Erstellt am: 4. 5. 2009 - 17:57 Uhr
Journal '09: 4.5.
Die österreichische Bussi-Bussi-Gesellschaft ist erschüttert.
Bis ins Mark.
Einer ihrer absoluten Leader, LifeBall-Initiator Gery Keszler hat ihren tragenden Chronisten, den definitionsmächtigen Dominic Heinzl vom LifeBall ausgesperrt. Weil seine Berichterstattung nicht opportun war.
Huch, arg und wuschi!
Könnte man sagen, sich "die Schicki-Trottln solln sich doch in Koks hauen" denken und sich wirklich Wichtigem widmen.
Aber: In diesem scheinbar belanglosen Fall steckt so viel an österreichischer Wahrheit, dass es absolut untersuchenswert ist.
Die Posen der Eitlen und Mächtigen
Zunächst ist Heinzls Sendung "High Society" ein wichtiger Bewegungs-Melder innerhalb der österreichischen Gesellschaft. Was nämlich dort ankommt und als gegeben akzeptiert wird, hat wirklich den Mainstream erreicht. Was dort naserümpfend als zu intellektuell und zu wenig populär abgespeist wird, ist noch zu authentisch für eine Vereinnahmung. In diesem Zusammenhang ist Heinzl ein äußerst konziser Verorter - man muss bloß die Gefälligkeits- und Gegengeschäfts-Geschichten (in denen dann plötzlich auch Gerhard Richter-Austellungen stattfinden) rausrechen, aber das ist nicht so schwer. Denn nur dort, wo der Chef, also Heinzl selber auftaucht, dort spielt die Musik.
Heinzl hat, und das macht seine Qualität als Medienmacher aus, in diesem System der Gefälligkeiten eine Lücke entdeckt und kultuviert: Er bietet den Eitlen und Mächtigen zwar ein Poser-Podium ohnegleichen, er nimmt sich dazu aber auch das Hofnarrenrecht der unangenehmen Frage, die die Poser dann echt scheiße aussehen lässt.
Das lassen die Mächtigen zu, weil sie wissen, dass weder Heinzl noch seine Show noch sein Sender das geringste Interesse an mehr als dieser bloß symbolischen Aufmüpfigkeit haben.
Die Eitlen, also die Blöden, lassen das und noch viel mehr zu, weil sie aus diesem Podium ihrer gesellschaftlichen Status ziehen, und auf Heinzl angewiesen sind. Die Allerdümmsten unter ihnen setzen sich omnipräsenten Kameras, Putzerfischen gleich, aus, um so in eine bessere Verwertungs-Logik zu gelangen.
Bussi Bussi
Die Synergien mit den Mächtigen im Schicki-Micki-Bereich liegen also auf der Hand. Man bussi-bussit sich, um im Bild zu sein, um daraus Bekanntheit zu generieren um daraus Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Wer sich der Heinzl-Cam entzieht, muss also einen echten Hau haben. Oder das echte Anliegen, sich der Begaffung durch die unterschichtsgerechte Simplex-Einordnung der Heinzelschen Erklär-Welt zu entziehen.
Der LifeBall und Gery Keszler können dieses Interesse nicht haben. Und Hau hat der Mann wohl auch keinen.
Was also ist passiert?
Im Vorjahr tauchte inmitten von "hundert Stunden" Sendezeit, die Heinzl mit dem LifeBall gefüllt hat, auch ein kurzes Snippet mit Niki Lauda auf, in dem der sich kritisch über die Diskrepanz zwischen dem Ziel des LifeBalls (der Beendigung von AIDS) und der Realität des LifeBalls (ungeschütztes Pudern) äußerte.
Nämliches Niki Lauda-Interview ist dabei weder im Ton noch im Inhalt irgendwie besonders auffällig. Denn: Jeder, der sich schon einmal auch nur im LifeBall-Umfeld aufgehalten hat, weiß, dass das nicht unrichtig ist: Natürlich wird auf diesem Ball (wie auf jedem Ball der Welt, auch beim allerkonservativsten Jägerball oder beim ländlichen Feuerwehrball) in verschwiegenen Winkeln gevögelt; natürlich auch ungeschützt. Das ist dem Ball an sich auch nicht zum Vorwurf zu machen - jede partyfeiernde Menschenansammlung bringt sowas hervor, ganz automatisch.
Da sich aber der LifeBall nur einem einzigen Motto, nämlich der Bekämpfung und Hintanhaltung von AIDS verpflichtet, ist es zulässig da genauer draufzuschaun.
