden der Wahlkommission an der Universität Wien, Gerda Marx, und ihren Stellvertreter, Matthias Köhler, dazu bewogen, im vergangenen Dezember ihr Amt zurückzulegen.

Geheim? Frei? Unmittelbar?

Schief gehen könnte die E-Wahl auf verschiedene Art:

E-Voting? So geht's:

Upgrade deine E-Card oder Bankomatkarte zur Bürgerkarte und hol dir ein Chipkartenlesegerät - und zwar bis 22. Mai. Da endet nämlich der E-Voting Abschnitt der ÖH-Wahlen. Momentan können - je nach Quelle - zwischen 5000 und 16000 Studierende elektronisch wählen.

  • Im Bundesrechenzentrum, wo alle Stimmen zusammenkommen und das Endergebnis ausgerechnet wird, verschafft sich jemand durch eine Sicherheitslücke oder ein Hintertürchen Zutritt zum Wahlprogramm und verändert die Zahlen. Es klingt ein bisschen lächerlich, dass etwa ein großer Fan einer bestimmten Liste bei den ÖH-Wahlen das Ergebnis in derem Sinn manipuliert, aber angeblich soll das System schon 2018 bei Nationalratswahlen eingesetzt werden - Und schon schaut die Sache anders aus.
  • Die größte Schwachstelle sind die privaten Computer der Studenten. Denn auch wenn ein Anti-Viren-Programm installiert ist und regelmässig upgedatet wird, findet das nicht alle aktuelle Schadsoftware, die potentiell darauf läuft. Die Vision von einem Botnetz mit 100.000 Rechnern, die alle für eine Partei abstimmen, ganz egal, was der Wähler anklickt, liegt da nicht mehr so fern.
  • Dann besteht noch die Gefahr, dass jemand Wähler und Stimme zusammenführt und eine personalisierte Wählerliste hat.
  • Das lustigste aller möglicher E-voting-Probleme ist aber schon passiert: In Finnland ist erst kürzlich eine Regionalwahl vom dortigen Obersten Gerichtshof für ungültig erklärt worden, weil die Wahlcomputer zwei Prozent der Stimmen verloren haben. Das zentrale Element des dort verwendeten Systems kommt aus dem Hause Scytl, eine spanische Softwareschmiede, die auch am Wahlsystem bei der hiesigen ÖH-Wahl mitgearbeitet hat. Die Finnische Wahl muss nun wiederholt werden.

Alle Infos zu den ÖH-Wahlen

Das könnte auch der ÖH-Wahl 2009 blühen: Sowohl der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) als auch die Grünen und alternativen Studenten (Gras) wollen die Wahl anfechten. Und wenn der Verfassungsgerichtshof sagt, dass nicht e-gevotet hätte werden dürfen, muss die ÖH-Wahl wiederholt werden. Dann wären nicht nur die Wahl- und Wahlkampfkosten umsonst gewesen, sondern auch die bisher angefallenen Kosten für E-Voting und Werbung dafür in der Höhe von mehr als 240.000 Euro. Aber, anders als mit den freigestezten, gentechnisch veränderten Pflanzen, lässt sich die Sache wenigstens ganz einfach rückgängig machen.