Erstellt am: 17. 6. 2009 - 15:50 Uhr
Phönix aus der Asche
Have I been traveling so long
That I've forgotten how to stop?
Why are my brakes all broken?
Wheels spinning out of control
And the mirror
Pale and deathly have become
(Patrick Wolf: 'Thickets')
nick thornton jones & warren du preez
Vor ein paar Wochen lag in meinen Postfach eine Nachricht. Darin ein etwa 20 Seitiges Manifest von Patrick Wolf zur neuen Platte. Manchmal können zu viele Erklärungen ein Werk eher kleiner machen als interessanter. Aber in diesem Fall war es eine Bereicherung. Zu lesen war eine eindringliche Schilderung dessen, was in den vergangenen Jahren in seinem Leben passiert ist. Tagebuchartig zusammengefasst als Erklärung für sein neues Werk 'The Bachelor'.
Nach der letzten Platte, 'The Magic Position', lief es eigentlich gut für Patrick Wolf. Er wäre in der perfekten Verfassung gewesen, meinte er damals. In Höchstform. Der perfekte Seelenzustand zur perfekten Zeit. Das perfekte Album. Patrick Wolf, dessen Gemütszustand stets Motor seiner Arbeit war, glaubte, die dunklen Zeiten endgültig hinter sich gelassen zu haben.
Ich erinnere mich besonders gut daran, als er sich am Donaufestival in Krems aus dem schwarzen Anzug schälte, um uns den neuen Patrick Wolf zu präsentieren. Im bläulichen glitzernden Disco-Outfit hüpfte das Chamäleon über die Bühne.
Große Konzerte und Touren folgten, Einladungen in diverse Fernsehshows. Er kostete die süßen Trauben des Erfolg aus. Um sich kurz nach dem Höhenflug die Flügel zu verbrennen und ins Burn Out zu kippen - und alle sahen zu. Er verkündete gar kurze Zeit, nie wieder Musik machen zu wollen. Was war passiert?
nick thornton jones & warren du preez
Kontrollverlust
Losing my head to Hollywood
My Liver to London
My youth to Tokyo
Still on with the show
On and on an on
It's a hard lesson
But let me learn
(Patrick Wolf: Vulture)
So schillernd er nach dem Release des letzten Album vielleicht schien: Innerlich war er längst zerrissen. Kontrollverlust und Krise. Das erstrebenswert scheinende Projekt Patrick=Popstar war gescheitert. Naja, so wirklich lustig war's ja auch beim Donaufestival eigentlich schon nicht mehr. Die sich anbahnende Krise war ihm dort durch seine Rastlosigkeit schon anzusehen.
"I was at that point after all the promotion and all the touring, all the TV shows, sort of becoming the popstar I always thought I wanted to be. I thought I had found what I was looking for and tasted that success, but I'm sitting in an empty house with empty gin bottles and no one to love, all those human qualities I'd lost. How was I going to find my way out of that maze? I have to find a way..."
Die einzige Konsequenz: Der Rückzug aus der Öffentlichkeit. Er vergleicht seine Auszeit mit einem Sabbatical. Um sich neu zu ordnen, zu reflektieren und um sich neu zu (er)finden. Und um die letzten Jahre letztenendes dann doch wieder musikalisch zu verarbeiten:
'Making this records was kind of a healing proccess. I started off in a dark place and wrote myself out of the hole.'
nick thornton jones & warren du preez
Phönix aus der Asche
Mit 'The Bachelor' veröffentlicht Patrick Wolf ein rockopernhaftes Konzeptalbum über den düsteren Weg durch die persönliche und kreative Krise und Depression. Jeder Song erzählt eine Episode und einen Aspekt, den er seit der Veröffentlichung von 'The Magic Position' erlebt hat. Ein vertontes Tagebuch.
Alles beginnt mit einer düsteren Kriegssirene am Anfang des Albums. Mit diesem durch Mark und Bein gehenden, knapp 50 Sekunden langen Ton verkündet er die wütende Warnung: Hier wird gleich die Geschichte über den Krieg mit sich selbst und der Welt erzählt. Gleichzeit ist es auch als Weckruf gegen die Apathie unserer Zeit gedacht. Einer Generation, die sich lieber hinter dem Computer versteckt und ihr Hirn für Sinnlosigkeiten und in Schein- und Parallelwelten verschwendet, anstatt am realen Leben teilzunehmen.
Im darauf folgenden Song 'Hard Times', kommentiert Patrick Wolf seine Generation. So wie er sie erlebt hat, bei seinen eigenen Konzerten. Er bettelt darum, dass die anderen nicht starr herum stehen. Nur zusehen und darauf warten, dass er den großen Zampano spielt.
