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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

8. 5. 2009 - 11:12

Radfahren wird schöner...

...wenn wir FahrradfahrerInnen endlich als gleichberechtigte VerkehrsteilnehmerInnen angesehen werden und den Raum bekommen, der uns zusteht.

Meine Top-Five-Liste der Nahtoderfahrungen:
- Sich öffnende Autotüren
- rechtsabbiegende Lastwägen
- Bimschienen bei Regen
- Seitengassen der Margaretenstraße
- Mopeds

50er Jahre Fahrradwerbung

FM4/irmi wutscher

Radfahren ist gefährlich. Das habe ich mehrmals und schmerzhaft am eigenen Körper erfahren. Ganz oben in meinem Ranking der alltäglichen Nahtoderfahrungen (siehe auch: rechts) stehen sich öffnende Autotüren. Gerade letzte Woche bin ich wieder um einen Zentimeter an einer vorbeiradiert und hab dem sicheren Schädelbasisbruch ins Auge geblickt. Und Autotüren, meine Damen und Herren, das ist echt fies, die kann frau nicht kommen sehen. Diesmal ist es sich noch ausgegangen, aber immer läuft es nicht so gut ab. Bei mir mussten unter anderem schon dran glauben: Ein halber Vorderzahn, das Nasenbein und zuletzt sogar der Oberschenkelknochen. Nicht dass ich hier jetzt angeben will, mit meinen Verletzungen (obwohl, ein bisschen stolz trage ich sie schon durch die Gegend), aber ich betrachte sie irgendwie schon als eine Art "Narben aus dem Kampf".

Berühmte Menschen, die durch Fahrradunfälle starben:
- Nico, Sängerin (1988, Ibiza)
- Tom Simpson, Radsportler (1967, Mount Ventoux)
- Annemarie Schwarzenbach, Journalistin und Schriftstellerin (1942, Engadin)
- Franco Volpi, Philosoph (2009, Vincenza)
- Keith Alexander, Tattoo- und Piercing-Artist (2005, NYC)

Warum das so ist? Ich glaube, ich habe eine Ahnung. Denn gestern habe ich mich für eine Radioumfrage mit einem Mikro auf eine vielbefahrene Verkehrskreuzung in Wien begeben und die bei Rot wartenden RadlerInnen gefragt, was sie denn so am meisten nervt im Straßenverkehr. Und da kam: Die FußgängerInnen, die immer so blöd herumstehen! Die AutofahrerInnen! Die uns schneiden oder abdrängen oder vor unseren Nasen rechts abbiegen! Die Kinder! Die Hunde! Die TouristInnen! Die anderen RadfahrerInnen, die immer so rücksichtslos sind! Mit einem Wort: Eigentlich sind alle anderen der Feind. Und welche verkehrsteilnehmende Gruppe kann das schon von sich behaupten?

Ein Polizist hat einmal zu mir gesagt: "Jo, die Radler, die hamma scho so gern! Die glauben jo, für sie güüt ka anzige Verkehrsregel!" Und in der Tat, ich erlebe bei meinem zehnminütigen Radweg in die Arbeit mindestens fünf Übertretungen der StVO, je nach Verkehrsaufkommen, Großwetterlage und Mondphase (soll heißen: wie narrisch die Leute gerade sind). Diese beinhalten meist: gegen die Einbahn Fahren, gegen die Einbahn am Fahrradweg Fahren, über den Gehsteig drüber, durch die Fußgängerzone. Und sämtliche Vor- und Nachrangregelungen werden mal grundsätzlich ignoriert.

Top Five der Missachtungen der StVO durch RadfahrerInnen:
- Auf dem Gehsteig Fahren
- Gegen die Einbahn Fahren
- Durch die Fußgängzone Brettern
- Vor- und Nachrangregeln
- Rote (Fußgänger)Ampeln

"Ha!" werdet ihr jetzt triumphierend aufschreien. "Kein Wunder, dass die so viele Verletzungen hat! Wenn diese Fahrradfahrer in zehn Minuten fünf Verkehrsregeln brechen!! Da gibt es für uns kein Verständnis." Ihr habt euch zu früh gefreut, so einfach ist das auch wieder nicht. Denn: Nicht dass ich hier das mutwillige Übertreten von Verkehrsregeln verteidigen will. Aber ab und zu, oder vielleicht sogar ziemlich oft, sind die legalen Wege, mit dem Fahrrad von A nach B zu gelangen, extrem limitiert. Zur Veranschaulichung, lasst mich hier ein paar Beispiele aus Wien nennen (was nicht bedeuten soll, dass es in anderen Städten weniger hirnrissige Stellen gibt):

Ein Radweg in der Wiener Berggasse

APA/ROLAND SCHLAGER

In Wien gibt es eine einzige Möglichkeit den ersten Bezirk legal zu queren, sprich in einer geraden Linie vom einen Ende zum anderen zu fahren. EINE!!! Ansonsten nur Fußgängerzonen und Einbahnstraßen. Und die Ampelknöpfe für die Ampeln, die für FußgängerInnen und RadfahrerInnen gleichermaßen gelten, sind oft mitten am Fußweg, weit außer Reichweite der RadfahrerInnen angebracht, da muss man fast auf den Gehsteig. An anderen Orten, wie z.B. am unteren Ende des Naschmarkts wurde der Fahrradweg schlicht und ergreifend weggelassen. Da hat man dann die Wahl zwischen dreispuriger Wienzeilen-Autobahn oder Gehsteig. Na, was wähle ich da an einem Freitag, um 17 Uhr, bei Schneefall? Und ich hab auch Verständnis dafür, dass Leute, die am Ring schnell vom Karlsplatz zum MAK wollen, sich gepflanzt fühlen, wenn sie auf dieser Zehn-Minuten-Strecke viermal den Ring überqueren sollen.

"Fahrradfahren ist kein Freizeitvergnügen!", hat eine von mir interviewte Radfahrerin vorwurfsvoll angemerkt. Und ich schließe mich dem an: Ich beanstande hiermit, dass Autos als DIE Verkehrsteilnehmer angesehen werden und dann kommt mal lang nix. Und dass die gesamte Raumordnung auf diese Tatsache ausgerichtet ist. Sondern ich will, dass Verkehrskonzepte das Fahrrad gleich mitdenken! Und es nicht irgendwann später irgendwo reinpferchen, wo es den Autos nur ja keinen Platz wegnehmen könnte!
Und deshalb wünsche ich mir mehr Raum für Fahrräder auf den Straßen. Und als Verkehrsteilnehmerin ernstgenommen und nicht als Hobbysportlerin angesehen zu werden.
Und vielleicht einen Warn-Piepton, bei den Autotüren mein ich jetzt.