Erstellt am: 3. 5. 2009 - 23:00 Uhr
Journal '09: 3.5.
Vom Alleskönner Billy Wilder ist der Satz "If you're going to tell people the truth, be funny or they'll kill you" überliefert.
Manchmal wollt' ich, ich könnte das.
Aber da es bei mir nicht für mehr als privates Herum-Clownen reicht, stell' ich mich eben der Kill-Gefahr. Es gibt ja nichts Schlimmeres als Nicht-Lustige, die sich für lustig halten - und nein, diesmal meine ich nicht den Kiffer an sich, sondern Wortgewandte mit einem blinden Fleck der Selbstüberschätzung, was ihre Gag-Haftigkeit betrifft.
Wohl im diesem Bewusstsein bin ich ein großer Freund des Lustigen, das Wahrheit im wilderschen Sinn transportiert. So sehr es mich vor reaktionärem Deskriptivismus, aalglattem Mainstream und dem Befeuern niederer Instinkte (also die Pochers, Mittermeiers oder Raabs) ekelt, so sehr lache ich laut mit denen, die sich dem Risiko des Scheiterns aussetzen, indem sie die Erwartungen eines Publikums, das am liebsten das hört, was es bereits kennt, brechen.
Weil es einer gewissen Kultur-Tradition entspricht, sammeln sich Risiko-Nehmer wie diese gerne bei Radio-Stationen. Dort lässt sich schnell, rikant und tagesaktuell arbeiten, dort existiert eine Formenvielfalt, die dem, der "funny" ist, unglaublich entgegenkommen. So gesehen ist und war es kein Wunder, dass sich auch hier, im ureigenen Haus, seit zumindest FM4-Beginn ein Biotop entstand, das die anzieht, die es rikant anlegen.
Das riskante Biotop
Ich schätze jeden einzelnen davon, wohl auch, weil sie in ihrer Vielfältigkeit so nicht über einen Kamm zu scheren sind. Das absurde Theater des Projekt X, der Dialog der Verzweiflung von Stermann & Grissemann, die pralle Wortzersetzung des Martin Puntigam, die rauhe Hinterlist von Hermes, die entgleisenden Dreistigkeiten von Clemens Haipl, die liederliche Gemütlichkeit hinter Gerald Votava, die verwirrt-verwirrende Redundanz des Rudi Schöllerbacher, die überbordenden Maskenspiele von Ratschiller & Tagwerker...
Die Synergien, die diese "funny men" mit Leuten wie Maschek, den Herren Dorfer, Maurer oder Scheuba und vielen anderen mehr herstellen, bringt gemeinsam mit der Vorgänger-Generation der Kabarett-Granden und einigen anderen Strängen anderer Zugänge zu Humor, der nicht auf die Schwachen einkloppt, sondern immer uns selber eine auflegt, sowas wie ein Gesamtgefühl von Gegenwarts-Beobachtung durch Aufmerksame zustande - und vermittelt mir das Gefühl einer Kommunikation mit verwandten Seelen; und natürlich dieses "so würd ich's auch sagen, wenn ich lustig und einfallsreich wäre"-Ding, von dem jede Volkskunst lebt.
Nun sind die "funny men" lebende Gegensätze.
Zum einen schlagen und schneiden ihre Sprüche (denn das Wort ist ihre Waffe), in der Übertreibung liegt die Kraft und die Macht, und die Grenzen des Zumutbaren sind schnell überschritten - bewusst und absichtlich.
Zum anderen sind sie allesamt zart besaitet, und um ein Wesentliches schneller ang'rührt als die anderen, die, die eben nicht funny sind.
Vielleicht bedingt das eine, diese eigentlich sehr dünne Haut, erst das andere, die Fähigkeit Wahrheiten ganz schön hart ans Publikum zu bringen (egal ob das ein Saal oder ein einzelner Dialog-Partner sind).
Ich habe mich über die Jahre daran gewöhnt, dass es dieses Phänomen gibt und mich, partiell, angepasst. Ich sage weiter, wenn verlangt, im privaten Gespräch, was ich mir denke; ich vermeide es aber intern aufzurechenen und zu vergleichen - wie es einem außenstehende Publikum zusteht, weshalb es das dann auch dauernd macht. Ich habe Glück, weil mir dieses Aufrechnen eh nicht liegt.
Wenn also dann einer oder mehrere aus einer Gruppe, die einander durchaus schätzt, alle aber immer auch mit dünnhäutigen Aufrechnungen betrachtet, etwas Neues vorzuweisen haben, dann kann es seltsam werden.
Zum einen brechen dann Ängste auf, die das aktuelle Ranking (eh immer ein Gefühltes) durcheinanderbringen könnten. Zum anderen wünscht man den Kollegen zwar eigentlich nur das Beste, ist aber irgendwie auch merkbar froh, wenn sich nichts Außergewöhnliches auftut.
Und: Als jemand, der eben kein funny man ist, aber trotzdem nach seiner Meinung gefragt wird, kann man da also in ganz schön viele Fettnäpfe tappen.
Das sind dann Momente, in denen ich froh bin nicht funny enough zu sein, sondern mich mit der bösen Ernsthaftigkeit herumzuschlagen.
Hosea Ratschillers Solo-Programm-Debut
Das alles hat mit dem gestrigen Abend eigentlich kaum etwas zu tun. Da stellte Hosea Ratschiller ein erstes klassisch zu nennendes Programm auf die Kabarettbühne des Niedermair, "Liebe Krise" heißt es, und er wird es noch zwei Mal spielen, sozusagen als Überprüfung, wie das funktioniert, ehe es dann im Herbst einen richtigen Versuch geben soll.
Das hat nix mit den alten Shows, die Hosea mit Lukas Tagwerker fabriziert hat, zu tun, auch nix mit der Supernacht der Weihnachtsstars oder anderen Neigungsgruppen, letztlich auch nichts mit dem FM4-Ombudsmann (obwohl der einen Auftritt hat). Da stellt einer, der das bislang noch nicht gemacht hat, eine Figur auf die Bühne; eine Figur, die ihre Kärntner Herkunft nicht ausbeutet, sondern als Verstärker benutzt, eine Figur, die sich gleichzeitig selbst überschätzt und keine Chance gibt (also die Gegenwart der jungen Kreativen auf den Punkt bringt). Nicht zufällig blitzt da manchmal die Joker-Figur des Heath Ledger als einziger Ausweg auf.
Das, was der junge Mann, der sich als DJ Jose Rachilla nennt, um damit die vielen Fehlschreibungen seines Namens zu umgehen, da an Wahrheiten auf schlaue Weise gewitzt formuliert an sein audience gebracht hat, war nicht nur aller Ehren wert, sondern überaus gelungen.
Und ich sage das hier auch, damit diejenigen derer, die sich das eigentlich auch angeschaut hätten, wenn nicht die Fährnisse, die ich im Mittelteil erwähnt habe, dazwischengestanden wären, über diverse Schatten springen und sich weniger ins dünnwandige Hemd machen, was ihre Vorsicht gegenüber dem Können anderer und damit auch ihr eigenes Können betrifft.
Das, was der gute Hosea da an Können aufgezeigt hat, ist jede Unterstützung wert. Auch und vor allem die der anderen Funny Men, der anderen Risiko-Nehmer, derer, die vergleichbare Erfahrungen gemacht und deshalb weitergeben könnten. Angstfrei.