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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

28. 4. 2009 - 17:00

Das vom Schrottplatz Mitgeschleifte

Elektronik ohne Elektronik, Noise mit Funk. Analoger Zauberkasten, Laserpistole, Z-z-z-app! Holy Fuck sind am 30. April in Wien.

Noisemusik und Tanzen, zwei, ja, fast schon "Prinzipien", die sich nicht selten spinnefeind begegnen: Hier blickt man mit schwarzer Kapuze überm Kopf grimmig und regungslos drei grimmigen Japanern ins Gesicht und hört ihnen beim lustvollen Instrumentezerstören zu, da, in der leer stehenden Fabrikshalle, gibt man seinen glänzenden, mit dreizehn Pillen betankten Körper dem monoton stampfenden Rhythmus der Bassdrum und der ewigen Nacht hin. Möglicherweise mit blondiertem Haar und Acid-Smiley auf dem T-Shirt. Ist man dann wieder einmal aus seinen feuchten Klischeeträumen mit Stereotypenüberfrachtung erwacht, wird man mit Erleichterung feststellen, dass sich Hedonismus und Experimentierwillen nach wie vor aber so gar nicht ausschließen müssen. Man könnte sich auch auf halbem oder 2/3 Weg treffen. Oder zum Konzert der kanadischen Band Holy Fuck gehen. Irgendwas ist ja nämlich bekanntlich immer: Für diejenigen, die sich also aus irgendwelchen Gründen am Donnerstag nicht zur schönen Bestrafung durch Bassmassage beim Donaufestival in Krems einfinden können oder wollen, bietet auch Wien am selben Abend eine Livedarbietung sensibel auskalibrierter Krachmusik.

Die Band Holy Fuck

james mejia

Manifest im Geiste

Die letzten zwei, drei Jahre waren gute Jahre für Fuck. Neben den formidablen, kanadischen Hardcore-Revitalisierern von Fucked Up und den noch formidableren, elektronischen Drone-Experten von den Fuck Buttons aus Bristol führt mit Holy Fuck eine dritte Band das schöne Wort für die schöne Sache prominent im Namen. Um die Fucking Champs und die Gruppe Fuck ist es ja etwas ruhiger geworden in letzter Zeit. Holy Fuck aus Toronto, Ontario haben sich selbst freiwillig ein bisschen zwischen die Stühle Rock und Elektronik gesetzt und sogleich ein loses Manifest im Geiste verfasst, nach dem sie eine Art quasi-elektronische Musik produzieren wollen, die sich zwar an den Patterns von elektronischer Tanzmusik orientiert - jedoch ohne Zuhilfenahme üblicher elektronischer Produktionsmethoden, also dem Einsatz von Laptop oder Samples.

So haben die mal drei, mal vier, mal fünf Herren von Holy Fuck neben allerlei alten Synths und sonstigem Tastenwerk, analogem Brimborium und Kabeln Deluxe diversen Schnickschnack vom Schrottplatz zur Klangerzeugung zusammengetragen. Und so finden oder fanden sich im Instrumentarium der Band mitunter ein alter Filmprojektor ("Hör’ mal wie schön der leiert!"), eine Laserpistole (Attrappe) und Gerätschaften aus der Spielwarenabteilung. Was ein wenig gimmickhaft anmuten mag, wenn am Ende aber dabei so schöne Platten wie beiden Alben "Holy Fuck" und "LP" rauskommen, soll es der Band niemand verübeln. Auch wenn auf zweitgenannter Platte Zaubergeiger Owen Pallett (Final Fantasy) ein kurzes Gastspiel hat, soll das nicht in die Irre führen: So klingen Holy Fuck nämlich gar nicht, so macht man das halt unter Musikerfreunden in Kanada. Holy Fuck machen Noise mit Funk, Holy Fuck machen mit Disco mit Rumms.

Musiker der Band Holy Fuck mit zahlreichen Keyboards und Synths

Jan de Wit

Softdrink Light

Selbst wenn jetzt niemand mehr an die ständige und unbedingte Neuerfindung irgendwelcher Musiken glauben mag, muss es schon gesagt werden dürfen: Sonderlich originell sind Holy Fuck nicht, die reißen niemandem mehr Löcher ins Leben. Holy Fuck sind bloß eine sehr gute Band, das muss reichen. Holy Fuck sind die immer eine Spur leichter zu fassende Variante vieler anderen sehr guten Bands. Holy Fuck sind weniger psychedelisch überdreht als die japanischen Großmeister des kaugummifarbenen Noise, die Boredoms, nie so komplex, so dicht organisiert wie ihre Geistesverwandten von Black Dice (die übrigens, das soll an dieser Stelle noch einmal erlaubt sein zu erwähnen, beim Donaufestival ganz fantastisch waren). Das Geklöppel und Herumgeklopfe an Drums und Gerätschaften von Holy Fuck ist nie so manisch entrückt wie das der Liars, ihr spröder Funk erreicht nie das Saftlevel der New Yorker James-Chance-Trifft-James-Brown-No-Disco-Waver von !!!. Holy Fuck sind der Softdrink Light diverser in den letzten paar Jahren heiß herumschwirrender Musiken zwischen No Wave und Disco, Dancepunk, Noise und Elektronik.

Holy Fuck sind am 30. April im Wiener WUK

Und wenn sie im Wiener WUK wie so oft mit zwei Schlagzeugern anrollen, bei ihrer Liveperformance auch wirklich so gut sind, wie man munkelt, und dann wieder all das vermählen, was seit jeher zusammengehört, soll zu ihren Ehren eine – im besten Falle schön scheppernde – Konservendose geöffnet werden. Holy Mackerel!