Niki und der AIDS-Ethos
Nun ist Niki Lauda, knausriger Millionär, extrem weltberühmter Ex-Rennfahrer und Vielflieger, einer, der alle anderen sowieso immer für Volltrottel hält; und da er in der Position ist sich alles leisten zu können (weil an seiner Prominenz wird niemand auch nur ansatzweise kratzen können), sagt er halt, was er sich denkt.
Das ist von von katastrophaler Schlicht- und Dummheit (vor allem, was kulturelle und politische Äußerungen betrifft), hat aber manchmal auch den Touch des speziellen Blickwinkels - eben dem, der sich nix scheißen muss.
Insofern muss man, als LifeBall-Checker mit dieser Lauda-Aussage leben - auch weil sie im Kern ja richtig ist.
Gery Keszler spricht (sieht man hier im ATV-Bericht von homophoben Untertönen.
Das, was er gehört haben will (einen Angriff auf HIV-Positive und deren angebliche Promiskuität) kommt bei Lauda nicht vor, das ist frei assoziiert.
Selbst wenn Lauda Keszler als Berufsschwuchtel tituliert hätte, wär da bekanntlich nix dabei.
Die Äußerungen werden also tendenziell eher privat gefallen sein und wohl auch nicht von Niki Lauda, sonst wäre ja der ausgesperrt, sondern womöglich aus dem Heinzl-Umfeld.
Nun kann ich mir vieles vorstellen, und wenn es darum geht, dass Heinzl eine unachtsame Äußerung entschlüpft, dann würde ich die Wahrscheinlichkeit etwa bei 100% sehen.
Nur: Hätte es beim vorjährigen LifeBall einen Eklat gegeben, dann wäre es wohl damals oder seither explodiert.
Obwohl...
Denn: Niemand mit Anstand wartet ein Jahr, um dann Aufgestautes rauszulassen, das bereits vor 11 Monaten geklärt hätte werden können.
Eingeschnappte Aussperrer
Mit anderen Worten: Die Gründe für die Eingeschnapptheit von Keszler sind diffus. Und darunter leidet auch seine Reaktion, die Aussperrung von Heinzl und ATV.
Nun kann sich in Zeiten der medialen Inszenierung jeder Event seine Medienpartner aussuchen. Die Berichterstattung außerhalb dieser embeddeden Situation jedoch kann sich keiner aussuchen. Genausowenig wie ein Fußball-Verein es verhindern kann, dass ein Medienmensch ein Match besucht und dann drüber berichtet.
Das hätten zwar (und in allen Bereichen!) etliche gerne - aber so weit ist die Berlusconisierung unseres Medienbewusstseins noch (noch!) nicht fortgeschritten.
Stattdessen macht jetzt ausgerechnet der nicht nachzuvollziehende Keszler'sche Fehlschlag Dominic Heinzl zum Märtyrer der demokratischen Rechte auf Berichterstattung.
Einerseits zu Recht - weil Heinzl einer ist, der Blödsinn nicht auf sich beruhen lässt, sondern dagegen vorgeht, manchmal sogar im kohlhaas'schen Sinn kopfdurchdiewand. Also wird er aktionistisch und nützt damit das Medium optimal und vorbildlich.
Andererseits zu Unrecht - weil Heinzls Show eine ist, die willfähriges Systemerhaltertum predigt, höchst anpasslerisch agiert und wohl auch mit einer berlusconisierten Welt problemlos auskommen würde.
Und auch deshalb zu Unrecht, weil sich Heinzl (in leider klassischer Manier) am Interview-Partner abputzt: Man könne ja den Lauda aussperren, aber doch nicht ihn. Das zeigt wieder, woher der Wind der systemischen Gehorsamkeit weht.
Sturm im Sektglas
Weiters angenehm aufgefallen: Niemand versucht eine künstliche Aufhetzung zwischen ORF (dem LifeBall-Broadcaster) und Heinzl / ATV. Da ist die Situation (spätestens seit Wrabetz) entspannt - was sich zuletzt auch in Heinzls launiger Romy-Dankesrede - live im ORF - zeigte.
Immerhin merkt man aber in solchen Situationen, dass es auch bei ATV Journalisten gibt - der dortige Redakteursrat wurde schnell aktiv. Und immerhin ist es besser Prinzipielles wie die Freiheit der Berichterstattung wird anhand eines scheinbar lachhaften Themas diskutiert als gar nicht.
Außerdem ist dieser Streit auch ein Modell-Fall für alles mögliche andere: Den Vergleich mit Sport-Veranstaltungen (wo auch gerne mit Aussperrung gedroht wird) hatten wir schon, der mit Festivals oder politischen Veranstaltungen, aber auch mit Aktionärsversammlungen trifft es aber genauso.
Insofern kann auch ein Sturm im Sektglas recht wertvoll sein.