Erstellt am: 4. 5. 2009 - 14:09 Uhr
And we know them by Trail Of Dead
"Manchmal ist das Touren für mich wie Urlaub", meint Trail Of Dead-Sänger Conrad Keely, wobei ein seltsames Lachen folgt. Er wirkt wie ein Mensch, der schwer zur Ruhe kommt. In seinem Kopf scheint er sich ständig mit seiner Umwelt und seinem Inneren auseinanderzusetzen. Andererseits weiß man von Trail Of Dead, dass sie es in Interviews mit der Wahrheit nicht ganz so genau nehmen, besonders wenn es um ihre Musik oder ihren Bandkosmos geht. Aber ein Funken Wahrheit scheint doch in Keelys Aussagen zu stecken, wenn ihn sein Erinnerungsvermögen nicht im Stich lässt.
"Als wir das letzte Mal in Europa auf Tour waren, hatten wir unsere Fahrräder mit. Und einer meiner besten Ausflüge war, als wir durch Salzburg gefahren sind."
Jetzt sind Trail Of Dead erneut über den großen Teich geflogen, im Gepäck diesmal ihr neues Album "The Century Of Self".
Das flüsternde Ich

Trail Of dead
In diversen Artikeln war zu lesen, Trail Of Dead wären mehr als nur unzufrieden mit ihren letzten Alben. Auf die Frage, ob er denn irgendwann das Gefühl hatte, den richtigen trail verlassen zu haben, antwortet Keely:
"Es gab definitiv Zeiten, in denen wir Dinge aus den falschen Gründen getan haben. Oder sagen wir besser, es waren negative Beweggründe. Das Einzige, was ich mir vorwerfe ist, dass ich manchmal nicht auf mich und meine Intuition gehört habe. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, das zu tun. Speziell als Künstler. Es gibt ja kein Handbuch für Musik, deshalb musst du dich auf dich selbst verlassen. Das ist der Schlüssel für künstlerischen Erfolg. Und, es ist verdammt schwer."
Trail Of Dead - am 7. Mai live zu sehn im Wiener WUK
Schon die letztes Jahr veröffentlichte EP "Festival Thyme", ein Albumvorbote, offenbarte nichts von Selbstzweifel oder gar interner Schwäche. Im Gegenteil. Ein Song wie "The Bells Of Creation" bewies eindrucksvoll, dass auf die melodiösen, songschreiberischen und energetischen Stärken der Vergangenheit zurückgegriffen wurde.

Rachael Warner
Das schreiende Ich
So bricht auch auf dem Anfang des Jahres erschienenen Album "The Century Of Self" der kreative Damm mit lautem Knall. Eröffnet wird der theatralische Reigen mit dem Instrumental "The Giants Causeway" (ebenfalls schon auf "Festival Thyme" enthalten). Alles scheint von der Flut an Klavier- und Synthiemelodien und dem scheppernden Schlagzeugbecken weggespühlt zu werden, bis "The Far Pavillions" die Gitarrenwände in die Erde stoßen und sich Conrad Keely und Jason Reece gegenseitig in gewohnter Manier ihre Ängste von der Seele schreien.
Durch das Album ziehen sich vorwiegend sehr persönliche Geschichten, die in den letzten Jahren wie Dämonen immer wieder aus der hintersten Gehirnwindung zum Vorschein kamen. "Pictures of An Only Child", ein balladeskes Highlight, dass sich zu einem verzerrten Gitarrenrausch entwickelt, ist zum Beispiel ein intimer Blick in Keelys Familienfotoalbum. Diese Bilder in einen Song zu verpacken, diese Idee war schon vor einer Dekade da. Aber die Erinnerungen waren zu schmerzlich, um sie auszuformulieren und zu singen.
"Es ging nicht darum, dass ich durch diesen Song verletzbar werde, weil ich mit öffne. Ich glaube, niemand wird mir deshalb meine Schwächen vorhalten. Es ging darum, sich dem persönlichen Schmerz zu stellen. Ich fürchte mich nicht vor Dingen, die von außen kommen, als vielmehr vor Dingen, die in mir stecken."

Roger Kisby
Einer der wohl gefühlvollsten Nummern von Trail Of Dead ist "Luna Park". Ein Song, der eigentlich mit akustischer Gitarre, Klavier und einer genialen Bassline auskommt, bis ein sehr reduzierter Rhythmus die Dynamik beschleunigt. Jason Reece singt darin von einem Vergnügungspark seiner Kindheit, der schon einige Male geschlossen werden musste. Es ist eine Metapher dafür, dass wir oft Dinge zerstören, die wir eigentlich lieben.
Natürlich darf auch Agression und Wut nicht fehlen. Vor allem dann, wenn Conrad Keely über Religion und Spiritualität reflektiert. Spätestens da bricht in "Isis Unveiled" wieder die Wall Of Sound über unseren Köpfen zusammen.
"Meine Eltern haben mich recht spirituell erzogen. Sie wollten, dass ich daran glaube. In höherer Spiritualität gibt es meiner Meinung nach keinen Platz für Religion. Denn Religion bedeutet immer Organsition, Konformität, Regeln und Dogma. All die negativen Dinge, die oft mitschwingen, wenn es darum geht, an ein Konzept einer höheren Macht zu glauben."
Das maskierte Ich

Trail of Dead
Vielleicht täuscht uns Keely mit all seinen politischen Aussagen, da er nicht immer sein verschmitztes Lachen verbergen kann. Aber selbst wenn, dann macht er es sehr überzeugend. Denn nicht zuletzt ist der Albumtitel "The Century Of Self" eine Referenz auf die Dokumentation "The Century of the Self" von Adam Curtis. Er versucht darin, den Methoden und Wurzeln der modernen Konsumgesellschaft und repräsentativen Demokratie auf den Grund zu gehen.
Aber all diesen theoretischen Unterbau braucht es nicht, um Trail Of Deads neues Album genießen zu können. Die Texaner schaffen es noch immer, lärmige Passagen so ungebremst auf sanftere, poppige Klänge prallen zu lassen, dass die Funken fliegen. Außerdem sollte man Trail Of Dead einfach als das sehen, was sie sind: Eine Rockband, die gekonnt mit Symbolik, Informationen, Falschmeldungen, Gefühlen und dem eigenen Geschmack spielt. Und das auf höchstem Niveau.
Das radfahrende Ich
Am kommenden Donnerstag 7. Mai sind Trail Of Dead im Wiener WUK zu Gast. Dort werden sie uns einmal mehr ihren brachialen Sound um die Ohren schleudern. Aber erst, nachdem Conrad seine Sightseeing-Pläne in die Tat umgesetzt hat.
"Ich muss mir in Wien viel anschauen. Ich war noch nie in den Museen, den Kunstgalerien, oder im Kunsthaus."
Und um rechtzeitig wieder auf der Bühne zu sein, kann er sich ja ein City Bike schnappen.