Erstellt am: 6. 5. 2009 - 13:42 Uhr
Fußball-Journal '09-31.
Der x-te Teil einer sportpolitischen Groteske, die viel über den Fußball und das Land aussagt.
Zwar scheint die Lizenz für die Bundesliga (und nur dafür wurde der Retorten-Verein gegründet, anderswie gibt es ihn nicht - andernfalls wird er wie sein direkter Vorgänger, der FC Kärnten, liquidiert) nun (nach einer entscheidenden Abstimmung in Klagenfurt) doch gesichert.
Die Zukunftsaussichten sind trotz der finanziellen Zusage düster: ein bereits totgeglaubter politischer Player blockte im letzten Moment, das direkte Umfeld trägt bereits schwarz, der Kapitän klingt verzweifelt, der Sportdirektor/Coach wirkt wie versteinert.
Vollständige politische Abhängigkeit
Der Verein ist direkt und vollständig von der lokalen Politik abhängig: von Jörg Haider erfunden, mit Hilfe des Lizenz-Verkäufers Franz Grad (FC Pasching) gezeugt, im frisch gebauten EM-Stadion in Klagenfurt untergebracht, hatte es der Verein unter der Führung des Haider-Zöglings Mario Canori wegen dessen erwiesener (und auch selbst betonter) Komplett-Unkenntnis des fußballerischen Einmaleins seit jeher schwer: keine brauchbare Infrastruktur, keine seriöse Nachwuchsarbeit, keine Trainingsstätten, Aussperrungen wegen offener Rechnungen, keine sinnhaften Verträge, teilweise nicht einmal ein bespielbarer Platz (das Team musste aus teilweise lächerlichen Gründen andauernd Ausfälle und Nachträge bewältigen), ein permanentes Stadion-Problem und ununterbrochene politische Unsicherheit.
Nach dem Tod Haiders, der die finanzielle Sicherstellung des Vereins immer persönlich garantiert hatte (dabei spielte die mittlerweile von diversen Krisen mehr als gebeutelte Hypo Alpe Adria eine Rolle), hatte Canori die Schnapsidee sich als lokaler Spitzenkandidat der Haider-Ex, der FPÖ, aufstellen zu lassen - eine schiere Provokation im BZÖ-geführten Land.
Seine Wahl-Niederlage fiel unglaublich heftig aus: kein Mandat für die FP im Landtag.
Zahllose Demutsgesten später übernahm Landeshauptmann Dörfler den Verein quasi symbolisch per demonstrativer Power-Anwesenheit - das BZÖ hatte sich die Rettung des Haider-Erbes auf die Fahnen geschrieben, Canoris Kasperl-Aktion und diverser erpressungsähnlicher Ansagen zum Trotz.
Klagenfurter Machtpolitik
Da kam der Wahlerfolg in der Stadt Klagenfurt gerade recht: wie im ganzen Land gewann auch hier das BZÖ und stellt den Bürgermeister. Das ist deshalb hier von Bedeutung, weil nicht nur das Land Kärnten diverse finanzielle Garantien stellen muss, um diesen Verein ohne Strukturen am Leben zu erhalten (zb für Abschlag-Zahlungen an den defacto-Vorgänger FC Kärnten, um die dieser aktuell heftig prozessiert), sondern auch die Gemeinde Klagenfurt einiges an Geldern freimachen muss, was vor allem diverse Stadion-Unkosten betrifft.
Nun wollte das Land die Stadt auch an den 1,15 Mio Kosten, die die FCK-Klage (die vor dem zuständigen Bundesliga-Senat bereits behandelt und beeinsprucht und letztentschieden wurde) nach sich zieht, beteiligen.
Die Entscheidung, dass es nicht noch mehr als die 1,15 Mille ausmachen würde, war im übrigen vor Wochenfrist von Austria Kärnten-Seite noch als Sieg bejubelt worden.
Das BZÖ ging davon aus, dass (mit Hilfe der lokalen SPÖ) bei der Abstimmung über die Haftungs-Übernahme alles glattgehen wird - und hatte recht: "Die Haftungserklärung der Stadt Klagenfurt für den in Lizenznöten befindlichen SK Austria Kärnten ist in einer Sondersitzung am Mittwoch formal abgesegnet worden. Nachdem Bürgermeister Christian Scheider die Haftung über 575.000 Euro bereits angekündigt hatte, stimmte der Stadtsenat mit Stimmen von BZÖ und SPÖ zu, ÖVP und Grüne waren dagegen. Der behördliche Instanzenzug ist damit abgeschlossen."
