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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

10. 5. 2009 - 13:40

From Her To Eternity

Die ersten vier Platten von Nick Cave And The Bad Seeds werden in opulenter Aufmachung wiederveröffentlicht.

In den letzten Jahren hat sich der australische Sänger und Songwriter Nick Cave für seine Verhältnisse, eher beruhigten Gospelkompositionen hingegeben. Immer extrem wortgewaltig, aber musikalisch doch auffallend zurückhaltend. Natürlich vor allem im Vergleich mit seinem Frühwerk. Erst mit seinem Seitenprojekt Grinderman und auf seinem letzten
Album "Dig Lazarus Dig" mit den Bad Seeds setzte Cave wieder vermehrt auf den für ihn so berühmten Bluespunk durch den er berühmt-berüchtigt wurde.

Diese Rückbesinnung an frühe Tugenden leitet auch gut das aktuelle Projekt von Nick Caves Plattenfirma ein. Denn die wiederveröffentlicht die ersten vier Platten von den Bad Seeds als opulente Packages: "From Her To Eternity", "The Firstborn Is Dead", "Kicking Against The Pricks" und "Your Funeral.. My Trial".

Nick Cave And The Bad Seeds

Die Re-Release glänzen durch Bonustracks, DVDs, aufwendige Gestaltung und erinnern daran, was für eine gewaltige Musikorgie Nick Cave mit seinen Bad Seeds veranstaltete.

Aber diese Musikmonumente waren nicht der Anfang von Nick Caves Karriere. 1978 gründet der Australier Nick Cave mit seinem Freund dem
Gitarristen Mick Harvey die Punkband Boys Nex Door. Die Boys Next Door schaffen es auf zwei Alben und lösen sich 1980 wieder auf. Nick Cave und Mick Harvey möchten aber weiter gemeinsam Musik machen und ihr kreative Spektrum verändern. Sie gründen die Birthday Party. Mit der Birthday Party mischen sie knochentrockenen Punk und Rockabilly mit traditionellem Blues. Das hat man in so einer Kombination noch nie gehört.

Bis 1982 veröffentlicht die Birthday Party eine Handvoll Alben und Singles und schell ist man eine Underground-Ikone zwischen Musik-Extremismus, Poesie und einem Sumpf aus Drogen.

Aber es geht noch radikaler. Cave und Harvey ziehen nach Berlin treffen auf die Einstürzende Neubauten und werben Blixa Bargeld als unkonventionellen zweiten Gitarristen an und das Projekt Nick Cave And The Bad Seeds wird zum Leben erweckt. Und das besteht jetzt aus den Radikalismen Blues, Punk, New Wave und Lärm. Dazu Nick Caves großes Handwerk als Songwriter der zwischen heiligem Zorn, Rausch und kläglichem Scheitern pendelt und gerne die Ästhetik christlicher Fundamentalismen anzapft.

Stranger Than Kindness

Nick Cave thematisiert seine leidenschaftliche Besessenheit biblischer Mythologie. Die Schönheit der Sprache, die unter einer ungemein obszönen Ästhetik gut versteckt ist, und die raffinierten Perspektivwechsel seiner Geschichten sind bemerkenswert. So leichtfüßig, behände und trotzdem ernsthaft wird selten mit den großen Kalibern Tod, Geburt, Liebe, Hass und vor allem Erlösung und Vergebung umgegangen.

Nick Cave And The Bad Seeds

1984 bis 1986. Die Bad Seeds torpedieren mit ihrer Radikalität die sie mit Tradition vermählen, ihre gesamte musikalische Nachbarschaft, selbst Protagonisten des New Wave werden weggefegt wenn die Bad Seeds ihren infernalischen Blues und ihre mittelalterlichen Moritaten erzählen. Ein Haufen junger Leute zwischen grenzenloser Euphorie und Kraft und gleichzeitig eine Spur der Verwüstung hinter sich herziehend.

Noch fordern Lebensstil und Rauschgifte noch nicht ihren tragischen Tribut. Aber die dunklen Wolken sind kurz vor dem Bersten, der Tanz auf dem Vulkan schon fast vorbei. Die ersten vier Platten von den Bad Seeds sind in Wort und Musik eine alles auslöschende Eruption. Eine schmerzlich erzwungene Erlösung.
Nick Cave