Erstellt am: 3. 5. 2009 - 10:28 Uhr
Not exactly what you call a laugh
Magnolia Pictures
If they wanted you to be yourself, they wouldn't buy you, sagt das Manhattan-Escortgirl.
Steven Soderberghs neuer Film spielt in einer Stadt, in der man alles kaufen kann, auch oder weil es fake ist. "The Girlfriend Experience" hat diese Woche beim Tribeca Filmfestival in New York Weltpremiere gefeiert - auch so eine strategische Mogelpackung: der Film wurde schon im Jänner beim Sundance Filmfestival gezeigt. Soderberghs girlfriend experience nennt sich Christine oder Chelsea (der Name ist sekundär) und verrechnet für Authentizität, perfektes Outfit und sachkundigen Umgang mit krisengebeutelten Businessmen 2000$ pro Stunde.
Soderbergh durchläuft die Arbeitsvorgänge von der Kontaktaufnahme (Have you seen an escort before? My rule is not to be the first escort of anybody) bis zur Übergabe des Geldkuverts, von bezahlten Beratern bis zu einem abgedrehten Escort-Rezensenten. „The Girlfriend Experience“ wurde in 16 Tagen mit Laien und der Pornodarstellerin Sasha Grey in der Hauptrolle gedreht. Es ist ein Film auf der Höhe (besser: Tiefe) der Zeit, die Erkundung einer Gesellschaft, deren Realität eine gespielte Echtheit ist.
Tribeca Filmfestival - als Antwort auf 9/11
"Wir waren keine Polizisten, keine Feuerwehrleute, keine Stahlarbeiter, hatten keine Bulldozer, was konnten wir als Filmemacher tun?", sagt die Produzentin Jane Rosenthal, die das Tribeca Filmfestival gemeinsam mit Robert de Niro nach 9/11 gegründet hat. Das Festival zeigt low-budget und Indie-Filme und vergibt einen Spiel- und einen Dokumentarfilmpreis.
Radio FM4/Anna Katharina Laggner
Rosenthal, die aus ihrem Büro auf Ground Zero blickt, spricht von einem neuen Gedächtnis, das sie nach der Verwüstung geschaffen haben und davon, dass die Menschen in Downtown Manhattan auch in dieser aktuellen Krisenzeit Spaß haben sollen. "Lets get together and watch a movie and have a laugh." Jane Rosenthal weiß nicht, welche Filme ich bei Tribeca gesehen habe.
Krisenfilme
Zwar hat das Festival mit Woody Allens "Whatever Works" zur Eröffnung und "My Life in Ruins" (geschrieben von Nia Varados, die auch das Drehbuch zu "My Big Fat Greek Wedding" verfasst hat) als Abschlussfilm eine komödiantische Klammer, doch dazwischen gabs nicht viel zum Lachen.
In "Vegas: Based on a true story" (unbeholfen gespielt, aber pointiert geschrieben) ackert eine Familie mit bis zur Manie steigender Aggression ihren Garten nach einem Geldkoffer um.
ImageNet_hero
Im Dokumentarfilm "Which Way Home" reisen lateinamerikanische Kinder auf Dächern von Güterzügen quer durch Mexiko, um irgendwie über die Grenze nach Amerika zu gelangen. Im besten Fall sterben sie nicht. "Playground", ein von Steven Soderbergh und George Clooney produzierter Dokumentarfilm, handelt von Kinderhandel und Kindesmissbrauch in den USA, von Mädchen, die zur Prostitution gezwungen, vergewaltigt, verschleppt werden. Regisseurin Libby Spears erforscht ein Verbrechen, das man nicht zeigen kann, untersucht das Rechtssystem, die Terminologie der Pornoindustrie und Kommunikationskanäle wie craigslist (naiv anzunehmen, man würde dort nur Wohnungen finden).
Mein Favorit: Outrage
Magnolia Pictures
"Outrage" vom oscarnominierten Dokumentarfilmer Kirby Dick gibt der Debatte über sexuelle Gleichberechtigung eine neue, klare Dimension: spitzzüngig, mit viel Witz und großer Intelligenz zeigt "Outrage" die Scheinheiligkeit von verkappt schwulen Politikern, die in der Öffentlichkeit schwulenfeindlich auftreten und gegen Gleichberechtigungsgesetze stimmen. Diese großteils republikanischen Politiker werden vom - laut Washington Post - most feared man on the hill , dem Blogger Mike Rogers geoutet. Er ist nur einer der Aktivisten, Journalisten und offen schwulen Politikern, die in "Outrage" argumentieren, dass politischer Schmafu rauskommen muss, wenn man seine gesamte Energie dafür aufwendet, hetero zu sein.
Lobende Erwähnung für Defamation
Der von Österreich koproduzierte Film "Defamation" über aktuelle Ausformungen von Antisemitismus hat eine lobende Erwähnung in der Kategorie Bester Dokumentarfilm bekommen. Kommentar der Jury, der unter anderem Morgan Spurlock und Whoopi Goldberg angehörten: “Special jury mention to Defamation for lifting the veil – through courageous filmmaking – on a subject seldom so openly discussed." Hier gibt es alle Preisträger zum Nachlesen.