"I am just begging my audience - show me some revolution, show me some change. I can only sing about it, but can you please show me something, change something, do something active?"
Lieder wie 'Thickets', 'Battle' und das eingängige, nur von einer feinen Klaviermelodie getragene 'Backdown' wiederum schildern die Erlebnisse der Einsamkeit, die er erlebte. Auf Tour durch Amerika beispielsweise, umgeben von Menschen, und trotzdem unglücklich. Von Ausflügen in die Welt des Satanismus ist gar in 'Vulture' die Rede.
Und vom nach Hause kommen nach England und erkennen, dass er sich, seine Freunde und Familie aus den Augen verloren hat. Der Vater krank, ein Freund der sich das Leben genommen hat.
Battle, battle, battle - battle back your liberty
nick thornton jones & warren du preez
Der Bruch mit seinem Label Universal. Nicht mehr nur die Marionette sein. Eine Erfahrung, die er auch im SM-lastigen Video zu 'Vulture' verarbeitet. Nix da mit Ringelspiel und Glamour.
'The Bachelor' erscheint auf dem eigenen Label Bloody Chamber Music. Auch wenn das ein 'Goodbye' zu großem Marketingbudgets bedeutet. Dafür eignet er sich die Strategie des Bandstocks-Systems an.
Er sucht sich inspirierende KünstlerInnen, um seine neuen Ideen zu verwirklichen. Keine geringeren als Langzeitidol Alec Empire, die Schauspielerin Tilda Swinton, Eliza Carthy und Thomas Bloch.
Pitchfork
So leiht Tilda Swinton Patrick Wolf ihre Stimme in Songs wie 'Thickets' und 'Theseus'. Einmal mimt sie seine Mutter, um ihn wachzurütteln, einmal ist sie Stimme der Hoffnung, den Sumpf hinter sich zu lassen. Derartige, von großen Streicherarrangements getragenen Stücke, bläst sogleich Alec Empire im nächsten Atemzug mit voller Wucht einfach davon. Denn er zieht mit Patrick Wolf im Song 'Battle' in die Schacht gegen das konservative, ignorante Denken unserer Zeit. Ein düstere, brutale Heavy Metal Hymne, die direkt aus der Atari Teeange Riot-Hölle stammen könnte:
Battle the conservative
Battle for your
Battle battle battle battle
Battle the homophobe
In Berlin verbrachte Patrick Wolf einige Wochen im Studio von Alec Empire. Statt Gin Tonic türmten sich in den nächstelangen Sessions die leeren Energy Drinks Dosen vor der Türe.
In sämtlichen Songs bereichern englische Armeekapellen, Gospelchöre und Kirchenorgeln die neuen Lieder. Aber nicht nur. Neben Gastmutter Tilda Swinton ist auch Patrick Wolfs eigene Familie am Album mit dabei. Seine Mutter klopft mit Löffeln, der Vater spielt Klarinette, seine Schwester singt gar im Stück 'The Messanger' mit. Ein Stück, in dem die Sonne nach dem Taumeln durch die Finsternis wieder aufgeht. Der Blick zurück auf eine lange Reise, an deren Ende Patrick Wolf trotzdem nichts bereut und nach vorne blickt:
"It's a love song to all the positive aspects of my life as a traveller and musican"
nick thornton jones & warren du preez
Auf 'The Bachelor' wird im nächsten Jahr die Platte 'The Conqueror' folgen. Eigentlich waren beide als Doppelalbum mit dem Namen 'The Battle' geplant. Wie sich der neue Patrick Wolf Live gestaltet, dazu hat er auch schon den Masterplan zu Hand:
"The hardest part is I guess trying to recreate the extravangance, all the strings, the choir. But my focus now is to be good singer. Not to be as obsessed as I was about running from piano to the organ and singing between. I am really enjoying just being a singer and just being a diva now. It's fun."
Patrick Wolf ist am 5. Oktober 2009 im Wiener WUK
Der Kontrollverlust scheint sich in eine gesunde Kontrollabgabe verwandelt zu haben. Und trotzdem hat sich manches anscheinend doch nicht all zu sehr verändert. Angeblich wird Patrick Wolf statt Mikrophon auch ein von Lady Gaga inspiriertes Head Set verwenden, um so richtig über die Bühne tanzen zu können. Wie auch immer, wir dürfen jedenfalls gespannt sein auf die außergewöhnlichen Shows.
Mehr über das neue Album 'The Bachelor' von Patrick Wolf gibt es heute, Mittwoch, auch in der FM4 Homebase zwischen 19-22 Uhr zu hören.