Erstellt am: 6. 5. 2009 - 17:31 Uhr
Willkommen auf der "Orion"
Auf den Plakaten des neuen "Star Trek"-Films prangt wieder der Schriftzug der alten TV-Serie - weil es ja um die Jugend der ersten Enterprise-Besatzung geht. Seit rund zwei Wochen gehe ich täglich mehrmals an dem Plakat vorbei und ärgere mich jedes Mal, dass immer noch nicht der 7. Mai ist. Wirklicher Fan war ich zwar nie, und doch hege ich ein Faible für die charakterlich fein gezeichneten Figuren der Originalserie. Und für Zukunft, Weltraum, Abenteuer sowieso.
Irgendwann in dieser Zeit ist im Zwiegespräch mit dem astronomisch vorgebildeten M. das Gespräch auf eine immer wieder in Vergessenheit geratende Fernseh-Serie gekommen: "Raumpatrouille - Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" ist zur selben Zeit wie "Star Trek" entstanden, allerdings nicht im NASA-Land USA sondern auf Schlössern und Golfplätzen in Oberbayern. Im Gegensatz zu Captain Kirk schaffte es Commander McLain (dargestellt von Dietmar Schönherr) allerdings nur auf sieben Einsätze in einer Staffel.
Bavaria
"Rücksturz zur Erde!"
Die Orion! - Der perfekte Stoff, um sich die Wartezeit bis zum Enterprise-Ausflug im Kino zu verkürzen. Bis dato kannte ich die Serie nur aus Ausschnitten und von unsäglichen "Verkultungen": Sounds wurden gesampelt und geremixed, akribische Aufzeichnungen zu Produktionstechniken und altbackenen Studio-Tricks gemacht - weil ja alles so lustig, schräg und unperfekt ist und im Maschinenraum Bügeleisen als Steuergeräte verwendet werden. Abseits des flachen "Hihi"-Faktors sind die retrofuturistische Laserwaffen und Alien-Darstellungen von "Raumpatrouille" mitunter aber tatsächlich amüsant und verblüffend.
Abseits dieser Oberflächlichkeiten offeriert die Serie aber auch eine Menge interessanter zwischenmenschlicher und politischer Strukturen sowie einen Einblick in Geschlechterrollen, Mode und Umgangsformen der mittleren 1960er Jahre. Vieles ist sehr ähnlich dem Star Trek-Universum aufgebaut: Es gibt keine Nationalstaaten mehr, die Menschheit erobert und besiedelt in Geschlossenheit den Weltraum. Das Bordpersonal am Raumschiff ist ethnisch durchmischt (wenn bei "Raumpatrouille" auch nur anhand der Namen erkennbar) und wird von einem schlauen, draufgängerischen Kommandanten geführt, der Rebell, Frauenheld und Jugendvorbild ist.
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Kybernetische Konflikte
Die Essenz der Serie ist der ewige Konflikt von Commander McLain mit den sperrigen Vertretern von Politik und Behörden. Die stafversetzen den aufmüpfigen Raumschiff-Lenker in der ersten Folge von seinen abenteuerlichen Reisen, bei denen er ihrer Ansicht nach zu oft nach eigenem Ermessen gehandelt hat, zum Patrouillendienst und halten ihn so an der kurzen Leine - daher auch der Serienname. Obwohl trotzdem fast in jeder Folge die gesamte Menschheit durch McLains Cowboytum gerettet wird, pendeln sich die Ausgangsrollen jedes Mal schnell wieder ein.
Die Anstandsdame direkt an Bord des Schiffes ist Sicherheitsoffizierin Tamara Jagellovsk, die sich mit McLain einen permanenten Machtkampf liefert, der zwischen subjektiver Auslegung ihrer hierarchisch ähnlichen Dienstgrade, selbstsicherem Auftreten und subtiler Erotik pendelt. Jagellovsk tritt als unterkühlt-rationale Vertreterin des interstellaren Gesetzgebung auf und stellt - ähnlich Mr. Spock - die uneingeschränkte Logik an vorderste Stelle. Damit einher geht ein Plädoyer für die (übrigens besonders ulkig dargestellten) Roboter und ihre künstliche Intelligenz, die im Jahr 3000 auch politsch-rationale Entscheidungen trifft ("Rat des Robotgehirns").
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Starke Frauen, schicke Tänze
Zwar zieht die Sicherheitsoffizierin im Clinch gegen das selbstgerechte, cholerische und teilweise auch sexistische Auftreten von McLane oft den Kürzeren, dennoch ist die Figur auffallend resolut, wendig und gleichwertig gezeichnet. Anmaßende Sprüche und Angebereien lassen die Herren später sowieso ziemlich blöd aussehen. So wird der dickliche "Armierungsoffizier" der Flotte und selbsternannte Aufreißer-König Mario de Monti gerne zur Lachnummer und auch das Matriarchat des Planeten Chroma bleibt durch McLains Gezicke ("'Amazonenzirkus", "Weiberkolonie") höchst unbeeindruckt und verdonnert ihn lächelnd zu technischen Lehrarbeiten und Diplomatiediensten mit der Erde.
Ist die Orion dann selbst wieder am Heimatplaneten angekommen und hat einmal mehr einen exoterrestrischen Sabotageanschlag der "Frogs" vereitelt, geht's ins "Starlight Casino". Hier wird zwar nicht geraucht, dafür hemmungslos Whiskey getrunken und der vielleicht beste Weltraumtanz getanzt, der je in Science Fiction-Filmmaterial zu sehen war - natürlich nur in den schicksten Kostümen, die die 1960er hergeben.
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