Haftungsübernahme in letzter Minute
Die ÖVP wollte nicht mitspielen: "Stadtchef Peter Steinkellner winkt für seine Partei ab. Es sei nicht Sache der öffentlichen Hand, den Rechtsstreit zwischen zwei Fußballklubs abzufedern - noch dazu in Zeiten, in denen der Stadt ein jährliches Sparprogramm von 15 bis 20 Millionen Euro verordnet werde." heißt es hier.
Natürlich ist das eine Retour-Kutsche für die verlorene Klagenfurt-Wahl (die VP hatte mit Harald Scheucher gefühlte Jahrzehnte den Bürgermeister gestellt) - da in diesem Spiel aber jede Handlung ausschließlich machtpolitisch und nie sportlich motiviert war/ist, darf das nicht weiter verwundern.
Die aktuelle Stimmungslage am Wörthersee lässt aber trotz dieser Zusage nichts Gutes erwarten: das Team lässt sich widerstandslos vorführen, Trainer Schinkels geht nicht nur der Schmäh aus, er deutet das nahende Ende mehr als nur an, und einzelne Kommentatoren (die mit dem sogenannten Hintergrundwissen) befleißigen sich einer Wortwahl, die ebenfalls auf den möglicherweise baldig bevorstehenden Untergang verweist.
Ist Austria Kärnten lebensfähig?
An den mag ich zwar aktuell nicht so recht dran glauben - aber die politischen Bedingungen haben sich in dieser Causa bereits einigemale gedreht.
Sah es im Dezember so aus, als hätte sich der Verein freiwillig in die Luft gesprengt, war die Lage zwischendurch im Februar schon undeutlicher, schien dann im März eigentlich klar zu sein, dass im Schwung des Kärntner BZÖ-Wahlerfolgs alles schon klappen würde, ist jetzt von alledem nicht mehr die Rede.
Die Gesichtsbäder der Mächtigen haben zuletzt abgenommen - kein Wunder, die zerfallende Mannschaft spielt elendiglich, da will sich aktuell keiner drin sonnen.
Das, was der Bürgermeister (Christian Scheider, BZÖ, Jörg Haiders ehemaliger Tennislehrer) zu sagen hat, was eine sinnvolle Zusammenarbeit über das aktuelle Krisen-Managment hinaus betrifft, klingt auch nicht wirklich beruhigend.
Die Hobby-Architekten hinter dem Projekt Austria Kärnten haben auf Treibsand gebaut - jederzeit kann jedes politische Micky-Maus-Erdbeben das nicht fachgerecht fundierte Gebäude zum Einsturz bringen. Denn: weiter als bis zur imageträchtigen Euro und zur überlebenswichtigen Wahl am 1.März hat niemand gedacht oder gar geplant.
Verspielter Kredit
Die aktuell so triste Stimmungslage ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass jetzt - im Bewusstsein der eigentlich leicht möglichen Rettung, was die Lizenz betrifft - erste ernsthafte Kalkulationen für die nächste Saison gemacht werden und sowohl die Finanz- als auch die Fußball-Fachleute eine deutliche Unrentabilität festgestellt haben, die ohne politischen Willen auch in den nächsten (etlichen) Jahren nicht zu derheben ist. Da wäre Nachhaltigkeit gefragt - aber das ist ein im politischen Diskurs aktuell unbekanntes Vokabel.
Derzeit scheint der Kredit verspielt.
Auch weil das der Bevölkerung und auch den Entscheidungsträgern weitaus näherstehende Eishockey in den nächsten Jahren einiges mehr an Input braucht - wie die eben nicht glücklich verlaufene Eishockey-WM gezeigt hat, ist es oppportuner, jetzt dort in sinnvolle Nachwuchs-Arbeit zu investieren.
Ich könnte mir vorstellen, dass hinter den politische Kulissen aktuell eine Exit-Strategie diskutiert wird: wie man aus dem nicht nutzbringenden Abenteuer Fußball am besten rauskommt; ohne Gesichtsverlust.
Aber: ich kann mich irren. Es wäre, vor allem in dieser undurchschaubaren, in Chamäleonfarben schillernden Geschichte, nicht das erstemal.