Erstellt am: 12. 5. 2009 - 16:46 Uhr
Öffentlichkeitsarbeit für das Niesen
Ich bedaure sehr, diesen Aufsatz geleitet von meiner leichten Verstimmung eröffnen zu müssen, aber ich habe verdammt noch einmal Besseres zu schaffen, als den ganzen Tag am Computer zu sitzen. Es ist doch Frühling! Wird es denn einem so ausnehmend wohlgeratenen jungen Mann wie mir nicht vergönnt sein, bei Königswetter in lauschigen Lauben zu hocken und Sachbücher über Frauen zu lesen und nebenbei Vögel zu beobachten? Vielleicht will ich aber auch ornithologische Fibeln studieren und by the way Frauen beobachten, auch das sollte mir doch vergönnt sein. Aber nein! Wie denn auch? Hab ja keine Zeit. Ich muss den ganzen Tag vor diesem verfluchten Computer kauern. Vielen Dank! Keine zehn Minuten kann ich wenigstens koten oder dampfbügeln, weil mein Posteingang dann schon wieder voll ist. Ich lösche täglich mehr Mails als die Feuerwehr Großbrände in den letzten hundert Jahren. Und was steht drinnen? Immer das gleiche! Doch jetzt ist das Maß voll, und sollte es sich bei ebendiesem um einen Krug handeln, dann ist er jetzt lange genug zum Brunnen gegangen und endlich gebrochen (Finden Sie das beliebte Sprichwort und gewinnen Sie zehntausend Euro in bar. [so lange der Vorrat reicht]).
Exemplarisch sei hier eine kürzlich eingetroffene Nachricht des users jimihendrix87 zitiert, der ich nun endlich Folge leisten will, wie den unzähligen anderen mit demselben Begehr:
Lieber Marc!
Du bist echt der Hammer. Meine Frau liebt deine Texte auch sehr. Doch wir fragen uns oft, warum du noch nie einen über das Niesen geschrieben hast. Wir beiden niesen ungemein gern und machen es uns oft auch gegenseitig mit einer Feder. Doch als Nieser hat man bei FM4 überhaupt keine Lobby. Marc, du bist unser Mann.
Mit einem amikalen
Hatschi!
grüßt dich
jimihendrix87

@Library of Congress
Da Edelmut und Großzügigkeit im Ranking meiner besten Eigenschaften schon bald nach meinem guten Aussehen folgen, will ich dem Wunsch nachkommen und hoffe dadurch auch nebenbei, endlich wieder ans Tageslicht zu kommen und nicht rund um die Uhr vergleichbare Anfragen in den Papierkorb verschieben zu müssen.
Niesen
Erst im Rahmen der Rechtschreibreform schreibt man 'genießen' mit sz*.
* Ich möchte an dieser Stelle der Süddeuschen Zeitung den Slogan
"Genießen – mit SZ"
zum Vorzugspreis anbieten
Aus diesem Grund ist es nicht mehr auf den ersten Blick ersichtlich, dass dieses Verb ursprünglich passenderweise mit 'niesen' verwandt ist, einer Körperfunktion, die eben einen vortrefflichen Genuss darstellt.
Ich nehme nicht an, dass sich Bakterien oder Karpfen an diesen Zeilen versuchen und scheitern werden, dass also alle Leserinnen und Leser und auch die lieben Zwitter wissen, wie es sich anfühlt, zu niesen, nämlich erhaben.
Nun stelle man sich einen feschen Kampl vor, der seinen ehernen Phallus in der glibberfeuchten Vulva der sich wahlweise unter, über oder neben ihm befindlichen Dame kunstvoll bewegt und sich dann jäh entschuldigt, weil er beinahe einen Orgasmus erlitten hätte, was nun wirklich nicht in seiner Absicht läge, woraufhin ihm die Dame Gesundheit wünscht. Nun wendet der geschlechtsreife und einschlägig erfahrene Leser ein, dass die Ejakulation doch was total Schönes und Natürliches sei. Selbstverständlich, aus diesem Grund möge sie auch nicht von Scham, sondern von inbrünstigem Wimmern, Seufzen und Ächzen flankiert werden.
"Wan ein Mensch nieset .. ob der Nieser drei sind, so sein vier Dieb umb das Haus." (Johannes Hartlieb, Das Buch der verbotenen Künste)
All dies gilt ebenso für das Niesen. Wie der Koitus kann dies zu zweit, alleine oder gar in der Gruppe passieren. Es ist eine unverzeihbare und lebensverneinende Maßnahme, das Niesen zu unterdrücken, weil es eine kostbare und viel zu seltene Delikatesse unter den Körperfunktionen ist und hinsichtlich des Wohlgefühls dem sexuellen Höhepunkt um gar nicht so viel nachsteht.

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Schon die Idee eines Kitzels auf meinen glücklicherweise recht empfindlichen Schleimhäuten lässt mich meine Hände reiben, die ich mir selbstverständlich im Beisein Anderer beim geglückten Atemswegs-Cumshot vor die Nase halte.
"Sein Niesen glentzet wie ein Liecht." (Buch Hiob)
So soll es hier also hell- auf dunkelgrau stehen: Ich niese für mein Leben gerne, weil es ein wunderschönes und befreiendes Gefühl ist. Und ja: Ich mache es mir durchaus auch selbst: Der Photische Niesreflex ist schon eine knusprige Chose! Schon beim leisesten Jucken reicht mir eine handelsübliche Sonne, um literweise gelben Schleim auf Wände / Hände zu speien. Das ist natürlich masturbationsverwandte Wettbewerbsverzerrung, ich weiß dieses Geschenk der Evolution aber wenigstens zu schätzen.
Ich werde die Schulaufsatzregel, mit einem Resümee abzuschließen, nun brechen, da ich ja bisher im Grunde nichts anderes gesagt habe, als ein überzeugter Freund des Niesens zu sein, und schließe auch bestimmt nicht mit meinem insgeheimen Traum, einmal während eines Orgasmus zu niesen, denn das behalte ich lieber für mich.

© Marc Carnal