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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

9. 5. 2009 - 09:04

Lost in space

Genre-Wunderkind J. J. Abrams macht bei seiner "Star Trek"-Neuauflage alles richtig.

Oft scheint es ja wirklich, als ob die Popkultur in einer Zeitschleife gefangen ist. Haben wir es nur mehr mit endlosen Variationen des Vergangenen zu tun? Sind alle großen Erzählungen bereits geschrieben, alle essentiellen Platten aufgenommen, alle wichtigen Filme gedreht? Zumindest Hollywood plündert permanent die eigenen Archive und lässt diverse Genreklassiker und die dazugehörigen Figuren wieder auferstehen.

Es ist natürlich berechtigt, über diese aktuelle Recylingwelle zu jammern. Aber vielleicht sollte man die Sache mittlerweile einfach differenzierter sehen.

Denn neben all den schnöden und fantasielosen Remakes gibt es auch Filme, die das Alte mit dem Neuen funkensprühend kurzschließen, die mit einem modernen Blickwinkel für Gänsehaut und Euphorie sorgen. Christopher Nolan rollte die Batman-Saga im Kino nochmal auf aufregende Weise auf, James Bond mutierte, zumindest in "Casino Royale", überzeugend zu einem ganz anderen, gebrochenen Charakter.

Reimagining oder Reboot, diese Zauberworte fielen auch immer wieder im Vorfeld einer der meist erwarteten und heiß diskutiertesten Großproduktion dieses Kinojahres: "Star Trek".

Würde es dem "Lost"-Miterfinder J. J. Abrams, der ja auch frischen Wind in die öde "Mission Impossible"-Reihe brachte, gelingen, die legendäre Old-School-Crew von Raumschiff Enterprise einer jüngeren Generation näherzubringen? Und das, ohne die Legionen von pingeligen Trekkies zu vergrämen?

"Star Trek"

UIP

Vielleicht nur kurz zur Erinnerung, für alle, die nicht mit einem Phaser unter dem Kopfpolster schlafen oder im Fasching als Klingonen gehen: "Star Trek", das ist ein Phänomen, das bislang sechs Fernsehserien umfasst, mit insgesamt mehr als 700 Episoden, dazu zehn Kinofilme und unzählige Bücher, Comics, Computerspiele.

"Star Trek", das ist eine Science Fiction-Franchise, die für Millionen von Fans zum Religionsersatz wurde.

Wer bislang nie einen Zugang zum diesem Universum fand, bekommt von Mr. Abrams eine einmalige Chance angeboten. Denn das Genre-Wunderkind dreht, zusammen mit seinem Talentepool "Bad Robot Productions", die Uhren zurück, fängt wieder ganz von vorne an.

Der elfte "Star Trek"-Film erzählt die Vorgeschichte der legendären Originalserie. Wir sehen, wie aus einem hitzköpfigen, randalierenden Erdenbuben ein Captain namens Kirk wird und wie ein zerissener Vulkanier namens Spock seine Identität sucht.

Ohne auf die Story irgendwie genauer einzugehen, nur soviel: Ein Notruf vom Planeten Vulkan mobilisiert die Crew der USS Enterprise, die unter dem Kommando des erfahrenen Captain Pike zu einer Rettungsmission aufbricht. An Bord befindet sich unter anderem ein skeptischer Doktor namens McCoy, die Kommunikationsspezialistin Uhura, die Piloten Sulu und Chekov. Irgendwann stößt auch noch gewisser Chefingenieur Scott zu dieser Mannschaft.

Im Zentrum der Story stehen aber zwei Männer und ihr heftiger Konflikt miteinander, der in einer berühmten Freundschaft münden wird: Kirk und Spock.

"Star Trek"

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Sagen wir es jetzt endlich, wie es ist: "Star Trek" ist das mitreißendste Science-Fiction-Abenteuer seit sehr langer Zeit. J. J. Abrams macht wirklich alles richtig. Sein Reboot dreht sich, wie die Originalserie und wie auch "Lost", vor allem um eines: menschliche Konflikte.

Es geht um die uralten Gegensätze von Logik und Intuition, Vernunft und Draufgängertum, Humanismus und Gewalt. Trotz gezielter Anspielungen auf das Konkurrenzuniversum von "Star Wars" bleibt einem dabei märchenhafter Kinderkram erspart.

Dass Abrams eine Geschichte erzählt, die dem "Star Trek"-Mythos würdig ist, war allerdings auch zu erwarten. Dass die neue Enterprise-Crew so dermaßen überzeugt, gehört dafür zu den wunderbaren Überraschungen. Zachary Quinto, Zoë Saldana, Karl Urban, John Cho, Simon Pegg, sie alle schlüpfen charmant in die klassischen Uniformen und sorgen für Aha-Momente. Chris Pine, der das tonnenschwere Erbe von William Shatner auf seinen Schultern ruhen hat und im Trailer noch für Skepis sorgte, entpuppt sich als ein James Tiberius Kirk wie aus dem Bilderbuch.

Ach ja, das ist noch etwas: Mit "Star Trek" ist die Effekttechnologie endlich im 21., nein, im 22. Jahrhundert angekommen. Die Realitätsnähe und schlichte Schönheit der CGI-Sequenzen ist oft atemberaubend.

Dass ein Film dieser Dimension sein Publikum nicht verschaukelt, sondern ernst nimmt, macht "Star Trek" zum "Dark Knight" dieses Jahres. Mit einem Unterschied: Statt düsterer Visionen geht es hier um den Optimismus der sechziger Jahre, um die Aubruchstimmung, die schon immer zum Raumschiff Enterprise gehörte. Eine kleine Dosis davon, meint J. J. Abrams, kann auch den Nullern nicht schaden.

Viel Vergnügen mit dem cleversten, emotionalsten und humorvollsten Blockbuster des Jahres. Beam me up, Scotty.

"Star Trek"

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